Überflieger oder Pleitegeier?

Der Kater nach dem Rausch - Über die Zukunft der FinTechs

17.03.2017
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Nils Zeizinger ist  freier Autor für PR-, Wirtschafts- und Finanzthemen. Inhaltlich setzt er sich vor allem mit der FinTech-Szene sowie den Tech-Riesen Google, Facebook und Co. auseinander. Der gebürtige Thüringer studierte Publizistik, Politikwissenschaft sowie Komparatistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er ist Mitglied im Deutschen Journalisten Fachverband.
Die FinTechs sind auf dem Vormarsch. Doch den zahlreichen Neugründungen und Investitionsrunden steht die Frage gegenüber: Was passiert nach dem Hype?

Der deutsche FinTech-Boom hält an: 507 Millionen Euro wurden 2016 in junge Finanzunternehmen investiert, womit der bisherige Höchstwert aus dem Vorjahr noch einmal deutlich übertroffen wurde. Dies geht aus einer aktuellen Studie von comdirect auf Basis der Barkow Consulting FinTech Money Map hervor. Auch die Zahl der Unternehmen steigt weiter – aktuell gibt es in Deutschland knapp 550 FinTechs. Allein in den vergangenen beiden Jahren gab es mehr als 200 Neugründungen. Doch ein Blick über den deutschen Tellerrand macht deutlich, dass es wie in anderen Ländern auch hierzulande kein unbegrenztes Wachstum im FinTech-Sektor geben kann. Wie in allen jungen Branchen verschwindet ein großer Teil der Akteure irgendwann wieder von der Bildfläche.

Die Kombination von Financial Services und Technology macht Sinn, allerdings wachsen auch hier die Bäume nicht in den Himmel.
Die Kombination von Financial Services und Technology macht Sinn, allerdings wachsen auch hier die Bäume nicht in den Himmel.
Foto: AlexLMX - shutterstock.com

Wer heute die Website avuba.de besucht, kann die folgenden Zeilen lesen: „Liebe Avuba-Nutzer und Freunde, nicht alles läuft immer wie geplant. Wir können unser Produkt nicht weiter wirtschaftlich betreiben und haben uns dazu entschlossen, die Avuba-App zum 30. Januar 2017 zu schließen.“ Nachdem der Erfolg als reine Payment-App ausgeblieben ist, wollte das Berliner Startup Mitte 2016 als Smartphone-Bank mit mehr Features durchstarten. Doch das notwendige Investorenkapital blieb aus, sodass der Wettbewerber von N26 schließlich die Segel streichen musste. Ähnlich erging es auch Cookies: Die Investoren haben den Glauben an das FinTech verloren, sodass keine Anschlussfinanzierung zustande kam. Es folgte der Insolvenzantrag Ende November 2016. Nun hat der Online-Bezahldienst Klarna das Unternehmen übernommen.

Nicht nur Gewinner im dynamischen FinTech-Umfeld

Im schnellen und dynamischen Umfeld der FinTechs schießen neue Unternehmen wie Pilze aus dem Boden; doch auch der umgekehrte Fall tritt immer häufiger ein. Crowdlender Finmar, der Online-Vermögensverwalter MoneyVane oder das Social-Startup Fraisr sind ebenfalls bekannte Beispiele für geplatzte Gründerträume. Und es ist davon auszugehen, dass ihnen in den kommenden Jahren noch zahlreiche weitere FinTechs in die Insolvenz folgen werden. Einige Anbieter werden sich in ihrem Segment durchsetzen, die meisten jedoch den Anschluss verlieren. Spätestens mit der Konsolidierung des Marktes folgt auf die aktuelle Sektlaune, die durch Finanzierungsrunden und Umsatzsteigerungen angeheizt wird, bei vielen jungen Unternehmen die Katerstimmung.

Mobile Payment: Viele Anbieter, wenige Nutzer

Ob Robo-Advisor, P2P-Lending oder Mobile Payment – die Konkurrenz in den dichtbesiedelten Märkten ist einfach zu groß, als dass alle Anbieter schlussendlich ausreichend Kunden oder Geldgeber für ein wirtschaftliches Geschäftsmodell finden könnten. Das mobile Bezahlen via Smartphone ist ein Paradebeispiel: Obwohl Jahr für Jahr aufs Neue der große Durchbruch der Technologie in Deutschland herbeigeredet wird, ist die Realität eine andere. Die Deutschen hängen am Bargeld und haben nach wie vor große Sicherheitsbedenken, sodass viele Mobile Payment-Anbieter ihren Dienst bereits wieder einstellen mussten – darunter Yapital, Paij, Peymey, mpass oder myWallet.

Yapital ist nur ein Beispiel für einen Mobile-Payment-Anbieter, der mangels Nachfrage aufgeben musste.
Yapital ist nur ein Beispiel für einen Mobile-Payment-Anbieter, der mangels Nachfrage aufgeben musste.
Foto: Yapital

Insellösungen sind zum Scheitern verurteilt, denn kein Nutzer will ein dutzend Apps auf seinem Smartphone, um damit in verschiedenen Geschäften bezahlen zu können. Die Zurückhaltung der Händler bei der Implementierung der Technologie an den Ladenkassen hat sein Übriges getan, um den Anbietern den Schwung zu nehmen. Es bleibt abzuwarten, ob mit dem Markteintritt von Apple, Google oder Samsung die Wende eintritt. Doch der Start von Apple Pay und Co. wird aller Voraussicht nach gleichbedeutend sein mit dem Ende einiger kleinerer Anbieter.

Übernahme oder Kooperation?

Das Beispiel Mobile Payment zeigt, dass die FinTechs hierzulande teilweise einen langen Atem und sehr geduldige Geldgeber brauchen. Wer selbst nicht ausreichend Mittel hat, um zu wachsen und neue Märkte zu erschließen, ist auf starke Partner angewiesen. Liquidität gibt es am Markt genug, doch nicht in jedem FinTech verbirgt sich eine Goldgrube – und das wissen auch die etablierten Player. Zudem stellen sich nun auch die Banken auf die neuen Anforderungen ein und entwickeln eigene Angebote. Mit einer Übernahmewelle im FinTech-Segment ist daher nicht zu rechnen. Aus den aktuellen Zahlen des Bundesfinanzministeriums geht jedoch hervor, dass bereits 87 Prozent der hiesigen Banken mit FinTechs kooperieren und auch zukünftig eine Beteiligung oder Zusammenarbeit anstreben.

Für die Fintechs sind das gute Nachrichten, denn die Mehrzahl der jungen Finanzunternehmen wird sein Heil aller Voraussicht nach in einer Partnerschaft mit den etablierten Instituten suchen. Doch wer eine „Wirtsbank“ braucht, um seinen Service anzubieten, begibt sich immer auch in strategische Abhängigkeiten sowie in die Gefahr, an Innovationskraft einzubüßen. Ob die erhoffte Werteentwicklung der FinTechs auf diese Weise eintritt, wird nur im Einzelfall zu beantworten sein. (mb)