Web-Shops beherrschen die Produktpalette

Beim Mittelstand ist das Internet schon drin

17.11.2000
MÜNCHEN (CW) - Die auf den Mittelstand zielenden Anbieter von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware ziehen beim Web-Anschluss nach. Wie bei den großen ERP-Herstellern gehören auch bei ihnen das Web-Interface und Anbindung an Internet-Technologien zum Standard.

Elektronische Beschaffung, Web-Shops, Portale - solche Services sind nicht mehr den Anwendern von großen ERP-Paketen wie R/3 von SAP oder Oneworld von J. D. Edwards vorbehalten. Auch die Mittelstandsanbieter haben ihre Produkte aufgepeppt und warten mit Web-Zugriff und Backend-Anbindung auf.

Allerdings unterscheidet sich der Reifegrad der Angebote zum Teil deutlich. Während Industrial & Financial Systems (IFS), Erlangen, praktisch eine komplette Palette von Lösungen im Portfolio hat, begnügt sich die auf den unteren Mittelstand konzentrierte Sage KHK, Frankfurt am Main, mit Web-Shop und -Portal. Das Angebot dürfte auch den Bedarf der Anwender widerspiegeln. Kleinere Firmen der Old Economy nutzen das Internet nur wenig.

Mit seiner neuen Version "Applications 2001" hat IFS seine E-Business-Lösung ausgebaut und bestimmte Funktionen aus früheren Versionen in komplette Module gegossen. Zu den neuen Angeboten gehören die Komponenten "E-Marketplace" und "B-to-B Portal". Der Marktplatz unterstützt sowohl den Handel mehrerer Unternehmen untereinander (many-to-many) als auch die Pflege von Kundenbeziehungen eines Unternehmens zu seinen Zulieferern (one-to-many). Das Programm verfügt über spezielle Funktionen, die den Verkauf komplexer Produkte unterstützen und aufwändige Suchvorgänge erlauben. Hierbei spielt die Verbindung mit den anderen Anwendungen der Applications-Suite eine wichtige Rolle, unter anderem dem Produktkonfigurator. Das Pendant auf der Einkaufsseite ist "E-Beschaffung". Dieses Modul ist eine Erweiterung des entsprechenden Moduls in Applications und bringt dessen Oberfläche in das Web. Außerdem ist eine Anbindung an externe Marktplätze vorgesehen.

Mit dem Portal bietet der Hersteller ein Web-basiertes Frontend für Endanwender. Sie können ihre Oberfläche ihren Präferenzen entsprechend einrichten und auf für sie relevante Anwendungen zugreifen. Damit erfüllt es eine ähnliche Funktion wie der "Mysap.com Workplace" von SAP. Es gibt zwei Ausprägungen: Das "B-to-E Portal" zielt auf Mitarbeiter (Employees), während das "B-to-B Portal" für Kunden, Zulieferer und Partner gedacht ist.

Weitere Module im E-Business-Paket von IFS sind ein Web-Shop mit Back-Office-Anbindung und daher integrierter Produkt- und Preisrecherche sowie ein "Kontakt Center", das als zentrale Wissensdatenbank zum Beispiel für Außendienstmitarbeiter dient, die Informationen über Kunden abrufen wollen. Die Anbindung an mobile Endgeräte wie WAP-Handys erfolgt mit Hilfe eines eigenen Wireless-Service.

Einzelne Komponenten von Applications 2001 sind bereits verfügbar. Neben Kern-ERP-Modulen sind das unter anderem Projekt-Management und Kundenbeziehungs-Management. Außerdem liefert das Unternehmen jetzt erstmalig eine Personalabrechnung für Deutschland. Basis ist die Software von GSB, Erlangen, die IFS vor rund zwei Jahren gekauft hat.

Web-Shop und Portal stehen auch bei Soft M, München, im Vordergrund. Bislang deckte das AS/400-Softwarehaus diese Funktionen über Fremdprodukte ab. Jetzt sind die hauseigenen Produkte fertiggestellt worden. Basis für den Einsatz der neuen Komponenten ist das E-Business-Grundmodul. Es enthält Integrationsfunktionen und ein Repository, aus dem heraus dynamisch Web-Seiten generiert werden.

