Bekenntnis zum IBM-Standard als Überlebensstrategie

23.04.1982

Die Prophezeiungen von US-Anaylsten über Schwierigkeiten der nicht IBM-komptabilen Anbieter im Großrechnerbereich scheinen sich auch hierzulande zu bestätigen. Die Vermarktung der Jumbos wird immer härter. Dies zwingt die traditionellen Mainframer zu einer gravierenden Änderung ihrer bisherigen Vertriebsstrategie .So hat die deutsche Burroughs GmbH jetzt ihre Großcomputeraktivitäten deutlich eingeschränkt, mußten Univac, Honeywell & Co. Einbußen im Universalrechnergeschäft hinnehmen (siehe auch Kolumne, Seite 7).

Die Marktanteile im Mainframe-Bereich haben sich in den letzten fünf Jahren drastisch verschoben. Hielt IBM 1977 weltweit noch einen Anteil von 69 Prozent (Fortune-Liste), erreichten die Nichtkompatiblen immerhin noch 29 Prozent , während die IBM-Kompatiblen (PCM) erst zwei Prozent verbuchten. Inzwischen konnten die PCMs ihren Marktanteil auf zwölf Prozent verbessern, was zu Lasten der Nichtkompatiblen ging, die auf elf Prozent absackten.

Diese Entwicklung gibt Branchenauguren Anlaß zu der Behauptung, daß in einigen Jahren kein kommerzieller Großrechner mehr ohne IBM-Stecker ausgeliefert werde. Es sei denn, die traditionellen Mainframer reagierten auf eine immer aggressiver werdende IBM-Poltik mit Fusionen untereinander.

Technologischen Anschluß verpaßt

Während US-Anbieter mit einem PCM-Engagement noch Zurückhaltung üben, scherten in Europa bereits nationale Renommierunternehmen wie Siemens oder ICL aus. Der Münchner Elektrokonzern nahm vor etwa drei Jahren Fujitsu-Rechner ins Vertriebsprogramm und will jetzt auch im Bereich mittlerer Anlagen sein Betriebssystem BS2000 dem IBM-Industriestandard unterwerfen. Europas größter Computerbauer, die britische ICL, vertreibt seit Ende letzten Jahres ebenfalls Jumbos aus dem Fujitsu-Stall.

Glaubt man den Marktbeobachtern, so haben die nichtkompatbilen IBM-Mitbewerber mittlerweile den technologischen Anschluß verpaßt. Konnten sie noch Mitte der 70er Jahre mit Konstruktionsvorsprüngen einige Verkaufserfolge verbuchen, so laufen ihnen inzwischen Entwicklungs- und Produktionskosten davon.

Nur noch Folgegeschäft

Diese seien um so höher, erläutert hierzu Michael Gora, Berater bei der Frankfurter Arthur D. Little Inc., je komplexer das Rechnerkonzept ausgelegt sei. Eine Vermarktung rentiere sich nur dann, wenn die Systeme in entsprechend großen Stückzahlen abgesetzt werden könnten. "Je kleiner der Anlagenpark", bestätigt ein Siemensianer, "um so teurer die Pflege von Hard- und insbesondere Software sowie Service und Support.

Nur noch einen Folgegeschäftscharakter hat nach Meinung von Erik Hargesheimer, Chef der IDC Deutschland GmbH, der Großrechnermarkt der Nichtkompatiblen. "Ablösegeschäfte, wie sie Mitte der 70er Jahre noch gang und gäbe waren, finden heute kaum noch statt".

Hersteller wie Sperry Univac oder Honeywell Bull, konstatiert Diebold-Marktforscher Dr. Fritz Jagoda, müßten sich auf längere Sicht mit Marktlücken begnügen, in denen sie spezifisches Know-how nachweisen könnten. Wer im Großrechnergeschäft heute keine PCM-Systeme anbiete, werde es in Zukunft schwer haben ,im direkten Wettbewerb zum Marktführer erfolgreich zu sein, bekräftigt der Frankfurter Branchenkenner. Jagoda lakonisch: "IBM setzt die Standards."

Die schwerwiegendste Konsequenz aus der Vertriebsmisere zog jetzt die Burroughs GmbH, indem sie nach mageren Jahren den Unternehmensbereich "Öffentliche Hand und wissenschaftliche Einrichtungen" kurzerhand auflöste. Unter Leitung von Wolfried Hanefeld war die einst 20 Mann starke Abteilung für die Vermarktung von technisch-wissenschaftlichen Großrechnern zuständig. Nach der Fusion mit Memorex meinen Brancheninsider, daß sich Burroughs bald auf die PCM-Schiene begeben werde. Dies wird auch von NCR behauptet.

Mit Absatzschwierigkeiten kämpft auch die Cray GmbH, ein weiterer Anbieter auf dem technisch-wissenschaftlichen Sektor. Seit ihrer Gründung Mitte 1979 konnte die deutsche Vertriebsgesellschaft lediglich einen Superrechner am Garchinger Max-Planck-Institut unterbringen. Das schleppende Geschäft im technisch-wissenschaftlichen Bereich führen Cray- und Burroughs-Verkäufer auf die derzeit mangelnde Investitionsfähigkeit der öffentlichen Hand zurück. Kenner der Szene haben hingegen eine weitere Erklärung parat: IBM dränge verstärkt in diesen Markt.

