Auf der Videotex europe dominierte Prestel:

Cept-Artisten proben noch vor kleinem Publikum

02.12.1983

AMSTERDAM-Nur eine geringe Rolle spielten auf der Videotex europe in Amsterdam die deutschen Btx-Hard- und Softwareanbieter; auch die Referenten aus der Bundesrepublik waren in der Minderzahl. Es dominierten Themen und Produkte zum Prestel-Standard beziehungsweise zu mehreren Standards. Die skandinavischen Länder, offenbar noch in der Entscheidungsphase, zeigten denn auch erstaunlich viel Aufmerksamkeit für den Multi-Decoder Mupid aus Österreich. "Fortgeschrittener Bildschirmtext" (ISDN) und Endgeräte für möglichst viele Standards interessierten ganz allgemein (Produkte siehe Seite 47).

Auf den zirka 40 Ständen waren nur fünf deutsche Aussteller anzutreffen: die Bundespost, Loewe Opta, die Neue Mediengesellschaft Ulm, die Technische Universität Berlin (Prof. Sigram Schindler) und Dornier. Vergeblich suchte man nach Demonstrationen von Cept bei den international anbietenden Herstellern wie zum Beispiel Philips, Digital Equipment oder Sony. Ausnahme war IBM , die die gesamte europäische und amerikanische Bandbreite ihrer Videotex-Produkte präsentierte.

Deutsch sprechende Cept-orientierte Besucher fanden sich in Amsterdam dennoch ein, um den Trend im internationalen Markt zu "erspüren". Vorläufig, so ihre Meinung, sind einzelne Märkte jedoch noch durch ihre unterschiedlichen Standards stark abgeschottet. Allerdings tun sich Chancen dann auf, wenn die diversen Decoder erst einmal in hochintegrierter Form für Multifunktionsterminals sowohl auf Mikrocomputerbasis als auch für intelligente Btx-Telefone preiswert zur Verfügung stehen. Unterschiedliche Bautypen dieser Herkunft präsentierten beispielsweise bereits die Franzosen mit ihrem Minitel. Siemens will mit einem portablen Btx-Terminal nachziehen, war zu erfahren.

Als Editierstationen für Prestel agierten"mit Maus" mehrere Mikros, zum Beispiel von Casio und auch der IBM-PC, der außerdem Cepttauglich mit allerlei Software angeboten wurde.

Ein weiterer Trend war in Richtung Informationsmarketing zu verzeichnen. Hier bieten sich Möglichkeiten für Spezialbroker, die Know-how und Service-Leistungen aller Art via Btx an den Mann bringen oder auch nur als Rechercheure tätig werden wollen, quasi als legitimierte"Hacker" oder Suchbaumkenner auf internationaler Ebene. Ein Holländer, Hans von Nieuwkerk vom Centre for Technical and Scientific Information and Documentation in Delft, hat darüber hinaus eine Black box (Converter) entwickelt, die es erlaubt, mit einem Btx-Terminal auch über Euronet und andere Postdienste an Datenbanken heranzukommen. Seine Anwendung lief in Prestel.

Unabhängig von der Durchsetzung bestimmter Standards scheint absehbar, daß die Bildschirmtextseiten(..) geplanten Schmalband-ISDN demnächst durch Fotografien ergänzt werden. Ein entsprechendes ISDN-Terminal stellte die British Telecom vor, samt Anwendung "Picture Prestel" .Aber auch Loewe Opta zeigte fortgeschrittenen Btx vor, allerdings in einer weniger anspruchsvollen Demonstrationsversion: Mikrocomputergesteuert mischte das Editiersystem der Kronacher Btx-Spezialisten fotografische Bildinformation in die Cept-Seiten.

Der mit 500 Besuchern gut frequentierte Kongreß der Online Conferences Ltd., Middlesex, gab einen umfassenden Überblick über den Stand der Technik und über realisierte Anwendungen, hier besonders in Frankreich und England. Hoffnungsvoll gaben sich die Vertreter der deutschen Cept-Welt; sie sehen einer Verschmelzung der französischen Architel-Welt mit dem aktuellen Cept in der Bundesrepublik entgegen.

Flagge zeigte AT&T mit einer komfortablen Editierstation für ihren Hausstandard NAPLPS (North American Presentation Layer Protocol Syntax). Obwohl im europäischen Markt vorläufig noch ohne realisierbare Chancen, hatten die bunten Bilder der starken Amerikaner viele Bewunderer. Auch sie streben eine gewisse Annäherung an Cept an, was aus den Referaten der AT&T-Standard-Strategen zu interpretieren war.