Supercomputing ?93 (Teil 1)

Bei Herstellern und Besuchern macht sich Katerstimmung breit

12.03.1993

Wahrscheinlich waren eine falsche Messekonzeption, hohe Eintrittspreise und der Termin - Ferien in Holland, Fasching im Rheinland - schuld am grossen Desinteresse. Im Konferenzprogramm bestritten die Aussteller mehr als 60 Prozent der Vortraege, sie nahmen auch an fast allen Foren teil - den Zuhoerer kostete die Teilnahme aber 1800 Mark. Mitarbeiter von Supercomputerzentren aeusserten verstimmt, da koenne man ja gleich die Hersteller vorsprechen lassen, ohne auf Messen extra bezahlen zu muessen.

Massive Kritik an der Veranstaltung

Die fehlende Attraktivitaet der Konferenz schlug auch auf die Ausstellung durch. Wichtige Anbieter fehlten oder sagten zum Teil sehr kurzfristig ab. So waren beispielsweise IBM, DEC, Meiko, DSM und Telmat nicht vertreten.

Aufgrund der massiven Kritik und der Anregungen von verschiedenen Seiten beschloss die Royal Dutch Fairs unverzueglich, fuer die Supercomputing Europe ?94 in Muenchen das Ausstellungskonzept grundlegend zu aendern. So soll der Kongress durch einen renommierten Beirat mit Experten aus den USA, Japan und Europa wissenschaftlich aufgewertet werden. Man plant, die Eintrittspreise auf ein vertretbares Mass zu senken. Dann koennten sich insbesondere Universitaeten und Forschungseinrichtungen eine Teilnahme leisten.

Die Supercomputing Europe ?94 soll vom 18. bis 20. April im Muenchner Sheraton-Hotel stattfinden. Pikanterie am Rande: Die Muenchener Messegesellschaft wollte ihre Raeumlichkeiten der Wandermesse Supercomputing Europe nicht zur Verfuegung stellen.

Etwa 30 Unternehmen aus dem Bereich High-Performance-Computing offerierten in Utrecht ihre Produkte oder Dienstleistungen. Nach den Rechnerherstellern folgten die Software- und Tool-Anbieter zahlenmaessig auf dem zweiten Platz. Visualisierung der Rechenergebnisse, schnelle Netzverbindungen auch fuer Workstation-Cluster und leistungsfaehige Plattenperipherie sowie Massenspeichersysteme waren wichtige Themen in der Ausstellung.

Archipel, ein franzoesischer Hersteller von moderat-parallelen Rechnern, hat Systeme auf der Basis von T805-Transputern und 860-Prozessoren mit bis zu 64 Rechenknoten entwickelt. Daneben wird ein eigenes verteiltes Unix-Betriebssystem angeboten, auch Oberflaechen wie "Express" sind realisiert. Archipel, das Centre National de la Recherche Scientific (CNRSund die Ecole Normale Superieure de Lyon haben sich zu einem Laboratory for High Performance Computing (LHPC) zusammengeschlossen. In dieser Institution soll ein Supercomputer entwickelt werden und ein europaeischer und internationaler Kristallisationspunkt im Bereich der Parallelverarbeitung entstehen.

Industrievertreter will man mit Partnern aus den Forschungsbereichen zusammenbringen, um den Technologietransfer in die kommerzielle Anwendung zu ermoeglichen. Das LHPC wird von verschiedenen franzoesischen und europaeischen Institutionen unterstuetzt, etwa von den Ministerien fuer Forschung, Raumfahrt, nationale Ausbildung, Industrie, Verteidigung und ueber das Eureka- Programm.

Convex hatte das Meta-Computing-Konzept in den Mittelpunkt des Gemeinschaftsstandes mit Hewlett-Packard gestellt. In diesem Rechnersystem sind die konventionelle Convex-Vektorrechnerarchitektur und ein Cluster von Hewlett-Packards PA-RISC-Prozessoren integriert. Eine typische Konfiguration besitzt vier bis 32 RISC-Knoten mit jeweils bis zu 128 MB Speicher.

Crays T3D soll im Frühjahr ausgeliefert werden

Gezeigt wurde auch die entsprechende Software "Convex-PVM" (Parallel Virtual Machine, eine Public-domain-Software), "Convex- NQSi" und eine mathematische Bibliothek. Nach Aussagen von Convex sollen schon zehn Meta-Systeme verkauft sein. In Deutschland sollen unter anderem die Humboldt-Universitaet in Berlin und die Universitaet Leipzig einen Rechner der Meta-Serie erhalten.

Zwar praesentierte Cray den Besuchern den Parallelrechner "T3D" noch nicht. Zumindest gab es aber ausfuehrlichere Informationen ueber das System, dessen erstes Exemplar Cray noch in diesem Fruehjahr an das Jet Propulsion Laboratory ausliefern will. So soll der Rechner im Gegensatz zu den RISC-Prozessoren in echter Supercomputer-Technologie gebaut werden. Programmpakete wie Nastran, die fuer Vektorrechner optimiert wurden, lassen sich effektiv auf den herkoemmlichen Architekturen abarbeiten.

Die Kernforschungsanstalt (KFA) in Juelich ersetzt - so wurde auf der Supercomputing bekannt - ihre Cray X-MP jetzt durch eine Vierprozessor Y-MP mit 2 GB Hauptspeicher, die Universitaet Magdeburg erhielt eine mit zwei Prozessoren ausgestattete Cray Y- MP, und an die tschechische Akademie in Prag wird eine Cray Y-MP EL geliefert.

Intel trat mit der neuen Paragon-Serie an, fuer die inzwischen schon 30 Bestellungen vorliegen. Seit September vergangenen Jahres laeuft die Produktion, verschiedene Systeme wurden schon ausgeliefert. Zu den Abnehmern gehoeren hier in Deutschland auch die KFA in Juelich und die Universitaet Stuttgart. Die Preise bewegen sich zwischen zwei Millionen Dollar fuer ein 5-Gflop-System und 55 Millionen Dollar fuer einen 300-Gflop-Rechner.

(wird fortgesetzt)