Der Vorteil des "Soft M Shop" liegt in der engen Integration in die ERP-Software von Soft M. Damit ist es wie bei IFS möglich, die Verfügbarkeit eines Produkts direkt in der Datenbank zu prüfen. den aktuellen Preis zu ermitteln und einen festen Liefertermin zuzusagen. Der Online-Produktkatalog ist für den internationalen Einsatz ausgelegt und daher zum Beispiel mehrwährungsfähig. Auch bei der Bestellung erfolgt der Durchgriff auf das Back-Office-System. Damit werden unter anderem Kreditlimits geprüft und Eingabemasken mit Stammdaten vervollständigt.

Mit dem Portal können Anwender Informationen aus verschiedenen Modulen wie Auftrag, Lager, Einkauf und Finanzbuchhaltung abrufen. Darüber hinaus lassen sich andere Anwendungen in die Web-Oberfläche einbinden. Basis dafür bildet eine XML-Schnittstelle. Anwendern ist es außerdem möglich, die Oberfläche nach ihren Wünschen zu gestalten.

Benutzer der "Office Line 2000" von Sage KHK müssen sich dagegen mit einem Shop bescheiden. Wie die vorherigen Produkte verfügt auch der "Webtrader" über eine enge Anbindung an die betriebswirtschaftliche Software des Herstellers. So können Bestellungen direkt in die Warenwirtschaft übernommen und dann in Office Line abgewickelt werden. Der Shop arbeitet entweder eigenständig eingesetzt oder in Zusammenhang mit einem bestehenden Web-Angebot. Im letzteren Fall fügt ein Integrations-Assistent einen Bestellknopf an einer beliebigen Stelle in einer Web-Seite ein und sorgt so für Verbindung mit dem Webtrader-Warenkorb. Der im Paket enthaltene "Websitecreator" erlaubt darüber hinaus die Erstellung eines kompletten Web-Auftritts. Die Shop-Lösung ergänzt das bestehende Portal, das Sage KHK für seine Kunden im Web aufgesetzt hat. Über dieses "Business Portal" stehen verschiedene Services zur Verfügung, die die Softwarelösungen ergänzen. So können Pakete verfolgt und Adressen geprüft werden - direkt aus den Sage-KHK-Anwendungen heraus.

Portaltechnik gibt es dagegen bei der Softmatic AG, Norderstedt, noch nicht, und selbst bei der Browser-Anbindung seiner Branchenlösung für die Prozessindustrie setzt das Unternehmen Fremdsoftware ein. "SQL Blending" wird in der aktuellen Version mit Hilfe von Citrix? "Metaframe", einer Erweiterung zu Microsofts Terminal Server, Web-fähig. Auf diese Weise macht der Hersteller die Bildschirmmasken seines Programms im Web verfügbar, so dass zum Beispiel Außendienstmitarbeiter über das Internet auf die Anwendung zugreifen können.

Im Vordergrund stehen beim aktuellen Release 5.6 dagegen funktionale Erweiterungen in den Bereichen Kontraktverwaltung, Belegverwaltung und Bankeinzug. Bei der Kontraktverfolgung werden die vertraglich vereinbarten Kenngrößen, zum Beispiel Kontingente, gespeichert und bei Abruf von Produkten aktualisiert. Die Belegverfolgung fasst alle Dokumente, die zu einem Auftrag gehören, zusammen, so dass sie jederzeit eingesehen werden können. Für das Bankeinzugsverfahren lassen sich in der Version 5.6 zu jedem Geschäftspartner beliebig viele Bankverbindungen hinterlegen und das bevorzugte Zahlverfahren festlegen.

Trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen verbindet die verschiedenen Lösungen eins: Der Anwender erspart sich viel Integrationsaufwand, wenn er ins Web geht. Zumindest Basisfunktionen werden von den gängigen Mittelstandspaketen abgedeckt - oft sogar noch mehr. Kleineren Unternehmen, die ihr Geschäft mit dem Internet verbinden wollen, steht die Tür also offen.

Comet-ErsatzMit "Diamant@" hat die Systec AG, eine Tochter von Softmatic, jetzt eine betriebswirtschaftliche Standardsoftware für Anwender der ehemaligen Nixdorf-Software "Comet" herausgebracht. Das Programm umfasst in der Version 1.0 Komponenten für das Rechnungswesen wie Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung und Anlagenbuchhaltung sowie für die Materialwirtschaft, nämlich Einkauf, Verkauf und Lager. Das Rechnungswesen basiert auf der Software "Diamant" des gleichnamigen Herstellers, der ebenfalls Softmatic gehört. Durch die hohe Abdeckung von Funktionen, über die auch Comet verfügt, sei die Software gut als Windows-basierte Alternative geeignet, argumentiert Systec.