Projekt-Management-Tools helfen bei der Kostenermittlung

Auch abgebrochene Projekte sehr systematisch auswerten

29.11.1991

Projekt-Management-Tools unterstützen im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse die Arbeit des Projektteams. Michael Hoffmann* analysiert die Möglichkeiten, die diese Tools im Bereich der Kostenverwaltung und des -Managements leisten.

Ein vollständiger Vergleich kann und soll nicht Ziel dieses Artikels sein - solche Vergleiche liegen in großer Zahl vor. Vielmehr geht es darum, die Leistungsfähigkeit und Grenzen von Tools aus dem Blickwinkel langjähriger Projekterfahrungen zu betrachten.

Aus Abbildung 1 ist erkennbar, daß ein Projekt-Management-Tool die Arbeit des Teams nur innerhalb des Blockes "Entstehungskosten" unterstützt. Nur diese gelten als Projektkosten im eigentlichen Sinne. Informationen über laufende Kosten und Nutzen müssen aus anderen Quellen kommen.

Die gängigen PC-Tools bieten eine mehr oder weniger ausgefeilte Kostenzuordnung zu den einzelnen Aktivitäten. Personalkosten werden auf Stunden- beziehungsweise Tagesbasis bei den Ressourcen-Stammdaten erfaßt. Bei der Zuweisung der Planarbeit dieser Ressource zum einzelnen Vorgang lassen sich dann die Kosten für diesen Vorgang berechnen.

Probleme beim Splitting

Problematisch wird es, wenn ein Mitarbeiter an verschiedenen Aktivitäten zu unterschiedlichen Stundensätzen arbeitet. Hier bieten die meisten Systeme (ausgenommen "Super-Project-Expert") nur die Möglichkeit, für diese Person mit abgewandeltem Namen einen zweiten Stammsatz anzulegen. Damit geht aber die Möglichkeit der automatischen Überlastungskontrolle beziehungsweise des Ressourcenausgleiches verloren, da das System nicht weiß, daß es sich um ein und dieselbe Person handelt.

Ein weiteres Problem entsteht, wenn sich die Kostensätze im Laufe der Projektzeit ändern. Die meisten Systeme akzeptieren eine Veränderung des Stundensatzes und berechnen alle Arbeiten ab dem Änderungszeitpunkt auf der neuen Basis. Dies reicht aber für eine frühzeitige Berechnung nicht aus. Wenn zum Beispiel seit April bekannt ist, daß ab 1.Juli die Stundensätze steigen, dann kann diese Information nicht schon im April verarbeitet werden.

Sicher fallen dem findigen Anwender Hilfskonstruktionen ein, mit denen sich dieses Problem lösen läßt, aber ein Tool sollte auch ohne Hilfsmittel die gewünschten Informationen liefern.

Speziell aus der Sicht einer Unternehmensberatung kommt der Wunsch, pro Mitarbeiter zwei oder noch mehr unterschiedliche Kostensätze zu führen: den externen Stundensatz, der dem Kunden in Rechnung gestellt, und den internen Satz, nach dem der Mitarbeiter hausintern abgerechnet wird, um damit eine Basis für die projektbezogene Deckungsbeitragsrechnung zu haben. Dieser Wunsch ist aber offensichtlich so speziell, daß keines der gängigen Tools eine Unterstützung in dieser Richtung anbietet.

Wie bei jeder Art von Standardsoftware ist es auch bei Projekt-Management-Tools unabdingbar, sich vor der Anschaffung zu vergewissern, daß die im Unternehmen benötigten Funktionen tatsächlich abgedeckt werden.

Detaillierte Kostenzuweisung

Über die Personalkosten hinaus lassen die Systeme weitere Kostenarten zu. Sehr differenziert geht hier "Timeline" vor, das neben den Ressourcen auch Fixkosten, Einheitskosten und variable Kosten kennt.

Einige Systeme lassen Kostenzuweisungen nur auf der Ebene der Elementarvorgänge gelten, andere Systeme sind flexibler. So können beispielsweise die Kosten für die Miete eines Bürocontainers, in welchem das Realisierungsteam arbeitet, der Realisierungsphase zugeordnet werden. Alle gängigen Systeme bieten eine Aggregation der Kosten auf Vorgangsgruppenebene bis zur Summation über das gesamte Projekt hinweg, wie in Abbildung 2 dargestellt ist. Einige Systeme lassen zudem eine genauere Unterscheidung nach einzelnen Kostenarten zu.

Für eine Kostenanalyse auf der Basis dieser Struktur reicht das. In der Regel werden jedoch auch Kostenanalysen nach anderen Gesichtspunkten gefordert.

Wird in einem Projekt ein komplexeres System erstellt, so läßt sich, wie in Abbildung 3 gezeigt, die Kostenstruktur zum einen nach Subsystemen, zum anderen nach Phasen über das Gesamtprojekt hinweg betrachten. Beide Strukturen können simultan nicht in einem Projektstrukturplan dargestellt werden. Daher erfolgt auch immer nur für die gewählte Struktur die Aggregation.

Die Stärke der Projekt-Management-Tools liegt bei der Terminrechnung auf Netzplanbasis, der Ressourcenkontrolle und der grafischen Darstellungsmöglichkeiten in Form von Netz-, Balken- und Projektstrukturplänen sowie Ressourcenauslastungs-Diagrammen.

Die Ermittlung der Gesamtprojektkosten ist mit den oben beschriebenen Einschränkungen sicherlich eine Hilfe. Doch einer differenzierten Kostenstrukturanalyse sind jedoch recht enge Grenzen gesetzt.

