Auch Oracle singt das Hohelied der Cloud

05.10.2012
Auf der Kundenveranstaltung OpenWorld 2012 in San Francisco präsentierte CEO Larry Ellison seine Cloud-Pläne und warb für die hauseigenen Kernprodukte rund um die Datenbank Oracle 12c und die Fusion Applications.

Die Oracle-Cloud decke ab sofort alle drei gängigen Service-Ebenen ab, sagte Ellison gleich zu Beginn der Veranstaltung. Neben den bereits verfügbaren SaaS- und PaaS-Angeboten (Software as a Service, Platform as a Service) offeriere man nun auch Infrastrukturdienste. Diese basieren in erster Linie aus Oracles eigenen Engineered Systems (beispielsweise die Appliances "Exadata" und "Exalogic"). Kunden könnten sie je nach Bedarf in Form einer Private Cloud hinter der eigenen Firewall platzieren oder aber in Oracles Public Cloud.

Oracles President, der ehemalige HP-Chef Mark Hurd, bezeichnete die Engineered Systems als Fundament der hauseigenen Cloud. Oracle biete künftig einen kompletten Stack inklusive Infrastruktur-Services und übernehme für Nutzer die Integrationsarbeit. Die neuen Appliance-Systeme seien erheblich leistungsfähiger als die Vorgänger, was für den Kunden unterm Strich niedrigere Kosten bedeute. Zudem ließen sie sich einfacher supporten. Oracle treibe die Weiterentwicklung dieser Systeme mit hohem Aufwand voran und werde allein in diesem Jahr fünf Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung inves-tieren, so Hurd.

Interessanter als die Cloud-Optionen dürften für viele der anwesenden Oracle-Kunden dennoch die Neuerungen in Sachen Datenbanken sein. Mit "Oracle 12c" kündigte Ellison für 2013 eine über vier Jahre hinweg entwickelte neue Version der Datenbank an. Eine Schlüsselfunktion dabei ist Multitenancy, also Mandantenfähigkeit. Sie erlaubt Anwendern den Aufbau von "Pluggable Databases" innerhalb eines einzelnen Datenbank-Containers, wie Andy Mendelsohn, Senior Vice President für den Bereich Database Server Technologies, in seiner Rede erläuterte. Damit sei eine "fundamental überarbeitete Architektur der Datenbank einhergegangen. Admins haben künftig nur noch eine Datenbank über alle Systeme hinweg zu verwalten."

Die Datenbank als Schweizer Taschenmesser

Um das Konzept der Pluggable Database zu veranschaulichen, verglich der Manager es mit einem Schweizer Taschenmesser. Die Datenbank sei ein ähnlich flexibles Tool, um die jeweilige Umgebung zu betreiben. Darüber hinaus werde "Database 12c" die Hardwareressourcen effizienter ausnutzen, unterm Strich könnten Kunden also Geld sparen. Beispielsweise integriert die neue Software eine "Heat Map", die anzeigt, wie oft verschiedene Datengruppen genutzt werden. Weniger nachgefragte Daten ließen sich mit diesen Erkenntnissen auf günstigere Speichermedien verlagern.

Künftige Upgrades will Oracle kundenfreundlicher als in der Vergangenheit gestalten; Basis dieses Vorhabens ist wieder das Konzept der steckbaren Datenbanken. "Wenn Sie eine Datenbank patchen, patchen Sie alle Datenbanken eines Containers", führte Mendelsohn aus. Die einzelnen Implementierungen arbeiten offenbar je Mandant getrennt voneinander, nutzen aber die gleiche zugrunde liegende Hardware sowie gemeinsame Verwaltungs-Tools.

Von dem Prinzip profitieren auch Backup- und Recovery-Routinen. Administratoren können laut Oracle das gesamte System in einem Rutsch sichern, bei Bedarf aber auf diversen Ebenen wiederherstellen. Damit biete sich die Datenbank für den Betrieb von SaaS-Diensten und Cloud-Anwendungen an, wo jede Anwendung die Daten der einzelnen Kunden getrennt sichern und schützen sollte. Mendelsohn erklärte dazu: "Jede Pluggable Database ist eine eigene Entität, die für sich allein steht. Sie hat ihre eigenen Metadaten und privaten Daten-Files." Eine wichtige Frage ließ der Manager indes offen: Wie ändert sich durch Mandantenfähigkeit das Lizenzmodell der Datenbank? Heute zahlen Anwender in Abhängigkeit von der Prozessorleistung, die für den Betrieb der Datenbank erforderlich ist. Ob diese Regel ihre Gültigkeit behält, ist ungewiss.

Kommen Fusion Applications endlich in Fahrt?

Neben den Cloud- und Datenbank-Produkten rückte Oracle auf der OpenWorld einmal mehr seine Fusion Applications in den Mittelpunkt, deren Markterfolg in der Branche kritisch gesehen wird. Vor einem Jahr gestartet, hätten heute mehr als 400 Kunden "Fusion Applications" lizenziert, rührte Chris Leone, Manager für das Applications-Development, die Werbetrommel. Über 100 Anwender seien damit im Produktivbetrieb. "Start und Verlauf sind astronomisch", schwärmte Leone. "Fusion ist wirklich angekommen." Dass der Oracle-Manager dies so betont, kommt nicht von ungefähr, war der Erfolg doch zunächst alles andere als gewiss: Das Fusion-Projekt kämpfte jahrelang mit Verzögerungen.

