Computergesteuerte Zeichenmaschine bei Opel in Rüsselsheim

Das Auto als Output

14.03.1975

RÜSSELSHEIM - Wenn Fromund Kloppe die NC-Zeichenanlage in Opels Design-Abteilung in Rüsselsheim testet, dann gibts immer wieder einmal ein neues Kunstblatt - das ist interessanter und demonstriert die Leistung besser als simple Sternchen und Kurven. Normalerweise entstehen auf der 6,60 m langen computergesteuerten Maschine Zeichnungen neuer Autos - sie ist so lang, damit auch eine Seitenansicht vom Diplomat samt einer halben Frontansicht im Maßstab 1 : 1 Platz hat.

Ausgangspunkt sind die an Plastilin-Modellen neuer Wagen (erst 1 : 5, dann 1 : 3, schließlich 1 : 1) abgenommenen Meßdaten. Das Gerät, mit dem die Werte punktweise Aufsetzen eines Meßfühlers erfaßt, digitalisiert und in einen Lochstreifen gestanzt werden, mußte Kloppe, Leiter des NC-Systems in der Design-Abteilung, in den USA bestellen: als er vor einigen Jahren auf der Hannover Messe Firmen fragte, ob sie so etwas bauen könnten, wurde er ausgelacht. Der Lochstreifen wird in den 4-K-Rechner des Orthomat Graphic System/ 5000 der Firma Universal Drafting Machine Co. eingelesen. Er steuert dann die Zeichenmaschine, die die verschiedenen Ansichten und dreidimensionale Darstellungen des Modells aus allen möglichen Blickrichtungen zeichnet. Besonders wichtig ist die Möglichkeit, Sitzpositionen in und Blickverhältnisse aus einem erst

als Plastilinklotz existierenden Auto demonstrieren zu können.

"Der Computer setzt sich sozusagen rein", meint Kloppe.

Opel verwendet in der Design-Abteilung keinen Plotter. Der wäre zwar viermal schneller, hätte aber nicht die Linienqualität wie eine Zeichenmaschine.

Angst um Arbeitsplätze

"Als die Geräte hier ankamen, wollte keiner mehr mit mir reden" erzählt Kloppe. Das war 1970, und in der Abteilung breitete sich Angst um Arbeitsplätze aus. Inzwischen hat es sich gezeigt, daß durch den Einsatz der Anlage zwar die Produktivität gesteigert und die Genauigkeit erhöht wurde, aber niemand seine Stelle aufgeben mußte.

"Seit dem Anfang vor fünf Jahren sind wir durch Aufstockung des IBM-Rechners immer erfolgreicher geworden. Erst seitdem im Rechenzentrum zwei 370/168 stehen, ist die Maschine ausgelastet", berichtet Kloppe. Jetzt fallen Wartezeiten und die Wege zum Rechenzentrum schon so ins Gewicht, daß ein Übergang zum Bildschirm erforderlich wird - gedacht ist an ein interaktives Terminal mit Lichtbild. Im Großrechner des RZ werden aufgrund der Modelldaten und der Daten der NC-Zeichenanlage nach Programmen der Muttergesellschaft General Motors beispielsweise Kurven geglättet. Eine derartige Bearbeitung ist erforderlich, weil am Modell Unebenheiten vorhanden sein können, die vom Meßgerät übernommen werden, aber später nicht als Beule oder Welle in die Autoproduktion übernommen werden dürfen. Die ganze umfangreiche Software für die Karosserie-Datenverarbeitung ist in den USA entwickelt worden. Nach dem Einsatz von Bildschirmen ist als nächster Schritt der Einsatz einer computergesteuerten Fräse zur Herstellung von Modellen geplant. Die Vorarbeiten dafür laufen in den USA schon. NC-Fräsen gibt es zwar schon im Werkzeugbau deren Tempo mit 2,5 m je Minute ist den Designern jedoch zu langsam; sie wollen mindestens 10 m je Minute. Außerdem sind Karosserieformen wesentlich komplizierter als beispielsweise Werkzeuge. Renault fräst in der Design-Abteilung solche Modelle in Schaumstoff - das gibt aber keine Oberflächenqualität, die den Vorstellungen der Opel-Manager entspricht.

Nur Repräsentationsgeschenke

Kloppe, der ursprünglich Formgestalter werden wollte, dann aber doch den Maschinenbauingenieur vorzog, war zunächst in der Research-Abteilung bei Opel. Der erste Rallye-Kadett, den es gab, war Kloppes Privatwagen und sein Herz hängt immer noch mehr an der Automobiltechnik als an Computern. Sein Ruf als Computer-Künstler erreichte erstmals breitere Kreise, als der ADAC für seine Kunstsammlung in München Kloppes Zeichnung "Manta" geschenkt bekommen hatte. Eine Veröffentlichung in der ADAC-Zeitschrift brachte nicht nur Anfragen nach dem Preis eines Blattes: eine Tapetenfirma interessierte sich für die Grafik als Tapetenmuster und ein Kunststudent wollte gleich den Programmstreifen kaufen. Alle Interessenten mußten abschlägig beschieden werden, weil das Opel-Management festgelegt hatte, daß es außer 2 Originalzeichnungen für Willy Brandt und den ADAC nur eine begrenzte Auflage von Drucken geben sollte, die als Repräsentationsgeschenke Verwendung fanden. Weitere Kloppe-Computergrafik schmückt Büroräume in Rüsselsheim. "Es ist ein verdammt langer Weg, um ein einwandfreies Produkt zu bringen", meint Kloppe. "Ich bewege mich noch in den Kinderschuhen - vorläufig habe ich mich noch nicht vom Realistischen gelöst."