Das brauchen Sie für Videoconferencing

21.04.2005
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.
Dienstreisen kosten immer mehr Firmen zu viel Geld. Besprechungen mit Geschäftspartnern, Kunden oder Kollegen an verteilten Standorten lassen sich auch mit Videokonferenzsystemen abhalten.

Das Angebot an Videokonferenzsystemen ist beinahe unüberschaubar, der Markt bietet eine Fülle an Lösungen - angefangen bei Desktop-Produkten über Web-basierende Dienste bis hin zu eigenständigen Konferenzsystemen mit TV-Anschluss. Die Geschichte dieser Technik geht weit zurück. Bereits in den 50er Jahren hatten die US-amerikanischen Bell Labs Prototypen für Videotelefonie vorgestellt. Trotz des seither regelmäßig neu aufgewärmten Hypes konnte sich Videoconferencing nie auf breiter Front durchsetzen. Das lag wohl nicht zuletzt am hohen technischen und entsprechendem finanziellen Aufwand für Hardware und Netze.

Mit der Ausbreitung der PC-Technik, einer ständig steigenden Rechenleistung sowie einer zunehmend breitbandigen Vernetzung hat die Konferenztechnik jedoch einen enormen Schub erfahren. Treibende Kraft sind hier wie im gesamten Multimedia-Umfeld die Fortschritte in der Audio- und Videodatenkompression mit Formaten wie MP3-Audio und MPEG-Video.

Für den Einstieg reicht heute bereits eine ISDN-Verbindung aus, sofern per Kanalbündelung die doppelte Datenrate von 128 Kbit pro Sekunde genutzt wird. Standard-DSL-Anschlüsse liegen mit ihrer Sendeleistung (Upload) auf demselben Niveau. Allerdings profitieren Nutzer von den mittlerweile üblichen Download-Kapazitäten zwischen einem und 3 Mbit pro Sekunden, die eine größere Zahl an Teilnehmern erlauben.

Die Einstiegshürden in die Videokommunikation sind heute niedrig, denn die einfachste Form des Videoconferencings beginnt bereits mit den populären Instant-Messaging-Programmen. Neben ihren altbekannten Text-Chat-Funktionen bieten Tools wie Microsofts "MSN/Windows Messenger", "Yahoo Messenger" oder Apples "iChat AV" die Zusatzoption Video-Chat.

Bei Microsoft gilt es, auf die Unterscheidung zwischen dem Windows- und dem MSN-Messenger zu achten: Ersterer zählt zum Standardumfang von Windows und ist auch funktional weitgehend identisch mit seinem MSN-Pendant. Letzterer steht über die MSN-Website zum Download bereit und lässt sich um verschiedene Gimmicks erweitern. Beide Tools setzen voraus, dass die Teilnehmer über ein Konto bei Microsofts Identitätsdienst Passport verfügen. Die Einladung zum Video-Chat kann nur erfolgen, wenn man die Passport-Kennung oder den Namen des Partners weiß.

Video im Format Briefmarke

Apple integriert die Nutzer des beliebten AOL-AIM-Chat-Dienstes und steht daher allen AIM- sowie den Mac-Teilnehmern zur Verfügung. Die gleichen Voraussetzungen gelten für Yahoo-Mitglieder bei der Verwendung ihres Dienstes. In Sachen Bildqualität liegt Apples Chat-Client klar vorne. Auf höchster Qualitätsstufe bietet er eine Auflösung von 353 mal 288 Pixel und 20 bis 30 Bilder pro Sekunde - ab 18 Frames wird eine Videoübertragung vom Betrachter als halbwegs flüssig empfunden. Mit 320 mal 240 Pixel kommt Yahoo fast auf die Apple-Auflösung, deutlich vor den 160 mal 120 Pixel bei Microsoft.

Eine Kategorie höher angesiedelt als die Chat-Programme sind die professionellen Videokonferenz-Tools für den PC. Zu den bekannten Vertretern dieser Gattung zählt "Daviko 3" vom gleichnamigen Hersteller. Neben einem Windows-Rechner werden als Zusatzhardware lediglich eine USB-Webcam und ein Headset benötigt. Daviko ermöglicht Sitzungen mit bis zu sechs Teilnehmern, die sich per Punkt-zu-Punkt-Verbindung zusammenschalten können. Ein zusätzlicher zentraler Server ist also nicht nötig.

