AS/400 mit Power-PC-CPU in Sicht IBM bugsiert /36-Anwender mit sanftem Druck in die AS/400-Welt

07.10.1994

MAINZ (wm) - Die IBM wird in der AS/400 einen RISC-Prozessor einsetzen, der eng verwandt mit der hauseigenen Power-PC-CPU ist. Betriebssystem beim ersten dieser Rechner, der "AS/400 Advanced 36", ist allerdings nicht OS/400, sondern das System-Support- Programm (SSP) von IBMs mittlerweile eingestellten Mittelklasserechnern der /36-Klasse.

Die Zielgruppe ist damit klar abgesteckt: Wer bis heute nicht von seinem /36-Rechner lassen wollte, dem wird jetzt eine neue AS/400 mit gewohntem Betriebssystem und den vertrauten Hilfsprogrammen angeboten. Erst 1995 will die IBM auf der AS/400 Advanced 36 auch das Betriebssystem OS/400 anbieten, das dann aber parallel zu SSP laufen soll. Der CW vorliegende Informationen zeigen uebrigens, dass Big Blue gewillt zu sein scheint, seine /36-Anwender mit sanftem Druck auf die AS/400-Plattform zu zwingen. "Es ist eine merkwuerdige Kombination", seufzte ein Marktbeobachter, der seinen Namen nicht genannt wissen will, "eine AS/400 ohne ihr angestammtes Betriebssystem OS/400." Immerhin beweise die IBM damit, dass sie mit Hilfe der Zwischenschicht "Technology Independant Machine Interface" (Timi) tatsaechlich Soft- und Hardware voneinander trennen kann - zumindest soweit, dass Betriebssystem und Applikationen auch mit einer veraenderten Hardware zurechtkommen, diese aber vielleicht nicht zu 100 Prozent ausnutzen (siehe Kasten).

Ausserdem mache IBM damit klar, dass die AS/400 noch eine geraume Zeit weiter angeboten werde und fuer /36-Besitzer der Koenigsweg sei, der zu mehr Leistung und besserer PC-Anbindung fuehre.

Im Juni 1994 hatte sich IBM dessen noch einmal vergewissert: Eine Umfrage unter /36-Anwendern brachte zutage, dass diese sich zuallererst eine neue Version des Betriebssystems wuenschen, die bestehende Leistungsgrenzen oder Fehler beseitigt. Auf den folgenden Plaetzen der Wunschliste lagen der Schutz der Investitionen ("Gebt uns etwas Neues, aber lasst uns das Alte") und mehr Leistung, vor allem bei der Kommunikation mit anderen DV- Systemen und speziell mit PCs.

All das soll die AS/400 Advanced 36 bringen. IBM garantiert die Kompatibilitaet fuer alle /36-Programme - es sei weder eine Veraenderung noch eine Neuuebersetzung noetig. Daten und Programme lassen sich von einem /36-System via Magnetband, Diskette oder Coax-Verbindung auf die AS/400 uebertragen und koennen dort sofort genutzt werden.

Selbst die gesamte Datenmenge des Modells 5360 der /36-Serie laesst sich, so IBM, innerhalb von sechs bis acht Stunden ueberspielen. Die Umstellung sollte damit in einem Tag zu bewerkstelligen sein.

Zusaetzliche Lizenzkosten fuer die neue Version 7 des SSP- Betriebssystems entstehen den Anwendern nicht. Allerdings soll es sich bei der SSP-Variante um eine exakte Konversion von SSP 6.1 handeln, die somit auch nicht ueber nennenswerte zusaetzliche Funktionalitaet verfuegt, schreibt der Infodienst "Computergram".

Wer allerdings neue Hilfsprogramme oder OS/400 nutzen moechte, muss dann doch zum Portemonnaie greifen: Die AS/400 Advanced 36 wird nur mit der Standardsoftware der /36-Baureihe ausgeliefert. Zusaetzlich angeboten werden Compiler fuer die Sprachen RPG II, Cobol, Assembler, Basic und Fortran IV. Hinzu kommen die Hilfsprogramme OCL, POP, WSU, Query/36, BGU, DFU und SEU sowie Systemsoftware wie PC-Support/36 oder Displaywrite/36. Nicht unterstuetzt werden allerdings einige /36-Anhaengsel wie beispielsweise die Drucker 3262 und 5211 oder das Bandlaufwerk 8809.

