Chip-Strukturen, hundertmal dünner als ein Menschenhaar:\IBM Elektronenstrahl mit dreifachem Tempo

10.07.1981

DALLAS - "Zwischen zwei- bis viermal schneller als unsere bisherigen Elektronenstrahlsysteme arbeitet ein neuer Apparat zur Herstellung von Computer-Chips, wobei die Strukturen Leiterbahnbreiten von nicht mehr als einem Mikrometer umfassen können." Mit diesen stolzen Angaben präsentierte Richard D. Moore, der Chef der IBM-Entwicklungsabteilung für Elektronenstrahlsysteme in East Fishkill, New York, das neue System "EL-3" auf dem 16. Symposion über Elektronen-, Ionen- und Photonenstrahltechnologie in Dallas, Texas.

Konnte IBM mit seinen bisherigen Elektronenstrahlgeräten nur Strukturen von 2,5 Mikrometern und breiter herstellen, so markiert das neu entwickelte "Gerät der dritten Generation", EL-3, einen weiteren Schritt vorwärts im: Wettlauf der Chipfabrikanten, möglichst viel Schaltkreise auf einem kleinen Silizium-Chip unterzubringen. Denn mit wachsender Kompaktheit verkürzen sich die Wege (und die Laufzeiten) der elektrischen Impulse von Schaltelement zu Schaltelement und ein "Überwechseln" des Signals auf andere Chips wird bei steigender Komplexität entsprechend seltener nötig. Resultat: Die allgemeine Leistung der Elektronik steigt.

EL-3 kann pro Stunde zwischen zehn und 20 sogenannte Silizium-"Wafer", das sind runde Silizium-Scheiben, bearbeiten. Dabei werden auf jeder Scheibe mehr als 100 einzelne Chips gefertigt. Außerdem kann das neue Gerät wahlweise auch Masken herstellen, mit deren Hilfe die komplizierten Schaltkreis-Muster eines Chips auf die Wafer übertragen werden können.

Doch während das Masken-Verfahren vor allem für die Serienproduktion großer Stückzahlen von Chips verwendet wird, ist die direkte Wafer-Bearbeitung per Elektronenstrahl bei kleinen Stückzahlen und vor allem während der Entwicklung neuer Chips, bei denen am laufenden Band Änderungen vorgenommen werden müssen, interessant. Das letztere Verfahren ist dann erheblich schneller als der Umweg über die Herstellung von Leitbahn-Masken - und EL-3s Super-Tempo verkürzt den IBM-Entwicklern die Zeit, die jeder einzelne Entwurfszyklus erfordert, noch weiter. Time ist eben Money.

Besonders stolz zeigte Moore sich in Dallas auf die Fähigkeit seines neuen Kindes, die Breite der vom Elektronenstrahl erzeugten Leiterbahnen dynamisch wahrend des Schreibvorgangs ändern zu können, indem der Brennfleck in seinem Durchmesser den konstruktiven Erfordernissen des Chips angepaßt wird. Auch diese Technik dient zur Steigerung der Arbeitsgeschwindigkeit und hilft, die Auflösung zu vergrößern, erläuterte der IBM-Elektronenstrahlfachmann.

Genauigkeit und Geschwindigkeit werden beim neuen IBM-Gerät, weiterhin dadurch gesteigert, daß jeder einzelne Chip auf dem zu bearbeitenden Wafer in kleine, abgegrenzte Gebiete aufgeteilt wird; IBM spricht dabei von "subfield vector writing". Bei dieser Arbeitsweise vermeidet der Elektronenstrahl alle Zonen auf dem Chip, die keine Leiterbahnen erhalten sollen, während IBMs herkömmliche Maschinen die ganze Chip-Fläche gleichmäßig bestrichen und dabei natürlich in den "leeren" Feldern sinnlos Zeit vergeudeten.

Alles in allem verkörpert EL-3, wie Moore nicht ohne einen gewissen Stolz verkündete, wesentliche Fortschritte im Design nicht nur von Elektronenstrahlsystemen, sondern auch von digitalen wie analogen Schaltkreisen und Schaltungen, von feinmechanischen Baugruppen und von Elementen der Elektronenoptik. Die ganze Entwicklung begann übrigens im Grunde genommen bereits 1974 mit dem Vorläufermodell EL-1, einem für etwa zehn Wafer pro Stunde und für minimale Linienbreiten von etwa 5 Mikrometer ausgelegtem Gerät." Sein Nachfolger, das vor allem für den Laborbereich konzipierte EL-2, erreichte dann bereits Ein-Mikrometer-Strukturabmessungen, blieb im Durchsatz aber unter sechs Wafern je Stunde.

So war es also eine Hauptaufgabe der 1978 einsetzenden EL-3-Entwicklung, die Arbeitsgeschwindigkeit des Geräts auf ein produktionstechnisch interessantes Tempo zu steigern. Zu diesem Zweck kombinierten Moores Entwickler bei der oben schon erwähnten Technik des "subfield vector writing" die Vorteile der beiden Haupt-Ablenkprinzipien, nämlich des "raster-scan" und des "vector-scan". Das Resultat laut Moore: Optimale Geschwindigkeit bei voller Wahrung der erforderlichen Präzision.

Die Systemoperationen des EL-3 werden von zwei Rechnern der IBM-Serie /1 gesteuert, wobei zur Bedienung und zum Aufruf der wichtigsten Systemfunktionen ein Bildschirmterminal dient. Die Wafer können wahlweise einzeln per Hand oder automatisch zugeführt werden; eine ändere Automatik steuert und stabilisiert den Durchmesser des Elektronenstrahls, der übrigens in nur 25 Nanosekunden verändert werden kann. Auch die Intensität des Strahls, seine Position und die Belichtungszeit werden von Computersystem kontrolliert.

Den schnellen Zugriff zu den einzelnen Muster-Daten gestattet ein besonderer Pattern-Buffer, bei dem es sich um den modifizierten Hauptspeicher eines 168er-Computers handelt.