Bildqualität steuerbar

Die Daviko-Benutzer können in einer Konferenzsitzung auch ihre aktuell laufenden Programme veröffentlichen (Application-Sharing), um beispielsweise mit Kollegen Excel-Tabellen oder Powerpoint-Präsentationen zu besprechen. Die Auflösung der Videobilder beträgt wahlweise 167 mal 144 oder 352 mal 288 Pixel.

Die Anwendung erlaubt eine automatische Anpassung der Video- und Audiokompression durch Angabe der Bandbreite. Als Videokompressionsverfahren kommt der verbreitete Standard H.264 zum Einsatz. Die kleinste Bitrate für die gesendeten Daten beginnt bereits bei ISDN (64 Kbit pro Sekunde) und lässt sich bis auf 1,4 Mbit pro Sekunde hochfahren. Um Bandbreite zu sparen, kann jeder Teilnehmer seinen Video- oder Audio-Stream vorübergehend abschalten.

Darüber hinaus gibt es weitere Softwarelösungen, die allerdings nur in Verbindung mit MCUs (Multipoint Control Units) eingesetzt werden können. Hierbei handelt es sich um einen oder mehrere zentrale Server-Knoten, die als Sternverteiler in der Mitte zwischen verschiedenen Konferenz-Endpunkten sitzen. MCUs erhöhen zwar den technischen Aufwand, steigern aber auch die Leistungsfähigkeit. So lassen sich mit einem MCU beispielsweise mehrere Konferenzsysteme zusammenschalten, zudem können verschiedene Netztechniken wie ISDN oder Internet Protocol (IP) integriert werden.

Zu den MCU-basierenden Lösungen für den Desktop zählen "PVX" von Polycom, "Vpoint" von Vcon, das "Rapid Audio/Video Communication System" (Ravcoms) von Ravcoms-Eyecon und die Software-MCU "EW 2" von Meytec. Letztere kommt sogar ohne Softwareinstallation am Client aus. Die Software-MCU sitzt am Server, so dass die Anwender für die Teilnahme lediglich den Internet Explorer benötigen. Laut Hersteller vereinfacht sich dabei auch die Verbindungsaufnahme zwischen den Konferenzteilnehmern. Eine Konfiguration erübrigt sich, der Kontakt soll im Gegensatz zu einigen Konkurrenzlösungen auch über Firewalls, NAT oder Proxy-Server problemlos gelingen.

Neben Software-MCUs bieten einige Hersteller auch Hardwarekomponenten an, so etwa Radvision mit seinem Konferenz-Server "ViaIP 100". Hiermit lassen sich Mehrpunkt-Videokonferenzen über IP-Netzwerke mit bis zu 2 Mbit pro Sekunde und 15 Teilnehmern abhalten.

Die Kategorie der klassischen Konferenzsysteme ist gekennzeichnet durch eine umfassende Hardwareausstattung mit integrierter Kamera, die ohne PC auskommt. Die Kommunikation basiert auch hier auf den üblichen Standards, wie sich an Sonys "PCS-1P" zeigt: Als Komprimierungsverfahren für Ton und Bild kommt MPEG4 AAC zum Einsatz, die Videoübertragung erfolgt per H.264 über ISDN und Ethernet. Für einen abhörsicheren Datenaustausch hat Sony den Advanced Encryption Standard (AES) implementiert. Zu den weiteren Vertretern dieser Gattung zählen beispielsweise Polycoms "VSX 6000" oder Vcons "HD3000".

Mobil geht?s auch

Auch tragbare Geräte sind mittlerweile vereinzelt erhältlich. So hat die Vcon Europe GmbH erst kürzlich ihr mobiles Videokonferenzsystem "Falcon IP" vorgestellt. Das Gerät wiegt nur 1,8 Kilogramm und misst 34 mal 18,5 mal elf Zentimeter. Kamera und Tischmikrofon sind integriert, die Steuerung erfolg über eine Fernbedienung. Mit Hilfe von Vcons "Packet-Assist"-Technik ist das System in der Lage, sich automatisch an jedes IP-Netzwerk anzupassen und so die optimale Übertragungsleistung zu bieten. (ls)