Die Rechenleistung der neuen AS/400 hat sich laut IBM gegenueber dem Modell 5360D mindestens verdoppelt, im Batch-Betrieb sei eine Steigerung auf das Vier- bis Achtfache moeglich. Hinzu kommen niedrigere Wartungs- und Unterhaltskosten.

1995 will die IBM auch OS/400 fuer die Advanced-36-Systeme anbieten. SSP und OS/400 koennen parallel genutzt werden und kommunizieren mit der Hardware ueber eine einheitliche Zwischenschicht, den "System Licensed Internal Code". Dieser soll dem Microcode aehneln, den IBM zukuenftig in allen AS/400-Modellen nutzen wird. Selbst einem Datenaustausch zwischen den beiden Betriebssystemen oder ihren Applikationen soll nichts im Wege stehen.

Parallel dazu wird OS/400 erweitert. Die heute erhaeltliche Version 3, Release 1 (V3R1), enthaelt bereits ein Sammelsurium aus verschiedenen Unix-Standards. Eingebaut sind Programmodule fuer das Posix-Dateisystem und die Posix-Threads sowie die Software fuer Semaphoren und verteilten Arbeitsspeicher entsprechend dem Spec- 1170-Standard.

Das TCP/IP-Kommunikationsprotokoll basiert auf den Vorgaben aus den Berkeley-Sockets. Innerhalb der naechsten 18 bis 24 Monate sollen weitere Unix-Programmodule folgen, so dass die IBM am Ende etwa 90 Prozent der Spec-1170-Richtlinie erfuellt. Unklar ist aber weiterhin, ob IBM die AS/400 eines fernen Tages ganz auf Spec 1170 ausrichtet, weil nur damit das begehrte Unix-Siegel "X/Open" erhaeltlich ist.

Die heute erreichte Uebernahme von 85 Prozent der Unix- Standardbibliotheken soll nach den Vorstellungen der IBM ausreichen, um unabhaengige Softwarehersteller zu einer Portierung ihrer Software zu animieren. Tom Bittmann, oberster Herr von IBMs Open-Software-Abteilung fuer die AS/400, nennt die stolze Zahl von 40 Herstellern, die zur Zeit Unix-Software auf die AS/400 portieren, darunter allein 25 in Deutschland. Namen wollte er allerdings nicht angeben.

Wie man 48-Bit-Programme automatisch auf einen 64-Bit-Prozessor umstellt

Die AS/400 Advanced 36 arbeitet mit der Power-2-Multichip- Implementation. Diese stellt eine Entwicklungslinie der urspruenglichen Rios-Plattform dar, die IBM 1990 alleine entwickelt hat. Ein technologischer Seitenstrang hiervon ist die gemeinsam von IBM, Motorola und Apple entwickelte Power-PC-CPU. Obwohl der Power-2-Prozessor intern 64 Bit parallel verarbeiten kann, soll die vorhandene AS/400-Software direkt genutzt werden koennen.

Startet man eine 48-Bit-Applikation auf einer RISC-AS/400, dann aktiviert das Betriebssystem den noetigen Compiler. Er uebersetzt die Anwendung neu und speichert sie. Ist dieser Vorgang einmal abgelaufen, sind laut IBM keine weiteren Schritte noetig. Intern arbeiten die AS/400-Compiler naemlich mit einem 128-Bit- Datenmodell, das auf die bisher ueblichen 48-Bit-Prozessoren umgebrochen wurde. Eine Umsetzung auf die 64-Bit-Power-2-CPU laeuft nach dem gleichen Verfahren ab.

Einen Haken hat die Sache allerdings: Fuer die Neuuebersetzung muss der Zwischencode (Program Template) vorliegen, der bei der Uebersetzung des urspruenglichen 48-Bit-Programms erzeugt wurde. Ohne diese Datei ist die automatische Umstellung nicht moeglich. Dann bleibt nur der Weg ueber eine vollstaendige Neuuebersetzung der Software, ausgehend vom Quellcode der Applikation.

Laut IBM sollte der Zwischencode bei 95 Prozent aller Applikationen vorhanden sein; nur wer Festplattenplatz sparen muss oder ein Programm fuer mehrere AS/400 geschrieben habe, habe diesen Zwischencode geloescht.