Blackberry: Der Mail-Bote kann mehr

23.05.2005
Blackberry-Handhelds haben sich vor allem als mobile E-Mail-Clients einen Namen gemacht. Eine Reihe von Beispielen aus der Praxis zeigt, wofür deutsche Firmen die Geräte mittlerweile einsetzen.

Die Mitarbeiter des Wittener Pflegemöbel-Herstellers Völker AG greifen von unterwegs auf Navision, die ERP-Software des von Microsoft übernommenen gleichnamigen dänischen Herstellers, zu. Das ist an sich noch nichts Besonderes. Doch sie tun das nicht etwa via Laptop, sondern mit dem Blackberry von Research in Motion (RIM). Die Kandier haben mit dem handlichen Mobilgerät offenbar ins Schwarze getroffen: Einer aktuellen Gartner-Erhebung zufolge hat es sich mittlerweile nach Stückzahlen den ersten Platz im Weltmarkt für PDAs erobert.

Hierzulande erfreut sich der Westentaschenrechner, der als mobiler E-Mail-Client und Handy fungiert, aber auch Personal-Information-Management-(PIM-) Funktionen wie Terminkalender oder Notizbuch übernimmt, ebenfalls großer Beliebtheit. Der Clou: Dank des E-Mail-Push-Verfahrens muss der Blackberry-Nutzer seine elektronische Post nicht "abholen", sondern bekommt sie automatisch geliefert.

Laut RIM nutzen derzeit weltweit rund drei Millionen Anwender die mobile Plattform - allein in den vergangenen sechs Monaten sei die Blackberry-Gemeinde um eine Million Nutzer gewachsen. Kein Wunder, dass die Konkurrenz zum Angriff bläst: Attacken drohen dem neuen Shooting-Star der Handheld-Szene nicht nur von Mobilfunkpartner Vodafone, der den eigenen E-Mail-Push-Service auf Basis einer Technik von RIM-Wettbewerber Visto in Europa ausweiten will, oder Hewlett-Packard, das erwägt, seinen "Ipaq 6500" mit der Push-Technik von Good Technologies - quasi als "Blackberry-Killer" - auszuliefern. Auch Microsoft-Gründer Bill Gates hat angekündigt, in einer "nächsten Stufe" der Server-Software "Exchange" zusammen mit der neuen Version 5.0 des Betriebssystems Windows Mobile den Push-Versand von E-Mails zu ermöglichen.

Hiesige Blackberry-Anwender zeigen sich davon allerdings wenig beeindruckt. "Der Zug ist abgefahren, wir hatten vor zwei Jahren den Bedarf. Damals gab es keine Alternative zum Blackberry, und wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht", meint etwa Stefan Müller, bei dem Münchner Logistikdienstleister Ifco Systems für die Europa-IT und das Europäische Pool-Management verantwortlich. Ähnlich pragmatisch sieht das Michael Dernbach, IT-Leiter bei der Anwaltssozietät Clifford Chance: "Microsoft macht gleich wieder alles bunt und kompliziert. Unsere Mitarbeiter arbeiten eine Woche lang mit einem reibungslos funktionierenden Blackberry, ohne dass dieser ein einziges Mal an die Steckdose muss - es gibt also keine Notwendigkeit umzusteigen."

Navison-Zugriff via Blackberry

Dass der Blackberry nicht mehr primär als Statussymbol E-Mail-besessener Manager betrachtet, sondern für ernst zu nehmende Aufgaben genutzt wird, zeigt eine Reihe bestehender oder konkret geplanter Einsatzszenarien in hiesigen Firmen, die über die Kernfunktionen wie Telefon, SMS und E-Mail hinausgehen.

Wie hat es etwa Völker geschafft, seinen 15 Verkäufer starken Außendienst via Blackberry an das hauseigene Warenwirtschaftssystem anzubinden? Die Integration mit dem ERP-System Navision realisierte der Pflegemöbelfertiger mit Hilfe der Middleware "Flowfinity" des gleichnamigen Herstellers und der "Navision Mobile Solution" von Tectura. Dabei lässt sich die Push-Funktion des Blackberry auch für die Navision-Integration nutzen, so dass die Daten aktiv an den mobilen Mitarbeiter übertragen werden. "Auf Basis dieser Lösung lassen sich im Prinzip nicht nur die Außendienstler, sondern auch Servicetechniker und LKW-Fahrer via Blackberry in den Workflow einbinden", erläutert IT-Leiter Frank Ulrich. Gesagt, getan: Das Servicemodul ist bereits geschrieben, der erste Völker-Techniker hat gerade ein RIM-Handheld erhalten, und in etwa zwei Wochen soll der gesamte Servicebereich entsprechend ausgestattet werden.

