Außenhandelsdefizit gewachsen - Ostbetriebe kämpfen ums Überleben VDMA: Büro- und DV-Technik nur mit dem Umsatz zufrieden

18.10.1991

BERLIN (see) - Immer weiter auseinander driften Volumina und Erträge im deutschen Markt für Büro- und Informationstechnik. Zweistellige Zuwachsraten bei Umsatz, Auftragseingang und Produktion im ersten Halbjahr bedeuteten nicht, daß es den einzelnen Herstellern gut gehe, betonte Alfred Eßlinger, Vorsitzender der Fachgemeinschaft Büro- und Informationstechnik (FG BIT) im VDMA.

Bei der Präsentation der Branchenzahlen in Berlin verwies Eßlinger, auch Geschäftsführer der IBM Deutschland GmbH, zunächst darauf, daß nur büro- und informationstechnische Hardware, nicht dagegen Software und Dienstleistungen im VDMA-Spiegel repräsentiert seien. Außerdem lägen auch noch keine Zahlen aus den neuen Bundesländern vor.

Heruntergebrochen auf die Einzelbereiche, ergibt sich folgendes Bild: Der Gesamtumsatz mit informationstechnischen Produkten (ohne Bürotechnik) stieg um 22,8 Prozent auf 10,3 Milliarden Mark- um über 30 Prozent legte der Auftragseingang zu. Der Produktionswert wuchs langsamer, nämlich um elf Prozent auf 8,8 Milliarden Mark. Als "erschreckend" bezeichnete Eßlinger das weiter gewachsene Außenhandels-Defizit: Während de Exporte deutscher IT-Hersteller bei 6,4 Prozent nahezu stagnierten, führte die Branche Produkte für 11,3 Milliarden Mark ein - 14,6 Prozent mehr als im Vergleichs halbjahr 1990. Das gesamte Marktvolumen erhöhte sich um 19,3 Prozent auf 13,6 Milliarden Mark.

War der Bürotechnik-Markt zuletzt rückläufig gewesen, meldeten die Hersteller im ersten Halbjahr 1991 wieder einen Anstieg ihrer Umsatz-, Order- und Produktionswerte. Die insgesamt produzierte Hardware (einschließlich Kopierer sowie Diktier- und Mikrofilm-Geräte) erreichte einen Wert von 1,2 Milliarden Mark (plus 14 Prozent). Davon wurden 600 Millionen Mark umgesetzt, gut 21 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 1990. Auch die klassischen Bürokunden indes versorgen sich zunehmend mit ausländischer Ware: Der Importwert stieg um 28,2 Prozent auf 1,9 Milliarden Mark, während die Ausfuhren um 9,9 Prozent auf 1,4 Milliarden Mark fielen.

"Die vorliegenden Halbjahres-Werte lassen vermuten", so Eßlinger, daß der deutsche Markt für Büro- und Informationstechnische Hardware 1991 ein Volumen von mehr als 50 Milliarden Mark erreichen werde. 1990 waren es 42,5 Milliarden Mark gewesen. Der nicht in den VDMA-Zahlen enthaltene Software- und Service-Umsatz stieg während des Gesamtjahres 1990 um 16 Prozent auf 16 Milliarden Mark. Dieses "dynamische Wachstum", so der FG-BIT-Vorsitzende, setze sich auch 1991 fort.

Insgesamt schätzt der VDMA-Vertreter die Marktperspektiven trotz härter werdenden Wettbewerbs als günstig ein. Der Nachholbedarf der neuen Bundesländer, besonders im Büro- und Verwaltungsbereich, werde die Nachfrage noch einige Zeit stärken. Auch der bevorstehende EG-Binnenmarkt stütze die Investitionstätigkeit, in Westeuropa. Demgegenüber, so Eßlinger, stünden Risiken in Gestalt der andauernden Rezession, überhöhter Lohnkosten sowie einer unternehmensfeindlichen Besteuerung.

Von den Herstellern von Büro- und Informationstechnik aus den neuen Bundesländern liegt dem VDMA lediglich der Umsatzwert vor: 241 Millionen Mark seien für Hardware eingenommen worden. Die Zweifel eines ostdeutschen Journalisten, ob der VDMA den Ostherstellern Zukunftschancen einräume, konnte Eßlinger bezüglich der Hardwareproduzenten nicht entkräften. Er verwies jedoch darauf, daß sich ein Anbietermarkt in dem Maße entwickeln werde, wie sich eine stabile Basis an mittelständischen Anwendern bilde. Gegenwärtig indes, stellte Eßlinger fest, profitierten vor allem westliche Anbieter von der Nachfrage im Beitrittsgebiet, während die früheren Robotron-Betriebe in ihrem Bestand gefährdet seien.

So würden ihnen ihre traditionellen Märkte wegbrechen, und das trotz massiver Exportunterstützung, etwa für die Sowjetunion. Aus dem UdSSR-Kredit vom Frühjahr 1991 über neun Milliarden Mark seien "keinerlei Aufträge an ostdeutsche Unternehmen" zurückgeflossen, beklagte der Vorsitzende der Fachgemeinschaft. Bei "kontinuierlicher Entwicklung" der Wirtschaft im Osten werde gleichwohl zur Jahrtausendwende der ostdeutsche Büro- und DV-Markt die Hälfte des dann im Westen erreichten Volumens aufweisen, vor allem generiert durch Software und Dienstleistungen. +