Business as usual in der Softwareszene

09.03.2005
Von Alexander Deindl
Mit lautem Tamtam rüstet sich Microsofts Marketing-Maschinerie für den 64-Bit-Mainstream. So recht will der Funke in der Softwareszene allerdings noch nicht überspringen.

Während die Produktion von 64-Bit-CPUs im Lager der Prozessorhersteller Intel und AMD längst Betriebstemperaturen erreicht hat, macht sich nun auch Microsoft für eine entsprechende Marketing-Inszenierung warm. Wurden auf der CeBIT die Release Candidates 2 (RC2) der x64-Versionen für Clients und Server gezeigt, soll die Marktfreigabe der beiden finalen Betriebssystem-Varianten Windows XP Professional sowie Windows Server 2003 im Juni dieses Jahres erfolgen. Nach eher ruhigeren Jahren im Betriebssystem-Business verspricht man sich in Redmond neue Impulse von x64-Windows - vor allem im Geschäft mit der Entwicklung leistungsfähiger Applikationen: "Der große Vorteil der x64-Editionen ist die Performance im Highend-Einsatz, wie sie etwa in der Fertigungsindustrie und der technischen Produktplanung benötigt wird, aber auch Server-seitig im ERP-Umfeld", konkretisiert Andreas Schönberger, Product Manager Windows-Client bei Microsoft.

Allein die Möglichkeiten der Adressierung des Hauptspeichers mit Größen von bis zu 128 GB führe zu spürbaren Geschwindigkeitssteigerungen bei der Ausführung von Anwendungen. Während im Desktop-Umfeld vor allem Softwareentwickler rechenintensiver Applikationen für Grafik- und Videobearbeitung beziehungsweise ressourcenfressender Spiele von den neuen Fähigkeiten der x64-Plattform profitierten, nutzten im Server-Bereich in erster Linie Hersteller von Programmen für das ERP, Computer-aided-Manufacturing (CAM) und -Engineering (CAE) die performanteren Möglichkeiten.

Verhaltenes Echo

Ganz so euphorisch, wie es die Gates-Company gerne hätte, reagieren die Applikationsentwickler allerdings nicht - noch nicht, jedenfalls: Trotz Vorzügen in Sachen Geschwindigkeit und Hauptspeichergröße sorgt die Entwicklung von Anwendungen für Microsofts x64-Plattformen in Deutschlands Softwarehäusern momentan anscheinend nur für verhaltenes Interesse - von einem Hype à la Windows 95 ganz zu schweigen. Die vornehmlich im CAD-Segment tätige Autodesk GmbH aus München beispielsweise spricht offiziell nach wie vor ausschließlich von Tests mit 32-Bit-Versionen ihrer Windows-Produktpalette. Lediglich die 1999 übernommene Discreet Logic Ltd. aus dem kanadischen Montreal offeriere "einige Anwendungen für die Video- und Grafikbearbeitung als native 64-Bit-Produkte". Ähnlich wortkarg reagiert der Grafik- und Videosoftware-Spezialist Adobe Systems GmbH aus Unterschleißheim auf entsprechende Anfragen: Weder für die kommende Version von "Photoshop CS 2.0" (Version 9) noch für die Videobearbeitungs-Pakete "Premiere" und "After Effects" existieren offizielle 64-Bit-Commitments zu Microsofts neuen Plattformen.

Viel Wind um nichts, lautet unterdessen das vorläufige Fazit des Datenbankprimus Oracle: "Für Microsoft mag 64-Bit-Computing eine neue Sache sein, für uns ist das nichts Weltbewegendes", zeigt sich Günther Stürner, Vice President Datenbanken in der Münchner Niederlassung, weniger politisch als der Rest der Branche. Oracle arbeite bereits seit mehreren Jahren an 64-Bit-Datenbanken für IBMs Risc-Plattformen sowie für die 64-Bit-Prozessoren von Hewlett-Packard oder Sun - bis dato allerdings unter Unix.

Relativ neu sei hingegen das 64-Bit-Engagement des Anbieters von "Oracle 10g" im Windows-Business. "Wir müssen selbstverständlich eine entsprechende Datenbankversion für alle erhältlichen Plattformen zur Verfügung stellen und werden dies auch für Windows tun", so Stürner weiter. Rein technisch gesehen sei das 64-Bit-Computing vor allem im Datenbanksektor eine hochinteressante Entwicklung. Aufgrund der Adressierung größerer Hauptspeicher lassen sich Stürner zufolge wesentlich effektivere Datenbank-Caches aufbauen, die vor allem in großen Systemtopologien mit mehreren tausend Anwendern für einen deutlichen Leistungsschub sorgen. Eher gering sei hingegen der Aufwand für die Entwicklung der 64-Bit-Software. Stürner konkret: "Es handelt sich bei der Entwicklung von 32- auf 64-Bit-Software im Grunde genommen um eine relativ unproblematische Portierung."

Ähnlich gelassen beobachtet auch die überwiegend im ERP-Geschäft tätige Bäurer GmbH aus Donaueschingen die Geschehnisse rund um Microsofts 64-Bit-Engagement: "Wir sind schon lange im 64-Bit-Geschäft", sagt Stefan Schulik, Geschäftsführer und verantwortlich für die Softwareentwicklung beim schwäbischen Hersteller von Mittelstandsanwendungen. Mit der "b2"-Produktgruppe offeriert das Unternehmen längst schon 64-Bit-Software auf Basis von IBMs Power-PC, Oracle 10g, Tomcat und Suse Linux.

Einfache Portierung

Den Schritt ins Windows-64-Bit-Geschäft sieht Schulik eher als einfache Portierung denn als Neuentwicklung: "Natürlich werden auch wir unsere Software für Microsofts 64-Bit-Betriebssysteme zur Verfügung stellen - sobald diese eines Tages denn wirklich kommen sollten." Weil das ERP-Paket des Herstellers von Anfang an auf einer 4GL-Entwicklungsumgebung konzipiert wurde, lassen sich Änderungen am 32-Bit-Code laut Schulik relativ einfach bewerkstelligen. "Im Grunde genommen wird bei der 64-Bit-Entwicklung die Bandbreite der Adressierung einfach verdoppelt", so der Unternehmenschef. Dies nutze dem Anwender allerdings erst, wenn sämtliche Systemkomponenten, also Hardware, Betriebssystem und Applikationen, auch durchweg für das 64-Bit-Computing ausgerichtet seien. Es gebe jedoch wenig Sinn, wenn ein Bestandteil im IT-Kreis noch mit 32-Bit-Technik arbeite: "Damit hätten wir einen Flaschenhals, der die Leistung des Systems ausbremst." Eher skeptisch betrachtet der Manager denn auch die Entwicklung mit hybriden Prozessortechnologien: "Es existieren noch keine brauchbaren Erfahrungswerte mit CPUs, die sowohl 32- als auch 64-Bit unterstützen". (ue)