Einen Schönheitsfehler hat die Blackberry-Lösung für Ulrich noch: "Um den Effizienzvorteil einer durchgängigen Steuerung des Servicebereichs via Blackberry ganz wahrnehmen zu können, müsste man zu signierende Dokumente vor Ort ausdrucken können", moniert der DV-Chef. So verlange der Vorstand einen Auftragsabschlussbeleg in gedruckter Form. Den könne man sich momentan jedoch erst im Haus ausgeben lassen. Hoffnungen setzt Ulrich auf eine ab Mitte des Jahres erhältliche Lösung, mit der Blackberry-Nutzer Dokumente über den Kurzstreckenfunk Bluetooth zum Drucker schicken können.

Darüber hinaus lässt sich bei Völker heute das Controlling via Handheld die Bilanzen aus Navision anzeigen: "Unser kaufmännischer Leiter kann nun auch unterwegs Gewinn- und Verlustlisten aufrufen", berichtet Ulrich. Der Betriebsleiter wiederum habe die Möglichkeit, sich von überall aus über den Produktionsstatus an den beiden Fertigungsstätten Witten und Heinichen zu informieren. Ulrich selbst legt via Blackberry auch Navision-Benutzer remote an.

Blackberry und CRM

Auch bei dem auf Pflanzenschutz und -züchtung spezialisierten Agrarunternehmen Syngenta wird der Blackberry seit rund einem Jahr nicht mehr nur von Führungskräften, sondern auch vom gesamten Außendienst genutzt. "Bislang ging es bei uns vorwiegend um die PIM-Funktionen E-Mail, Kontakte und Termine", berichtet Michael Müller, als Leiter Informationstechnologie bei Syngenta für die Aktivitäten in Deutschland und Österreich zuständig. In Europa betreibt das international agierende Unternehmen rund 500 Blackberries, hierzulande sind etwa 160 Geräte im Einsatz. Demnächst wird der Syngenta-Außendienst allerdings via Blackberry mobil und direkt auf das bestehende CRM-System "Pivotal" zugreifen können. Die Mitarbeiter des Agrarunternehmens, deren Aufgabe es ist, Landwirte in der Produktauswahl zu beraten, sollen auf diese Weise "im Feld" auch ohne Notebook die Möglichkeit haben, Kundeninformationen abzufragen oder Kontaktberichte einzugeben. "Nach unserer Erfahrung kann schon das Aufklappen des Notebooks im Kundengespräch eine psychologische Barriere erzeugen", erläutert Müller einen weichen Faktor, der für die mobile "Always-on"-Lösung spricht. Grundsätzliches Ziel der geplanten Blackberry/CRM-Integration ist aber, den durch die Doppelerfassung von Informationen - einmal auf Papier und einmal im CRM-System - bestehenden Medienbruch im derzeitigen Workflow zu beseitigen.

"Bei uns ist der Blackberry gerade aufgrund seiner Einfachheit und der begrenzten Funktionalität so erfolgreich", meint Michael Dernbach von Clifford Chance. Bei der Deutschland-Dependance der internationalen Anwaltssozietät arbeiten 60 Prozent der Mitarbeiter mit RIM-Handhelds. Rund 450 Geräte sind derzeit hierzulande im Einsatz - genutzt werden nach Angaben des IT-Chefs nahezu alle klassischen PIM-Funktionen.

Darüber hinaus können die Blackberry-Nutzer direkt auf die Intranet-basierende Mitarbeiterdatenbank des Unternehmens zugreifen - ein zusätzlich entwickeltes WAP-Interface erleichtert den reisenden Anwälten und Steuerberatern dort die Suche nach nicht in Outlook gespeicherten Kontaktdaten von Kollegen. Ferner arbeitet Clifford Chance daran, die Eingabe von Arbeitszeiten und Aufwendungen für die einzelnen Mandanten via Blackberry zu ermöglichen. "Nach einem Telefonat mit dem RIM-Handheld soll dieses abfragen, für welchen Mandanten das Gespräch geführt wurde, ob es in Rechnung gestellt werden soll und auf welche Akte es geht", veranschaulicht Dernbach die angestrebte Funktionalität. Zu diesem Zweck sollen Schnittstellen zum neuen, noch in der Einführung befindlichen ERP-System "Oracle Finance" entwickelt werden, "in dem besagte Daten ja künftig landen sollen".

