IBMs steiniger Weg in eine Softwarezukunft

Big Blue hat sich völlig dem SAA-Konzept ausgeliefert

06.07.1990

MÜNCHEN (CW) - Nichts ist gewagter als Prognosen über den Softwaremarkt. Trotzdem versucht der Unternehmensberater John Parkinson von Ernst und Young International, IBM die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Softwarezukunft vor Augen zu führen. Sein Fazit: Big Blues Erfolg hängt am seidenen Faden des SAA-Konzepts.

Als Grund für diese Abhängigkeit führt Parkinson in einem Artikel für das britische Branchenblatt "insight IBM" an, daß die Armonker kaum eine andere Möglichkeit als die System Anwendungs-Architektur (SAA) haben, um sich einerseits die angestammte Großrechner-Klientel zu erhalten und sich gleichzeitig zukunftsträchtigere Märkte zu erschließen.

"Solange es jedoch an konkreten Produkten fehlt", so Parkinson, "bleibt SAA eine Schimäre." Gefragt seien jetzt vor allem Werkzeuge, mit deren Hilfe zuverlässige Software schneller und kostengünstiger erstellt werden könne, die - einmal installiert - bei Bedarf auch noch rasch auszuwechseln sei. Als Antwort darauf habe die IBM das SAA-Entwicklungskonzept AD/Cycle aufgelegt.

Um hier der eigenen Know-how-Schwäche abzuhelfen, hat sich die IBM nach Angaben des britischen Informationsdienstes "Computergram" mit über einer Million Mark in kleinere Software-Unternehmen wie Bachman, Index Technology und Knowledgeware eingekauft. Seit neuestem bemühen sich die Armonker auch um den CASE-Spezialisten Synon. Dessen Synon/2-Produkt soll, wie Brancheninsider wissen, auf der AS/400 den Codegenerator CSP von der IBM ersetzen.

Diese Anstrengungen belegen, wie wichtig SAA und AD/ Cycle für die künftige Prosperität der IBM sind. "Bekommt das Unternehmen diese Konzepte nicht in den Griff, dann können die Armonker einpacken", urteilt Parkinson. Vor einem möglichen Erfolg muß seiner Ansicht nach noch eine Reihe bisher nicht erfüllter Anforderungen bewältigt werden:

- Noch gibt es kaum Kenntnisse, geschweige denn brauchbare Werkzeuge für den Bereich des Common User Access (CUA).

- Für die unterschiedlichen Hardwaresysteme ist verteiltes Datenbank-Management, vor allem bei DB2, unerläßlich.

- Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Anwendungen läßt zu wünschen übrig. Es fehlt an Werkzeugen, um Software mit Blick auf Interoperabilität zu entwerfen.

- Die Implementation solcher Software auf "intelligente" Rechner ist zur Zeit 20mal teurer als für nicht-programmierbare Terminals. Das ist zu kostspielig, zumal die Leistung nicht ebenfalls um den Faktor 20 wächst.

An erster Stelle steht für Parkinson jedoch die Frage, wie bestehende Anwendungen ohne übermäßigen Restrukturierungsaufwand in das neue Konzept eingepaßt werden können. Zwar sehe das SAA-Konzept für all diese Probleme Lösungen vor, doch fehlten viele der dafür erforderlichen Produkte.

Der Erfolgsdruck auf das SAA-Konzept verstärkt sich noch dadurch, daß das Großrechner-Geschäft nicht mehr die gewohnt hohen Umsatzsteigerungen bringt. Parkinson nennt folgende Gründe:

- Immer mehr Großrechner-Anwendungen laufen heute komfortabler auf PCs oder Midrange-Systemen. Zwar drängt IBM auch in diese Märkte, findet sich dort allerdings einer ungewohnt lebhaften Konkurrenzsituation wieder. Zudem sind hier die Gewinnmargen je System bei kleineren Rechnern wesentlich geringer.

- Die Entwicklungsdauer im Mainframe-Bereich ist so lang,

daß sich Softwareportierungen auf zusätzliche Plattformen kaum rentieren, weil Neuentwicklungen oft schneller zu haben sind. In diesem Bereich lassen sich also keine hohen Stückzahlen erreichen.

Parkinson schließt aus dieser Situation, daß die IBM ihr Geschäft mit SAA auf allen Hardware-Ebenen machen muß. Hier bewege sich der Mainframe-Konzern allerdings auf einem ungewohnt glatten Parkett.