Einen Weg aus diesem Dilemma bietet eine von allen gängigen Systemen unterstützte Schnittstelle zur Tabellenkalkulation oder zur Datenbank. In diesen Systemen ist dann eine Strukturanalyse nach allen gewünschten Gesichtspunkten möglich, ohne die vorhandenen Daten nochmals in einem anderen System erfassen zu müssen. Offenheit zu anderen Systemen (Tabellenkalkulation, Datenbank) ist ein Muß für Projekt-Management-Tools.

Welche Möglichkeiten der Kostenbetrachtung bieten nun die Tools außerdem? Die Kosten werden im wesentlichen an die Aktivitäten angehängt und von dort aggregiert. Tools unterstützen eine Betrachtung der Aktivitäten und damit auch die der Kostenentwicklung entlang einer Zeitachse.

Diese Sichtweise zeigt, wann welche Mittel bereitgestellt werden müssen. Speziell bei ausgabewirksamen Kosten ist diese Information nützlich. Eine weitere Variante besteht darin, daß die Tools Vorgänge sortieren.

Einige Tools bieten Selektions- oder Filtermöglichkeiten an. Damit können die Projektmitarbeiter auschließlich Vorgänge betrachten, deren Kosten ein bestimmtes Limit überschreiten.

Ohne Aufwandsschätzung lassen sich keine Aussagen über Kosten machen. Welche Hilfe bieten nun Projekt-Management-Tools im Rahmen dieses Themas? Der Beitrag will jetzt nicht auf spezielle Softwareprodukte wie Estimcs (Computer Associates) oder "PMS" (Hoskyns) eingehen, sondern die Möglichkeiten betrachten, die die eigentlichen Projekt-Management-Tools bieten.

Eine Aufwandsschätzung geht, wenn sie nicht "aus dem hohlen Bauch" erfolgt, immer auf Werte der Vergangenheit ein. Dabei sollte das Projektteam nicht Schätz- sondern Ist-beziehungsweise bereinigte Ist-Werte berücksichtigen, sonst wiederholen sich Schätzfehler.

Werden nun Projekt-Management-Tools nicht nur zur Planung, sondern auch zur Verfolgung eines Projektes eingesetzt - die reine Verwendung zur Planung erscheint ohnehin nicht sinnvoll - so lassen sich die gewünschten Ist-Werte erfassen. Damit stehen diese auch in Zukunft zur Verfügung.

Leider ist damit die Problematik der Aufwandsschätzung noch nicht vollständig gelöst, weil im allgemeinen Schätzwerte abverlangt werden, bevor die differenzierte Planung eines Projektes begonnen hat. Diese erfolgt üblicherweise während des Grobkonzeptes, die erste Schätzung soll aber spätestens nach der Vorstudie vorliegen. Der Projektleiter wird also auf eine Schätzung mit der Function-Point-Methode (IBM 1983) Data-Point-Methode (Sneed 1990), der Methode nach dem Cocomo Constructiv Cost Model (Boehm 1981), der Prozentsatzmethode oder einem ähnlichen Verfahren zugreifen müssen.

In der Regel kommen höhere Worte zum Tragen

Es sei jedoch am Rande bemerkt, daß ein reines Betrachten der Ist-Werte zu unkorrekten Ergebnissen führt. Die Projektmitarbeiter sollten deshalb analysieren, warum die Abweichungen eintreten.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse: Durch die Projektverfolgung werden Abweichungen zu den ursprünglich geplanten Werten transparent. Damit läßt sich beim Eintreten von Abweichungen hochrechnen, wie sich diese auf das Gesamtprojekt auswirken.

Daraus resultieren frühzeitig Informationen, die die ursprüngliche Kosten-Nutzen-Analyse unter Umständen zum "Kippen" bringt, da im Block der Entstehungskosten nun andere - in der Regel höhere - Werte zum Tragen kommen.

Diese Information ist entscheidend, weil sie im Extremfall zum Abbruch des Projektes führt, ja sogar führen sollte, wenn die nun prognostizierten Kosten zum erwarteten Nutzen in keinem wirtschaftlichen Verhältnis mehr stehen.

Hoher Nutzen bei genauer Datenpflege

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als könnten Projekt-Management-Tools im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse nur geringe Unterstützung leisten. Was die laufenden Kosten und den Nutzen anbelangt, ist dieser erste Eindruck sicherlich richtig.

Bei den Entstehungskosten sieht es schon besser aus.

Durch die Unterstützung beim Aufbau einer "Cost-Data-Base" leisten die Tools einen wertvollen Beitrag zur Ermittlung realistischer Aufwände und Kosten. Voraussetzung hierfür ist eine systematische Auswertung abgeschlossener - auch abgebrochener - Projekte.

Darüber hinaus liefern sie bei konsequenter Projektverfolgung Signale, wann die ursprünglich angestellte Kosten-Nutzen-Analyse nicht mehr tragfähig ist und somit neu überdacht werden muß.

Selbstverständlich sind die Ergebnisse, die ein Tool liefern kann, nie besser als die Informationen, die in das Tool einfließen.

Also: Je besser das Projektteam seine Daten pflegt, desto mehr Nutzen zieht es aus der Verwendung des Tools.

*Michael Hofmann ist bei der Integrata AG, Tübingen, Schulungsbereich Methoden, Verfahren und CASE als Cheftrainer tätig.