Online '84: Reges Interesse und abwartende Haltung schließen sich nicht aus/

Btx-Akzeptanz Abfallprodukt des PC-Einsatzes

24.02.1984

BERLIN - Entgegen der immer noch vorherrschenden abwartenden Haltung dem neuen Medium Bildschirmtext gegenüber, vornehmlich in Anwenderkreisen der klassischen EDV, verzeichneten die Btx-Symposien der 7. Kongreßmesse "Online ´84" an den ersten beiden Tagen die meisten Teilnehmer der breit angelegten Veranstaltung. PC-Einsatz als Btx-Endgerät und/oder externer Rechner sowie der Stand der Rechnerverbund-Softwareentwicklung waren die am meisten diskutierten Themen.

Wer sich umfassend auch über Umfeld von Btx, Marketing mit Btx und Stand der Technik informieren wollte, konnte das auf besserem Niveau als in den Vorjahren beim Online-Kongreß. Auch die meist herstellernahen Referenten waren um "Neutralität" und guten Vortrag bemüht. Ein breiteres Ausstellerangebot, die Marktführer waren anwesend, komplettierte in vielen Fällen die Referate. Das meiste Interesse fanden auch hier die Stände mit PCs aller Art, die Btx-Anwendungen demonstrierten in Verbindung mit Standardsoftware. Auffallendster Anbieter hier die InfoTeSys Informations-Systeme, Düsseldorf, mit der Softwarelösung "Btx-Verarbeitung mit Mikrocomputern". Gezeigt wurde die Cept-Version von "InfoTool".

Besonders viele Fragen erntete aus diesem Themenkreis das Referat Stefan Jiraneks von der Teles, Berlin. Er präsentierte den IBM-PC als offenes multifunktionales Terminal. Die Teles hat eine Software entwickelt, genannt "Teles Sys", die auf dem Unix-ähnlichen Betriebssystem Qnx basiert. Tele Sys verfügt über eine Kommunikationskomponente und eine Textkomponente. Sie stand im Vordergrund: Textbearbeitung, lokaler Text, TEX/FAX, Btx, Grafik-/ Bildmanipulation und Satzerstellung. Mit einer sogenannten X&S-Karte wollen die Berliner aus der Schule von Professor Sigram Schindler "in einigen Monaten" unabhängig von den im Augenblick verfügbaren FTZ-zugelassenen Cept-Decodern, wie Loewe, Mupid etc., werden.

Zunächst nur vereinzelt Multifunktionsterminals

Multifunktionalität von Endgeräten beziehungsweise die Integration des Post- und/oder Inhouse-Dienstes Bildschirmtext in Bürokommunikationssysteme war auch das Thema von Helmut Kalt, Leiter der Abteilung Bildschirmtext im Unternehmensbereich Kommunikationstechnik der Siemens AG. Ausgehend von Erfahrungen aus der Historie des Telefons und der neuesten Diebold-Prognose, daß zunächst einmal die geschäftliche Nutzung von Bildschirmtext mit 68 Prozent dominieren werde, entwickelte Kalt eine Einführungsstrategie. Auch das Telefon sei ursprünglich am meisten von Geschäftsleuten benutzt worden, also müsse man auf die Kommunikationsbedürfnisse ihres Bereichs mit einem passenden Multifunktionsterminal reagieren, das zunächst wohl oft nur vereinzelt in einer Büroumgebung auftauchen werde.

Kalts Empfehlung: Man gehe in einem Stufenkonzept vor. Zunächst sei ein in der Regel einzeln stehendes "Büroabfrageterminal" zu definieren, das auf gar keinen Fall ein Wegwerfgerät sein dürfe, dann das Komforttelefon mit Bildschirmtextfunktion und schließlich fernladbare Geräte, "richtige PCs" für viele Schreibtische. So verlaufe dann sinnvollerweise auch die schrittweise Integration von Btx in das Unternehmenskommunikationskonzept.

Wie für die Einführung von Btx ein breiterer Boden geschaffen werden könnte, versuchte Professor Gert Siegle zu konkretisieren. Früher bei Blaupunkt mitverantwortlich für die Btx-Aktivitäten dieses Hauses, kümmert sich der Nachrichtentechniker jetzt um die Schnittstelle Autotelefon/Btx. Im Ansatz von den Seminarteilnehmern zwar in der Regel als Kommunikationsmöglichkeit bisher noch nicht bedacht, und deshalb mit einiger technischer Neugierde verfolgt, mußte der Professor den Beweis, daß hier auch nur mittelfristig größere Stückzahlen für die Volks-EDV Btx mit "automobilen Btx-fähigen PCs" zu machen seien, schuldig bleiben. Entsprechend kurz fiel sein Vortrag aus.

Der Rolle von Bildschirmtext i m Konzept eines integrierten Büro- und DV-Systems widmete Nina Gerner, Btx-Expertin und Hauptgruppenleiterin in Sachen Anwendersoftware bei Siemens, ihr Referat. Sie siedelte ihre Vorstellungen von optimalen kombinierten Anwendungen, die "Informationen in erweiterter Form verarbeiten", in einer "nicht allzu weiten Zukunft" an. Multifunktionsterminals unterschiedlicher Art sind auch hier Voraussetzung für entsprechende Realisierungen.

