Bürokommunikations-Software zurückgefahren

Bei der IBM ist Officevision für OS/2 out und Lotus Notes in

12.06.1992

MÜNCHEN (jm) - Die IBM wird die Aktivitäten für die Bürokommunikations-Software Officevision langsam zurückfahren: Zumindest für den PC-Bereich hat das Paket nun ausgedient, Big Blue wird seine BK-Software für dieses Rechnersegment nicht weiter vermarkten und statt dessen PC-Kunden empfehlen, die beiden Lotus-Produkte "Notes" sowie "CC Mail" zu kaufen.

Exakt ein Jahr ist es her, seit Jim Cannavino, oberster PC-Boß bei Big Blue, und Jim Manzi, Chef von Lotus, am Rande der New Yorker PC-Expo mit der Vereinbarung an die Öffentlichkeit traten, die Lotus-Groupware Notes sowie die Kommunikationssoftware CC Mail würden durch IBM ab sofort vertrieben und auch unterstützt.

Was damals vor allem als weiterer Hieb gegen Microsoft interpretiert wurde - nebenbei kündigte Cannavino an, die bislang von der IBM für Officevision vertriebene E-Mail-Software "Network Courier" von Microsoft werde aus dem Programm gestrichen -, richtete sich allerdings auch gegen IBMs BK-Software Officevision. Zwar waren die beiden Parteien bemüht, anläßlich der IBM-Lotus-Pressekonferenz diesen Punkt auszusparen.

Allerdings konnte man aus Äußerungen von Cannavino herauslesen, das Officevision in Zukunft möglicherweise nicht mehr die zentrale Bedeutung im SAA-Konzept der IBM haben könnte. Bei seinem Blick nach vorn versprach er, daß durch die Aufsetzung von Notes auf OS/2 Daten über sämtliche IBM-Plattformen austauschbar sein werden würden.

Ray Ozzie, Software-Genie bei Lotus und federführend sowohl für den Klassiker Symphony als auch für Notes verantwortlich, rückte Cannavinos hochfliegende Pläne damals allerdings etwas zurecht: "Man sollte Geduld haben, das dauert noch."

Eine IBM-Sprecherin aus der Deutschland-Zentrale in Stuttgart machte vor allem die Schwierigkeiten von OS/2 in der Vergangenheit dafür verantwortlich, daß Officevision für OS/2 - also die PC-Variante der IBM-BK-Software - nicht aus den Startlöchern gekommen sei. Außerdem seien die Lotus-Entwickler allem Anschein nach sehr fix, was sich auch an der schnellen Portierung der Textverarbeitung Ami Pro auf OS/2 gezeigt habe. Für die Midrange- und Großrechner-Welt wird die IBM Officevision allerdings weiterhin vertreiben.

Sowohl Manzi als auch der IBM-PC-Chef hatten dem Workgroup-Computing im Zuge zunehmender PC-Vernetzungen eine große Zukunft für die 90er Jahre vorausgesagt. Unternehmen wie General Motors, Price Waterhouse und Arthur Andersen sehen dies offensichtlich ebenso.

Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Price Waterhouse gehörte zu den allerersten Kunden von Lotus, die Notes testeten. Mittlerweile arbeiten etwa 8000 Mitarbeiter mit der Groupware, die DV-Pläne des amerikanischen Unternehmens sehen vor, bis 1993 weitere 17 000 Arbeitsplätze mit Notes auszustatten. Im April 1992 meldete Arthur Andersen, daß man sich auf die Kommunikationssoftware von Lotus einschwöre: 20 000 Kopien wurden sofort geordert, weitere 40 000 sind als Option vorgesehen. Auch General Motors Europe gehört - über seine Outsourcing-Abteilung EDS - mit 15 000 Notes-Installationen zu den Lotus-Großkunden.