„Das faire Unternehmen gibt es nicht“

11.03.2003
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

CW: Wie äußert sich versteckter Opportunismus?

SCHOLZ: Mitarbeiter bewerben sich jetzt bei Arbeitgebern, zu denen sie eigentlich nicht hinwollen und bei denen sie auch nicht bleiben werden. Hiervon sollten Firmen bei ihrer Personalauswahl ausgehen, vor allem aber bei der Personalentwicklung.

CW: Aber gerade in der Personalentwicklung wird gespart. Liefern Sie mit dem Darwiportunismus nicht Argumente, das Budget für die Personalarbeit noch stärker zu reduzieren?

SCHOLZ: So hart das klingt, für ihre „Employability“, also Marktfähigkeit und Einsetzbarkeit, sind Mitarbeiter allein verantwortlich. Sicher hat das Unternehmen Interesse an qualifzierten Mitarbeitern, die es bald nicht mehr so einfach auf dem Arbeitsmarkt bekommt. Das wird auf ein Teilen von Kosten und Erträgen der Personalentwicklung hinauslaufen, aber immer unter der Beachtung des jeweili-gen „Mischungsverhältnisses“ aus unternehmensseitigem Darwinismus und mitarbeiterseitigem Opportunismus. Die Personalentwicklung wird also zu einer differenzierten risikobehafteten Investitionsentscheidung.

CW: Sie befassen sich in Ihrem Buch mit verschiedensten Firmen, unter anderem mit HP. Warum ist das Unternehmen so interessant?

SCHOLZ: Vor Jahren war HP ein Unternehmen, in dem Mitarbeiter in der firmeneigenen Kultur aufgingen, als HPler dachten und sich HP um jeden Einzelnen kümmerte. Das war aber selbst am Höhepunkt der New Economy kaum mehr finanzierbar. Eigentlich hätte der externe Druck in verstärkten internen Wettbewerb transformiert werden müssen. Ergebnis: Darwiportunismus als Kombination aus Opportunismus und Darwinismus. Doch das war angesichts der Erlebniswelt der Mitarbeiter schwierig. Als einzige Chance blieb die Fusion mit Compaq, ein Schock, der den Druck auf die Mitarbeiter erhöhte und HP zu einer Firma machte, in der Darwinismus im Mittelpunkt steht. HP war somit immer ein tolles Unternehmen für die Lehrbücher: zuerst wegen seiner faszinierenden Kultur, jetzt als Muster für eine darwiportunistische Entwicklung.