Wie Bildschirmtextanwendungen größeren Umfanges über ein Servicerechenzentrum mit Hilfe von PCs, Vorrechnern und SNA zu realisieren ist, zeigte Hermann Stoll von der ICR GmbH, Neustadt. Das "Carrier-Konzept" von ICR spekuliert vor allem auf den Einsatz von Bildschirmtext als "Low-cost-Datenübertragungsmedium". Traditionelle Hardwareausstattung und keine Neuinvestitionen in eigene Rechnerverbundsoftware für den eigenen externen Rechner sowie RZ-Know-how dürften für viele Btx-Neulinge Einstiegshilfe geben.

In die Details der zur Zeit noch laufenden Softwareentwicklung für externen Rechnerverbund gingen nur zwei Vorträge: Jan Nicholls von der Danet GmbH, Darmstadt, ließ sich ausführlich über einen "Anschluß an Rechnerverbund über Vorrechner mit dem Softwareprodukt Damit" aus. Die Danet ist als postnahes Unternehmen mit Sitz in Darmstadt, seit geraumer Zeit mit der Entwicklung von Software auch für die IBM-Technik des künftigen Btx-Systems beschäftigt. Die Erfahrungen scheinen, wie aus dem Vortrag entnommen werden konnte, schon zu einer gewissen Produktreife geführt zu haben. Dabit soll sämtliche Standardfunktionen, die für Btx-Anwendungen notwendig sind, auf dem System 6 von Honeywell Bull unterstützen. Die von der Post vorgeschriebenen Protokolle (X.25, EHKP4, EHKP6 und Dialogfunktionen beziehungsweise ein "Ebene-7-Protokoll") sind in Dabit implementiert. Die Anwendungsprogramme selbst sind nicht Bestandteil von Dabit. Eine zweite Schnittstelle, über die der Anwender Zugriff auf die Funktionen hat, ist die Editier-Schnittstelle. Sie habe zwei Aspekte:

- das Editieren von darstellbarer Information in "Cept" und

- das Erstellen von Ablauf und Steuertabellen, die den Dialog mit dem Teilnehmer in einer Btx-Sitzung bestimmen.

Mengengerüst einschätzen

Das Hauptproblem beim Rechnerverbund liege darin, schloß der Referent seinen Vortrag, daß es gelte, das Mengengerüst der Abfragen richtig einzuschätzen. Wenn Fehler gemacht würden, dann gleich "in Größenordnungen". Er empfahl die Hauptinvestitionen, nämlich die Anwendersoftware, nicht anzutasten. Auch solle man die Anwenderprogrammierer nicht mit spezieller Btx-Software belasten.

Nur der Nixdorf-Referent Ivan Khan aus der Münchner Niederlassung der Paderborner brachte eine ähnlich konkrete Darstellung eines Rechnerverbundkonzeptes. Zum ersten Mal vor einer größeren Fachöffentlichkeit präsentierte das Unternehmen sein Bildschirmtextsystem ein branchenunabhängiges Programmsystem. Das Systemdesign soll eine klare Trennung zwischen Btx-spezifischen Funktionen und Monitorfunktionen ermöglichen. Die Btx-Anwendungen können in Assembler, Cobol, CPG oder PL/I geschrieben werden. Die wichtigsten Forderungen an das Systemdesign seien gewesen, Zugriff auf jeder Ebene des ISO-Modells zu ermöglichen, jedoch ohne den Einsatz eines Front-end-Rechners. Das Design, XTAM, unterstützt demzufolge Vollduplex-Protokolle über HDLC. XTAM läuft als Applikation vom Betriebssystem (Nidos/VSE) entkoppelt und sei deshalb leicht portabel, zum Beispiel auf VM (Virtual Machine).

Das Nixdorf-Bildschirmtext-Paket NBTX, verfügt über eine Editierkomponente, die es ermöglicht, die Seiten mittels BSC-Prozedur oder über RJE-Prozedur in eine VSAM-Btx-Übergabedatei im Rechner zu übernehmen (weitere Angaben siehe CW Nr. 8/84, Seite 55).

"Kneipentheorie"

Eine "Kneipentheorie" entwickelte Harro Eisfelder vom Branchenzentrum Industrie der IBM Deutschland GmbH, München. Er bereicherte die entmutigenden inoffiziellen Prognosen, die ja auch immer offene Ohren in einer Umgebung von Zweckoptimismus finden, um das Bild von einer leeren Kneipe. Suggestivfrage "Wann gehen Sie in eine Kneipe meine Herren, wenn sie voll ist oder leer?" - Füllen werde die bislang noch recht leere Btx-Kneipe nicht das Monofunktionsgerät, sondern der PC, und zwar zunächst einmal sogar ohne Btx. Essenz seiner (Kneipen-)Theorie: Btx-Akzeptanz ist das Abfallprodukt des wachsenden PC-Einsatzes.