Oracle, IBM & Co. legen Standards für NCs vor

Das Internet-Bündnis gegen Microsoft steht

24.05.1996

Als Allianz gegen Microsoft und Intel präsentierten sich rund 30 Hersteller, die sich unter der Regie von Datenbankanbieter Oracle zusammenfanden. Erklärte Absicht ist es, mit einem Network Computer (NC) eine Alternative zum herkömmlichen PC zu schaffen.

Die Grundlagen des "Reference Profile" beruhen auf bestehenden Techniken und sollen keinem Hersteller gehören. Auf diese Weise will man erreichen, daß der Internet-Markt, anders als der für herkömmliche PCs, nicht von einem oder zwei Anbietern dominiert wird. Aus diesem Grund beschränkten sich die Initiatoren auch explizit auf Java als Basis-Softwaretechnik und ließen Microsofts Internet-Techniken wie die OLE-Weiterentwicklung Active-X außen vor.

Für die Etablierung dieser Standards wollen nicht nur die genannten Branchengrößen, sondern auch die rund 30 Unternehmen sorgen, die sich schon jetzt dazu bekannt haben. Zu den künftigen NC-Produzenten zählen auch Sun River Data, Olivetti, Nokia und Mitsubishi. Tatung und Mitac wollen Hauptplatinen produzieren. NC-Komponenten sollen Motorola, DEC, Cirrus Logic und ARM fertigen. Unterstützung kommt auch aus den Reihen der großen Internet- und Telecom-Anbieter.

Von den bekannten Softwarehäusern hat sich neben Netscape lediglich der kanadische Wordperfect-Käufer Corel zum NC bekannt.

Außerdem hat Oracle eine eigene Niederlassung mit der Bezeichnung Network Computer Inc. gegründet. Deren Aufgabe soll es sein, die NC-Hersteller und Benutzer mit, wie es heißt, "preisgünstiger und leicht zu benutzender" Software zu versorgen. Zur ersten Version der "NC Software Suite" gehören das Microkernel-Betriebssystem "NCOS", Multimedia-Funktionen, ein Satz Systemsoftware-Module sowie technische Spezifikationen. In Lizenz genommen hat die Oracle-Tochter Suns Java-Entwicklungssprache und den Hot-Java-Browser, das Multimedia-Werkzeug "Director" und dessen Web-Entsprechung "Shockwave", beide von Macromedia. Hinzu kommt die auf der Seitenbeschreibungssprache Postscript basierende "Bravo"-Technik von Adobe, die aber auch eine wichtige Rolle in einer WEB-Inititative von Adobe mit Javasoft und Microsoft spielt (siehe Seite 20).

Erste NCs sollen im Herbst dieses Jahres für unter 1000 Dollar auf den Markt kommen. Einige Prototypen von der IBM waren in San Franzisko bereits zu sehen. NCs sind im wesentlichen PCs ohne eigene Festplatte, dafür aber mit einem eingebauten Anschluß für das Internet sowie für lokale Netze. Zu den vorgestellten Produkten gehören:

- ein Funkrufempfänger zum Empfangen und Versenden von Daten ("Piepser"),

- Kleinstcomputer beziehungswiese elektronische Notizbücher wie etwa Apples "Newton",

- Web-Terminals, die bislang als Internet-PCs bezeichnet wurden,

- ISDN-fähige Bildtelefone sowie

- Set-top-Boxen, die als Zusatzgerät den Fernseher zur Spiele- oder Internet-Konsole machen.

Von den Initiatoren ist Apple als letzter in die Reihen der Anti-Wintel-Allianz eingeschert. Nach dem Wechsel in der Führungsspitze mußte erst eruiert werden, wie der NC in der Unternehmensstrategie zu den "Pippin"-Boxen paßt, die als Home-User-Geräte mit Internet-Zugang positioniert wurden.

Für Sun und Netscape, die den Internet-Markt mit Server-Hardware beziehungsweise Software beherrschen, bedeutet die jetzige Initiative eine Chance, ihre Marktposition noch auszubauen oder zumindest gegen Offensiven von Microsoft- und Intel-Seite zu verteidigen. Es wundert niemanden, daß bei der Aufzählung der NC-Unterstützer Microsoft und Intel fehlen.