Wie geht es eigentlich zu in Hannover?

Bericht über eine Pressekonferenz

25.04.1975

HANNOVER - Traditionsgemäß hatte die Nixdorf Computer AG zum Eröffnungstage um 10.30 Uhr aufs CeBIT-Dach geladen - anschließend kleiner Imbiß. Aber per Brief gab es eine kleine Provokation: Bereits um 11.30 Uhr bat IBM zur Pressekonferenz über das System 32 im "Treffpunkt", Roter Saal (selbst mit der Messe-Bimmelbahn volle fünf Minuten und mehr entfernt). Wollte IBM Heinz Nixdorf gleich von vornherein einmal zeigen, woher der neue Wind auf dem MDT-Markt weht?

Für Nixdorf-Pressechef Rolf Prey war dieser Schlag vor den Bug keineswegs Anlaß, die Zahl der kalten Platten zu reduzieren: "Wir haben genügend Leute hier, die sich über Reste freuen." Heinz Nixdorf konnte dann doch vor großem Publikum sprechen: etwa 150 Personen. Keiner der Fachjournalisten hatte je auch nur einen Bruchteil "der Kollegen" gesehen, die wohl von Kreisanzeigern und Wirtschaftswochen kommen mußten.

Heinz Nixdorf fand salbungsvolle Worte. 1975 bezeichnete er als "Jahr des Unheils". Man müsse sich besser vertragen. Fazit: Alles komme auf die soziale Einstellung des Unternehmers an.

Heilsame Krise

So konservativ eingestimmt, schluckten die Gläubigen denn auch, daß die BRD die Engländer an "englischer Krankheit weit überflogen" habe. Andererseits war diese "Kur sehr, sehr gut". Mitarbeiter seien jetzt fleißiger und umsichtiger. Nur dürfe es keine ganz große Krise geben, an die Heinz Nixdorf aber nicht glaubt. Zwischendurch blendete H. N. Erfolgszahlen ein - und die Kollegen notierten.

Dem konzentriert eher langsam sprechenden Heinz Nixdorf (50) folgte Klaus Luft (33), Vorstandsmitglied für Vertrieb In/Ausland - ein Schnell-Sprecher kurzer Sachlichkeit mit echt charmantem Lächeln und wie immer Hand in der Hosentasche: Vier neue Modelle der Serie 88, das Preis/Leistungsverhältnis sei hervorragend etc. etc. IBM's 32 sei keine echte Konkurrenz, weil erstens, zweitens, drittens. Alles frei vorgetragen - recht beeindruckend.

DM ist überbewertet

Die Journalisten wollten dann in der Diskussion aber gerne wissen, wieviel die Nixdorf AG beim Engagement bei der Telefunken Computer GmbH und bei der Datel jeweils in den Sand setzte und wo Nixdorf wohl Zweigwerke bauen wolle. Nachdem Heinz Nixdorf gerade die DM zum gegenwärtigen Wechselkonkurs als "absolut überbewertet" bezeichnet hatte - begann der große Exodus. IBM's Gegentermin rief.

Nixdorf selber ergriff grimmig das Wort, um die Abtrünnigen - wenn sie schon gehen wollten, dann bitte schnell - zu verabschieden, so daß sich die große Unruhe bald wieder legte.

11.28 Uhr war der Saal zu 75 Prozent geräumt - zurück blieben einige Treue und andere, die sich an die kalten Platten vom letzten Jahr erinnerten.

Immer dieselben Happen

Genau die gleichen Hors d'oeuvres der Messe-Restauration gab es übrigens auch bei IBM und auch sonst mehrmals pro Tag. Als der Trupp der Nixdorf-Abwanderer im "Roten Saal" im Herzen des Messegeländes ankam, saßen dort schon einige 30 Mann im 60 Personen fassenden Raum, so daß die Mehrzahl vor verschlossenen Türen stand und auf eine Wiederholung in zwei Tagen vertröstet wurde.

Wieso aber die in Pressedingen erfahrene IBM nur einen Raum in den Ausmaßen eines größeren Wohnzimmers für die Ankündigungs-Pressekonferenz zum System 32 buchte, bleibt weiterhin ein Rätsel. Unsicherheit? Zudem schichte sie nur die zweite Mannschaft in den Ring, die sich mit bissigen und zynischen Fach-Journalisten nur mäßig schlug.

Derweil trafen auf dem Nixdorf-Dach wieder die ersten Rückwanderer ein, die bei IBM draußen vor der Tür blieben und jetzt wohl doch Hunger hatten. Sie kamen rechtzeitig: Die Fachdiskussion war beendet, freundliche Damen reichten Sekt.