KOLUMNE

Cook-Rezept fuer offene Systeme

03.09.1993

Ein gewisser Thomas Cook - mit Daten und Details wollen wir uns hier nicht aufhalten - begruendete im vorigen Jahrhundert eine britische Reisebuero-Dynastie. Cook setzte unter anderem bei den damals konkurrierenden Eisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaften das Gruppenticket fuer In- und Auslandsreisen durch. Voraussetzung fuer das Zustandekommen waren Absprachen mit und unter den Transporteuren. Nutzniesser wurden und sind - MP-Travel-Geschaedigte moegen uns dieses Lob nachsehen - die Touristen.

Auch aus der Geschichte der Datenverarbeitung kennen wir den Cook-Effekt. Ken Thompson und Dennis Ritchie entwarfen mit "Unics" (spaetere Schreibweise: "Unix") Ende der 60er Jahre ein Betriebssystem, das weder an eine bestimmte Hardware gebunden war noch bestimmte Anwendungsbereiche praeferierte: das Gruppenticket fuer Plattform-Pendler. Doch die Unix-Vaeter waren bei weitem nicht so erfolgreich wie der britische Travelling-Pionier. Dass sich ihnen mit den Cook-Arrangements ungeahnte Marktmoeglichkeiten eroeffneten, erkannten die Verkehrsgesellschaften sofort, und keine fuehlte sich allein stark genug, die Cook-Offerte sausen lassen zu koennen.

Zu den seltsamsten Kapiteln der Geschichte der DV gehoert die Unix-Bewegung. Bei den Unix-Gurus hatte sich die Hoffnung konkretisiert, ein Software-first-Ansatz sei durchsetzbar, naemlich Anwendungen ohne belastende, einschraenkende Kenntnis des Zielsystems, der Hardware, entwickeln zu koennen - Software mit Rueckfahrschein gewissermassen. Die Vorteile lagen auf der Hand. Diese Hoffnung scheiterte lange am Widerstand einiger Hardwareproduzenten, die auf herstellerspezifische, proprietaere Systeme setzten.

Dass dieses Festhalten am One-way-ticket-Konzept ein Fehler war, haben IBM & Co. mittlerweile erkannt. Von der Nutzung von Traveller-Schecks sind wir in der Computerwelt indes noch weit entfernt. Mit ein Grund dafuer ist, dass sich die Anwender eben nicht an das bewaehrte Cook-Rezept gehalten haben, permanent Druck auf die Anbieter auszuueben. Das hat sich geaendert - und dem traegt die DV-Industrie Rechnung, wohl auch, weil die Monopoltraeume einer Mainframe-IBM wie Seifenblasen zerplatzt sind.

Big Blue gehoert denn auch heute zu den eifrigsten Verfechtern des COSE-Konzepts (Common Open Software Environment), Unix zu vereinheitlichen (Seite 1). Ergebnis wird sein, dass man in Anwenderkreisen nicht mehr ueber Unix spricht, so wie es den modernen Touristen egal ist, welches Beziehungsgeflecht einem Rundreiseticket zur Akzeptanz und Gueltigkeit verhilft. Es darf halt nichts schiefgehen und gewoehnlich geht auch nichts schief. Noch mueht sich die DV-Industrie bei offenen Systemen, bei Client- Server-Computing und Internetworking um diesen Nachweis.