Dritter Diebold-Bildschirmtext-Kongreß macht deutlich:

Btx-Übergangslösung steckt voller Probleme

27.05.1983

MAINZ - Wohl in weiser Voraussicht hatte die Diebold Deutschland GmbH ihren diesjährigen Bildschirmtext-Kongreß in Mainz unter das unverfängliche Leitthema "Im Vorfeld der Einführung" gestellt. Die anhaltende Diskussion über das Wie und Wann des bundesweiten Starts und Konsequenzen für die Anbieter waren darin mühelos unterzubringen - und alle Erläuterungen über den Stand der Btx-Dinge stießen angesichts der bisher eher verwirrenden Informationspolitik der Post bei den rund 850 Teilnehmern auf reges Interesse.

Btx-Projektleiter Eric Danke machte das Kongreßpublikum mit der nunmehr wohl offiziellen Post-Lesart vertraut. Danach ist zu unterscheiden zwischen dem "Übergangslösung" getauften Provisorium, das heißt einer eingeschränkten, gleichwohl aber bundesweiten "Diensteröffnung" zur Berliner Funkausstellung, und dem "allgemeinen Dienst" mit der neuen Systemtechnik von

IBM, die spätestens bis Anfang des zweiten Quartals 1984 fertiggestellt sein soll.

Die von Danke skizzierte "Übergangslösung, die in Berlin realisiert wird, sieht ein Parallelsystem von zwei Btx-Zentralen vor: zum einen die Versuchszentrale, über die der Btx-Dienst wie gehabt abgewickelt wird, und zum anderen für den neuen "europäischen" Standard einen zur CEPT-Zentrale erweiterten GEC-Rechner aus dem Feldversuch. Über die sechs Einwählpunkte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart, die über Standleitungen mit der CEPT-Zentrale verbunden sind, können bundesweit "mindestens" 5000 neue Teilnehmer Btx zum Nahtarif nutzen sofern sie über die entsprechenden Endgeräte verfügen.

Die CEPT-Zentrale enthält alle in Berlin gespeicherten Btx-Seiten im neuen Standard, zusätzlich können Seiten mit den vollen CEPT-Darstellungsmöglichkeiten eingegeben werden. Der Düsseldorfer Feldversuch läuft dagegen als solcher weiter - das heißt losgelöst vom bundesweiten Btx-Start und damit auf das bisherige Versuchsgebiet beschränkt.

Die Einschränkungen der "Übergangslösung" bekommen vor allem die Anbieter zu spüren. Aus Kapazitätsgründen - so Danke - können in Berlin keine weiteren Anbieter und keine zusätzlichen externen Rechner angeschlossen werden. Für die rund 200 Anbieter, die sich allein in Düsseldorf und nicht auch in Berlin engagiert haben, gibt es nur eine Möglichkeit, künftig bundesweit präsent zu sein. Sie müssen mit einem Berliner kooperieren; die Bereitschaft auf Seiten der Berliner hält sich bisher allerdings, wie Danke einräumte, in Grenzen.

Vor diesem Hintergrund fielen in Mainz harte Worte der Kritik und Unmutsäußerungen wie "Erpressung" und "Schweinerei" über das Verhalten der Post gegenüber den Informationsanbietern. In einem Brief Anfang Mai hatte sie angekündigt: "Wer bis 15. Juli 1983 . . . nicht mitgeteilt hat, daß er weiter Anbieter bleiben will, wird nach dem 12 September 1983 gelöscht.

Projektleiter Danke präsentierte aber noch weitere "Problembereiche" der Übergangstechnik. So können Seiten oder Seitenergänzungen nach CEPT-Standard nur für Teilnehmer mit neuen Geräten dargestellt werden. Weiterhin fehlen eine seitenübergreifende Verwaltung von ferngeladenen Zeichen und Farben sowie die Nutzung der Übertragungssicherungsprozeduren, wie sie im IBM-System gegeben sein werde. Der neue Btx-Modem DBT-03 ist wegen der Reichweitenbegrenzung "in einzelnen netztechnisch ungünstig gelegenen Ortsnetzen" während der Übergangsphase noch nicht einsetzbar. Hier muß auf einen Datenmodem zurückgegriffen werden - der kostet dann allerdings - ohne daß Danke hierauf ausdrücklich hinwies - nicht die Btx-Gebühr von acht Mark, sondern die übliche, verhältnismäßig hohe Datenmodem-Gebühr.

Schließlich ist auch der sogenannte Mitteilungsdienst nur für Teilnehmer mit neuen Geräten nutzbar. Für die Informationsanbieter heißt das, daß sie entweder über zwei Editierterminals oder ein umschaltbares Terminal verfügen müssen, um beide Standards darstellen zu können. Einziger Hersteller von umschaltbaren Editiergeräten ist derzeit Loewe Opta.

Nach soviel Unerfreulichem hielt Danke aber auch ein kleines Trostpflaster für alle Btx-Geschädigten bereit: Der Netzausbau werde ungeachtet der Verzögerung der IBM-Technik wie geplant weitergeführt, so daß "der ursprünglich vorgesehene Versorgungsstand zum Jahreswechsel 1984/85 wieder erreicht sein wird". Dankes Fazit: "Für die Deutsche Bundespost gibt es keinen Grund, ihre Planungszahlen zu verändern" - die angepeilte eine Million Teilnehmer im Jahr 1986 gilt damit immer noch.

Differenzierter äußerten sich da die Diebold-Forscher, die den Kongreß dazu nutzten, ihre neueste Btx-Studie vorzustellen. Danach sei bis Ende 1985 bei günstigen Voraussetzungen (Decoderpreise um 300 Mark und marktkonforme Gebührenpolitik der Post) mit 310000 Teilnehmern zu rechnen, bei einer ungünstigen Entwicklung dagegen nur mit 150000.

Für Ende 1988 prognostiziert das Frankfurter Beratungsunternehmen minimal 1,1 Millionen installierte Terminals und maximal 2,2 Millionen. Der gesamte bundesdeutsche Btx-Markt belaufe sich bis dahin je nach Zahl der Teilnehmer auf ein Volumen von 2,3 bis 4,8 Milliarden Mark. Davon entfielen wiederum rund 65 Prozent auf den Endgeräte und Peripheriebereich, etwa 25 Prozent auf Btx-Rechner und Software sowie zehn Prozent auf Dienstleistungen.

Die Verteilung auf private und semiprofessionelle Benutzer einerseits und rein kommerzielle Anwender auf der anderen Seite verläuft Diebold zufolge in etwa gleichgewichtig. Für den ersten Bereich sei Ende 1985 mit 70000 bis 165000 Btx-Endgeräten zu rechnen, für den kommerziellen Sektor mit 80000 bis 145000.