Der Markt für Massenspeicher im Jahr 2000

Auf die Datenexplosion folgt die Produktlawine

20.09.1996

Für die Anbieter zeichneten die Referenten auf der European Storage Conference des US-Marktforschungsinstituts Dataquest in London ein optimistisches Bild des Massenspeichergeschäfts. Joe Jura, Senior Industry Analyst bei Dataquest Europe, geht davon aus, daß der weltweite Umsatz mit Festplatten trotz sinkender Preise und anhaltender Marktkonzentration bis zum Jahr 2000 von sechs auf zwölf Milliarden Dollar wachsen wird.

Ebenso zuversichtlich blickt Edward Grochowski, Program Manager für Speicherprodukte in IBMs Forschungszentrum Almaden, in die Zukunft. Die Zahl der ausgelieferten Festplatten steigt nach seiner Meinung von 90 Millionen Einheiten 1995 auf 159 Millionen Stück im Jahr 1998. Zwei Jahre später würden die Hersteller bereits 215 Millionen Laufwerke verkaufen. Dabei erhöhe sich die durchschnittliche Kapazität der Harddisks von 900 MB im vergangenen Jahr auf etwa 10 GB zur Jahrhundertwende. Möglich werde dies durch eine immer höhere Aufzeichnungsdichte der Datenträger. Für die Anwender ist dies eine gute Nachricht. 1995 kostete ein MB noch 0,38 Dollar bis zum Jahr 2000 soll dieser Wert auf etwa 0,03 Dollar sinken (siehe Tabelle).

Wegen der steigenden Aufzeichnungsdichte, so Grochowski, könnte eine 2,5-Zoll-Festplatte im Jahr 2000 mehr als 10 GB Daten fassen (heute maximal 2,2 GB). Damit sei auch bei den Speichersubsystemen (Disk Arrays) ein Quantensprung zu erwarten. Im Disk Array des nächsten Jahrhunderts könnten nach der Vorstellung des IBM- Managers mehr als 200 Festplatten im 2,5-Zoll-Format mit jeweils 25 GB Kapazität Platz finden. In einer Raid-5-Konfiguration ließen sich damit mindestens 4 TB Daten verwalten.

Einen Quantensprung in der Speicherkapazität plant IBM mit der holografischen Festplatte, die 1 TB Daten fassen soll. Bei dieser Technik werden zwei Laserstrahlen eingesetzt, die auf eine fotosensitive Oberfläche zielen. Damit ließe sich, so ein IBM- Sprecher, ein dreidimensionaler Datenraum auf der Festplatte erzeugen. Die Aufzeichnungsdichte erhöhe sich auf diese Weise auf 150 GBit pro Quadratzoll. 1995 lag die maximale Aufzeichnungsdichte magnetischer Festplatten bei etwa 800 MBit pro Quadratzoll. Big Blue will bis 1998 einen Prototypen der holografischen Festplatte entwickelt haben.

Weniger stürmisch scheint die Marktentwicklung bei den optischen Speichermedien zu verlaufen. Im Segment der optischen Speicherbibliotheken mit wiederbeschreibbaren 5,25-Zoll-Disks habe es 1995 im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von vier Prozent nach Stückzahlen gegeben, berichtet Mary Bourdon, Senior Industry Analyst bei Dataquest. Marktführer bleibe weiterhin Hewlett- Packard (HP) mit 65 Prozent Anteil nach Stückzahlen. Gemessen am Umsatz sei der Markt um 25 Prozent auf 125,7 Millionen Dollar zurückgegangen. Dies müsse darauf zurückgeführt werden, daß die Kunden auf die angekündigten 2,6-GB-Laufwerke gewartet hätten. Bourdon schätzt, daß die Umsatzerlöse bis zum Jahr 2000 auf 272 Millionen Dollar steigen werden. Typische Anwendungsgebiete dieser Jukeboxen sind datenintensive Transaction-Processing-Systeme, wie sie etwa von Behörden eingesetzt werden. Speicherbibliotheken mit 12-Zoll-WORM-Laufwerken (WORM = Write once read many) bilden nach Ansicht von Bourdon ebenso wie entsprechende Systeme mit 5,25- Zoll-Laufwerken nur einen Nischenmarkt. Noch kleiner sei das Angebot für 14-Zoll-WORM-Speicherbibliotheken. Hier ist Eastman Kodak der einzige Anbieter.

Einen entstehenden Markt sieht die Analystin dagegen in CD- basierten Speicherbibliotheken. Diese Systeme seien typischerweise in ein Netz eingebunden und beherbergten keine kritischen Daten. Im Zuge der Migration zur Digital Versatile Disk (DVD) könnten in den Jukeboxen künftig mehrere TB Daten vorgehalten werden. Entsprechend groß sei daher das Engagement der Hersteller, in diesen Markt einzusteigen. Im High-end-Segment, das nach Dataquest-Lesart Jukeboxen mit maximal 2750 CDs umfaßt, gehören die Firmen Disc, Dynatec und Kubik zu den Anbietern. Im Midrange- Bereich (100 bis 500 CDs) werde, neben Pioneer, Panasonic und dem deutschen Hersteller NSM, auch Sony in den Markt einsteigen. Für das Low-end-Segment mit maximal 50 Disks erwartet Bourdon in wenigen Wochen Produktankündigungen mehrerer Hersteller, darunter des koreanischen Konzerns Hyundai.

Vielzahl der Bandformate verwirrt die Anwender

Im Bereich der Bandlaufwerke und entsprechenden Speicherbibliotheken konstatiert Fara Yale, Director und Principal Analyst bei Dataquest, ein immer unübersichtlicheres Angebot. Derzeit tummelten sich 29 Hersteller mit etwa 120 verschiedenen Modellen auf dem Markt. Die Anzahl der unterschiedlichen Aufzeichnungstechnologien und Bandformate steige. Infolgedessen werde sich der Markt noch stärker segmentieren. Vor allem die konkurrierenden Aufzeichnungstechniken - lineare Methode und Helical-Scan-Technik - führten zu einem verschärften Wettbewerb. Für die IS-Manager in den Unternehmen bedeutet dies einerseits sinkende Preise. Ande-rerseits wird es immer schwieriger, das richtige Backup-System auszuwählen. DV-Verantwortliche sollten bei Investitionsentscheidungen künftig stärker die finanzielle Konstitution eines Anbieters und die Migrationspfade im Hinblick auf neue Technolo- gien berücksichtigen, empfiehlt Yale. "Einen Mainstream-Standard bei der Bandspeichertechnologie wird es nicht geben".