Die verbesserte Architektur sowie die Anpassung von Hard- und Software machten inzwischen kommerzielle Großrechner geeigneter für technisch-wissenschaftliche Anwendungen. Für das System 4341 kündigte Big Blue kürzlich bereits eine spezielle Mikrocode-Unterstützung an, die die Leistungsfähigkeit für gewisse Berechnungsmethoden erhöhen soll. Dazu Ingo Lüdge von der IBM-Presseabteilung: "Generell ist die Tendenz vorhanden, daß technischwissenschaftliche Anwender dazu übergehen, ursprünglich als kommerzielle Rechner konzipierte Maschinen für ihre Zwecke zu nutzen."

Absatzmisere im Jumbo-Geschäft

Universitäten und Forschungseinrichtungen verlangen inzwischen nicht mehr ausschließlich einen hohe Rechnerleistung, sondern zunehmend die Möglichkeit der Dialogverarbeitung. Insbesondere mit der neuen H-Serie des Marktführers sowie den PCM-Jumbos von Amdahl & Co. und einem günstigen Preis-/Leistungsverhältnis könnten heute die geforderten Ansprüche abgedeckt werden, erklärt ein Mitarbeiter eines Uni-Rechenzentrums.

Der Absatzmisere im Großrechnergeschäft sind sich auch Nicht-PCMs wie Honeywell Bull, Sperry Univac, NCR, Control Data oder ICL bewußt. Keiner der traditionellen Mainframer habe im vergangenen Jahr hier seine Planziele erreicht, obgleich diese in Anbetracht der Vorjahresergebnisse bereits realistischer gesteckt waren. Darin stimmen Sprecher der betroffenen Unternehmen, aber nur hinter vorgehaltener Hand, überein.

Honeywell und Univac, die einst im Großrechnerbereich durchaus erfolgreich waren, geben denn auch Veränderungen ihrer Vertriebsaktivitäten unumwunden zu. Präzisiert ein Univac-Manager: "Wir werden nicht an den klassischen Mainframeprodukten festhalten, sondern künftig stärker die Gebiete Büroautomation, verteilte Datenverarbeitung sowie Personal Computing angehen."

Daß sich der Universalrechnermarkt hierzulande auch für Honeywell Bull immer schwieriger gestaltet, gibt auch ein Sprecher des Kölner Computeranbieters zu. Ein Herstellerwechsel fände heute kaum noch statt, weil vor allem die Software inzwischen Dimensionen angenommen habe, die einen Absprung zu einem teuren Unterfangen mache. Wollten die traditionellen Mainframer auch weiterhin Profit machen, so der Kölner Insider, müßten sie sich neue Märkte erschließen.

Neue Märkte erschließen

So will beispielsweise ICL nach Aussagen von Vertriebschef Arno Eckert seine Verkäufer auf die installierte IBM-Basis ansetzen und sich insbesondere um aufstiegswillige /32-Anwender kümmern. "Denen kann auch IBM keine kompatible Aufwärtsstrategie bieten", meint der Nürnberger.

Um als IBM-Konkurrenten erfolgreich zu sein, kämen die Mainframer nicht am IBM-Standard vorbei. "Wer sich nicht am Marktführer orientiert", resümiert Eckart, "wird künftig Marktanteile verlieren." Unter Orientierung will der ICL-Vertriebsboß jedoch nicht Stecker-, sondern Prozedurkompatibilität verstehen.

Wenn den klassischen Großrechneranbietern der Einstieg ins SNA-Geschäft gelingt, könnten sie US-Analysten widerlegen, die diese Hersteller bereits ins PCM-Lager umschwenken sehen. Über die Auswirkungen einer solchen Strategie referierte kürzlich PCM-Vorreiter Gene Amdahl: "Der erste Schritt in diese Richtung könnte auch der letzte sein". Denn Steckerkompatibilität bedeute letztlich auch, von IBM-greifbar zu werden. Bei Umsätzen der traditionellen IBM-Wettbewerber, die gerade in der Größenordnung des IBM-Entwicklungsetats lägen, schrieb IDC-Boß Hargesheimer kürzlich in seinem EDP Deutschland Report, käme es dem Leichtsinn nahe, sich auf eine technologische Schlacht mit dem Marktführer einzulassen.

Diese Materialschlacht betreiben die Steckerkompatiblen schon seit einigen Jahren-bislang mit respektablem Erfolg. Doch sickert jetzt aus PCM-Kreisen durch, daß ihnen IBMs XA-Architektur mehr zu schaffen macht, als sie zugeben können. Orakelt ein Frankfurter Großrechnerprofi: "Wenn die PCMs XA nicht nachstricken können, marschiert IBM auf die 100-Prozent-Marke zu. "