Europäische Architektur

Der international agierende Logistikdienstleister Ifco Systems hat eine länderübergreifende Blackberry-Architektur aufgebaut, in die sämtliche Geschäftsstellen in Europa eingebunden sind. Der Vermieter von Mehrwegverpackungslösungen, dessen Kommunikation großteils über E-Mail läuft, betreibt einen zentralen E-Mail- und einen ebenfalls zentralen Blackberry-Server in München, mit dem die lokalen E-Mail-Server der einzelnen Länder kommunizieren. "Der einzige schwarze Fleck in Europa sind heute die skandinavischen Länder, in denen wir noch keinen Blackberry-Service haben", berichtet IT-Chef Stefan Müller. Seines Erachtens werden aber auch die dortigen Mobilfunk-Provider bald bereit sein.

Nachdem etwa 80 Prozent der von den Ifco-Mitarbeitern unterwegs benötigten Informationen wie "Auftragseingang" und "Tagesumsatz" nicht in dynamischer Form verfügbar sein müssen, erachtet Müller die Integration mit Unternehmensapplikationen wie ERP nicht als zeitkritisch. "Das läuft bei uns noch recht traditionell per Excel-Download aus SAP via Abab, das diesen Blackberry-tauglich aufbereitet", schildert der IT-Verantwortliche das derzeitige Prozedere. Mittelfristig plant der Mittelständler allerdings die Blackberry-Integration mit Teilen des SAP-CRM-Moduls, damit seine Außendienstler künftig vor Ort bei den zu betreuenden Kunden direkten Zugriff auf die aktuellen Informationen haben.

RZ-Fernüberwachung

Nicht nur für reisende Manager oder den Außendienst, auch im IT-Bereich der Firmen erweist sich der Blackberry offenbar als hilfreicher mobiler Gefährte: So nutzen ihn etwa bei der Apollo Optik GmbH neben Geschäftsführung und Regionalleitern auch die beiden "Operators", die für die Fernüberwachung des 50 Server umfassenden Rechenzentrums in Schwabach zuständig sind. "Im Fehlerfall - wenn etwa ein Server zu heiß wird oder die Klimaanlage ausfällt - werden die Diensthabenden umgehend per SMS oder E-Mail sowie Piepser oder Blinken auf ihrem Handheld benachrichtigt", erläutert IT-Leiter Erich Ehbauer.

Zu den Pluspunkten des Blackberry gegenüber anderen mobilen Plattformen zählen die Anwender neben dem Push-Prinzip vor allem die Bediener- und Administrationsfreundlichkeit des Systems sowie dessen mittlerweile ausgefeilte, mit der jüngsten Version 4.0 des Blackberry-Enterprise-Servers stark erweiterte Sicherheits-Features. Bei allem Enthusiasmus für den Blackberry gibt es eine Funktion, die die Firmen schmerzlich vermissen - eine Blackberry-taugliche Freisprecheinrichtung für das Auto, um die Handys ausmustern zu können. "Der Außendienst benötigt während der Fahrt eine Sprachsteuerung, um einen Kontakt anzuwählen", bringt Syngenta-Mann Müller den Notstand auf den Punkt. Eine praxistaugliche integrierte Lösung gebe es bislang selbst via Bluetooth nicht, bemängelt auch Dernbach. "Die derzeit erhältlichen Bluetooth-fähigen Blackberrys vertragen sich mit den Anlagen noch nicht."

Wer den Blackberry-Einsatz im größeren Stil plant, sollte die Erfahrungen der Anwenderunternehmen beherzigen: Laut Völker-IT-Chef Ulrich müssen die Entscheider technikversiert sein und grundsätzlich verstehen, was mit dem Blackberry-System machbar ist. Dernbach wiederum empfiehlt, beim Rollout auf eine möglichst homogene Infrastruktur zu achten: "Wer zu unterschiedliche RIM-Geräte einsetzt, riskiert einen Wust an Administration." Darüber hinaus rät Ehbauer von Apollo Optik, genügend Zeit für den internen Wissensaufbau einzuplanen.