Und so sind auch heute noch nicht alle Marktbeobachter von den Zahlen beeindruckt. Das gilt besonders dann, wenn man den Fusion-Erfolg in Relation zum übrigen Oracle-Geschäft setzt. Vorsichtig optimis-tisch zeigte sich Ray Wang, CEO des Analys-tenhauses Constellation Research, angesichts der Verkaufszahlen: "Das Unternehmen hat recht verhaltene Erwartungen hinsichtlich der Entfaltung gehabt. Man hat wirklich hart daran gearbeitet, den Kunden zu einem reibungslosen Start zu verhelfen. Für Oracle ist es ein guter Beginn." In jedem Fall sei es spannend zu beobachten, wie die Verantwortlichen die Akzeptanz in den kommenden Jahren steigern wollen, so Wang.

Aus technischer Sicht schlägt Oracle indes ein hohes Tempo ein; der Konzern hat bereits das fünfte Release herausgebracht und ist damit deutlich schneller als mancher SaaS-Anbieter (Software as a Service). Die hohe Geschwindigkeit führt dazu, dass die Software zügig optimiert wird und den Kunden immer wieder neue Funktionen in kleinen Häppchen zur Verfügung gestellt werden. Das Einspielen der neuen Releases soll dabei stets in einem überschaubaren Rahmen bleiben.

Nach einem Jahr auf dem Markt zeige sich, dass die meisten Anwender die Option einer Cloud-Installation wählten, typischerweise aber auch eine "Koexistenz-Strategie" verfolgten, berichtete Leone weiter. Kunden nutzten einige Fusion-Module zusammen mit vorhandenen Oracle-Applikationen. Selten würden Fusion-Projekte gestartet, um Altinstallationen komplett zu ersetzen, wenngleich es durchaus Anwender gebe, die ein "Full-Suite Deployment", also eine Einführung des Komplettpakets, in Erwägung ziehen, so Leone.

Business-Anwendungen erhalten mehr Social-Funktionen

Der Manager äußerte sich auch zu den weiteren Fusion-Plänen. In den kommenden Jahren wird es demnach einige Neuerungen geben, beispielsweise arbeitet das Team an mehr Social-Networking-Features. Zwar integriert die Applikationssammlung bereits mit den ersten Releases einige solcher Funktionen. Doch die jüngsten Oracle-Akquisitionen verschaffen den Entwicklern Zugriff auf neue Social-Software-Lösungen, die nun nach und nach in Fusion eingearbeitet werden sollen. "Social Software wird das zentrale Thema unseres künftigen Fahrplans sein", kündigte Leone an.

Trotz dieser Bemühungen will man die anderen Produktlinien nicht aus den Augen verlieren. Oracle-Vertreter betonten, dass es keine Abstriche bezüglich Support und Funktionserweiterungen für die Business- Anwendungen etwa von JD Edwards geben werde. Das erscheint auch sinnvoll, steuert Fusion bislang doch nur wenig zum Konzernumsatz bei. Für einen verlässlichen Geldstrom sorgen hingegen die Wartungsgebühren, die Kunden für die klassischen Business-Applikationen entrichten.

Bekenntnis zu JD Edwards, Siebel und PeopleSoft

"Siebel CRM spielt weiterhin eine bedeutende Rolle in der Softwarestrategie unserer Kunden, weil die Funktionalität auf vertikale Industrien ausgelegt ist", erklärte Anthony Lye, Senior Vice President für Cloud-Applikationen bei Oracle. "Für uns entsteht damit die Verpflichtung, weiterhin Neuerungen in diesen Applikationen einzuführen."

In Sachen PeopleSoft stellte Oracle den Kunden für das kommende Jahr einen gro-ßen Release-Wechsel auf 12.2 in Aussicht, ohne jedoch allzu viele Einzelheiten preiszugeben. Eine Funktionserweiterung wird wohl das Online-Patching sein: "Unsere Kunden fragen schon mehr als 20 Jahre danach", sagte Cliff Godwin, Senior Vice-President Applications Development, dazu. "Wir erwarten, dass das Feature die mit der E-Business-Suite verbundene geplante Downtime erheblich, möglicherweise bis auf wenige Minuten, reduzieren wird."(wh)

Exadata X3

Als wichtige Neuankündigung auf der OpenWorld hatte Oracle-Chef Ellison auch "X3", die dritte Generation der Datenbank-Appliance Exadata, im Gepäck. Er bezeichnete sie als "In-Memory-Machine": Ein Rack bietet 26 Terabyte Hauptspeicher (4 Terabyte davon DRAM, die restlichen 22 Flash-Cache). Dank Kompression soll damit eine Datenbank in der Größe bis zu 220 Terabyte vorgehalten werden können. Ellison sprach in diesem Kontext von einem "heuristisch-hierarchischen Speicher". Exadata X3 sei das weltweit schnellste System fürs Business, das Kunden zu einem Einstiegspreis von weniger als 200.000 Dollar erwerben könnten.