IDC-Prognosen für den Mikromarkt:

Auch die Großen sind nicht allmächtig

30.03.1984

BOSTON (kul) - Rückläufige Tendenz werden dieses Jahr endgültig die IBM-Rechner der Serien 90, 370 und 3 0 verzeichnen. Dies ist eine der Kernaussagen der International Data Corp. (IDC) für 1984. Weiterer Themenschwerpunkt der 19. Jahrestagung der Informationsverarbeitenden Industrie. die unter der Schirmherrschaft des Bostoner Marktforschungsinstituts stattfand: die Situation bei Apple und Tandy. IBM, erklärten die IDC-Experten, müsse sich auf eine verstärkte Konkurrenz auf dem Mikrocomputermarkt einstellen und AT&T werde sich unter Umständen nicht dagegen schätzen können. in die "roten Zahlen" zu rutschen.

Wurde der IBM PC von vielen Medien letztes Jahr als dominierendes Produkt auf dem Kleincomputermarkt angesehen, so erwies sich diese Euphorie als verfrüht. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Big Blue dieses Jahr neben anderen Produkten ein anspruchsvolles System auf Basis des IAPX 286-Prozessors von Intel vorstellen. Dabei darf der Marktführer nach Ansicht der amerikanischen Marktforscher jedoch nicht seine steckerkompatiblen Konkurrenten Apple und Tandy unterschätzen.

Apple prognostizieren die IDC-Experten rosige Zeiten. Für Macintosh und Lisa kann der Hersteller mit guten Absatzzahlen rechnen. Bei AT&T hingegen stellt sich die Situation IDC zufolge nicht so positiv dar. Zwar will der amerikanische Großkonzern "Workstations", kleine Prozessoren, verbesserte Telefonschalter und Netzwerkprodukte auf den Markt bringen, doch rechnen Industrieexperten damit, daß die etablierten DV-Anbieter ihren Konkurrenten in den Bereich der "roten Zahlen" zurückzudrängen versuchen.

Vielfach unterschätzt werde immer noch die Bedeutung des Home-Computer-Markts, bescheinigt das IDC-Institut. Hier bestehe besonders eine starke Nachfrage nach anspruchsvolleren Systemen. Außerdem gebe es eindeutig einen Bedarf an professionellen und "Business" Systemen für den Hausgebrauch.

Verschiedene Anbieter werden, so die Prognose von IDC, dieses Jahr verstärkt Produkte auf Basis der CMOS-Technologie ankündigen. Im Vergleich zu den herkömmlichen Verfahren verbraucht CMOS weniger Energie und, erzeugt nicht so viel Hitze.

Bei den "neuen Technologien" stehen die optische Speicherplatte und Ausbildungssoftware im Mittelpunkt des Geschehens.

Nicht mehr aufzuhalten ist nach Aussage von IDC die rückläufige Tendenz bei den Maschinen der Serien 360, 370 und 3080. Diese Systemarchitektur bekommt jetzt verstärkt den Druck der Supercomputer von oben und den der Mini- und Personal Computer von unten zu spüren. Außerdem macht sich IBM in diesem Bereich mit eigenen Produkten Konkurrenz. Eine neue Prozessorfamilie wäre im Hause Big Blue längst fällig.

Mehr Multiprozessoren sollen 1984 angekündigt werden. Weiter weist IDC darauf hin, daß der Benutzer von dieser Entwicklung profitieren kann, indem er neue Erzeugnisse wie Netzwerkprodukte und Spezialsysteme von relativ unbekannten oder bereits etablierten Anbietern kauft.

Der Bedarf an Datenbankmaschinen - als Basis dient hier meist ein relationales Modell - wird steigen und, so meint IDC, Hemmschwellen und Akzeptanzprobleme bei den Benutzern scheinen endlich überwunden.

Daß Ada aus dem Dornröschenschlaf erwacht, prognostizieren die amerikanischen Experten für den Bereich der Programmiersprachen. Hier boten sich über die Anwendung im Militärbereich hinaus, für die Ada ursprünglich konzipiert war, viele Einsatzmöglichkeiten, so daß eine Alternative zu Cobol, Fortran und PL/1 entstehe.

Die IEEE 802-Standards für lokale Netze werden sich 1984 als bedeutende Macht in der Industrie entpuppen - auch hier sieht IDC also neue Tendenzen. Die Normen für das Basisband CSMA/CD (802,3) und den Breitbandbus (804,4) werden verabschiedet und finden noch in diesem Jahr bei neuen Produkten Anwendung.

Eine eindeutige Ausrichtung auf Unix findet bei den Betriebssystemen nicht statt. Unix ist natürlich auch weiterhin nicht ohne Bedeutung, vor allem im Bereich Programmierung. Für den Endbenutzer stellt es sich jedoch keineswegs als ideales System dar, lautet das IDC-Resultat.

Der gegenwärte Engpaß auf dem Halbleitermarkt besteht nur vorübergehend. Wenn die derzeit üblichen Verhaltensweisen Horten und Hamsterkäufe aufhören, sollte er bis Mitte des Jahres überwunden sein. Vielleicht, so die IDC-Experten, kommen die Anbieter sogar zu dem Schluß, daß sie gar nicht so viele Chips brauchen wie angenommen. Diese Entwicklung würde zu einem merklichen Nachlassen der Preise führen, das sich bereits im kommenden Herbst bemerkbar machen dürfte.