IBM Deutschland hat 1988 gut gewirtschaftet, aber:

Armonk zieht Milliarden aus Deutschland ab

28.04.1989

HERRENBERG - Die IBM Corporation hat ihre 1988er-Bilanz mit Hilfe deutschen Geldes aufpoliert. Obwohl dadurch die Eigenkapitalausstattung der württembergischen Konzern-Zweigstelle auf den niedrigsten Wert seit 1981 absank, ließ sich die Armonker Zentrale von der deutschen GmbH 1,25 Milliarden Mark als Dividende auszahlen - und borgte sich obendrein einen Millionenbetrag von der Tochter.

Die deutsche IBM-Dependance startet durch: Erstmals seit 1985 zeigt die Erfolgskurve der Stuttgarter wieder erkennbar aufwärts. Der Inlandsumsatz stieg um 5,5 Prozent auf 7,34 Milliarden Mark - den höchsten Betrag seit dem Jahr 1985, als die Weltmarktpreise für Computer wegen des teuren Dollars ihren Zenit erreicht hatten. Auch die für ausländische Schwestergesellschaften bestimmte Produktion der deutschen IBM-Fabriken nahm vom Volumen her erheblich zu. Allerdings ging der Umsatz in diesem Bereich wegen niedrigerer Verrechnungspreise zurück: Mother Blues übrige Töchter konnten 1988 zu Billigpreisen in Stuttgart einkaufen. So fiel auch das Betriebsergebnis deutlich schlechter aus als im Vorjahr: 725 nach 916 Millionen Mark, ein Rückgang um fast 21 Prozent. Auch der Gesamtumsatz blieb mit 11,4 Milliarden Mark um 1,5 Prozent unter dem von 1987.

Ungeachtet ihrer nicht allzu üppigen Rendite wird die deutsche IBM von ihrer amerikanischen Muttergesellschaft kräftig zur Ader gelassen. Satte 1,25 Milliarden Mark zapfte die IBM Corp. 1988 an Dividende ab, wobei die Tochter sogar Steuern sparen konnte.

Theo Waigels Ministerium bekommt aus dem Geschäftsjahr 1988 spärliche 168,8 (1987: 509,6) Millionen Mark, also nur 33 Prozent des Betrags, mit dem Gerhard Stoltenberg voriges Jahr noch disponieren konnte.

Trotz der geringen Steuerbelastung stieg der Jahresüberschuß - also das Geld, das nach dem Zugriff von Fiskus und Muttercompany auf dem Konto der deutschen Filiale bleibt - lediglich um 99,2 Millionen oder 18 Prozent auf 644,6 Millionen Mark.

Mother Blue nahm überdies einen tiefen Schluck aus der schwäbischen Kredit-Pulle: "Mehrere hundert Millionen Mark", so der Stuttgarter Finanzchef Horst Haberzettl, gingen als "Überbrückungsdarlehen" nach Armonk. Ausweislich des Geschäftsberichts handelt es sich dabei um 307,9 Millionen Mark. Um soviel nämlich stiegen die "Forderungen an Gesellschafter", und einzige Gesellschafterin ist - über ihre beiden "IBM World Trade"-Holdings - die lBM Corporation, Armonk/New York.

Als Folge des Geldabflusses in die Staaten sank das Eigenkapital der GmbH um 17 Prozent auf das tiefste Niveau seit acht Jahren - nämlich von 3,5 auf 2,9 Milliarden Mark. Seit einigen Jahren ist die Eigenkapitalquote des Unternehmens kontinuierlich auf dem Rückmarsch: Ende 1981 lag sie bei satten 50 Prozent der Bilanzsumme, Ende 1988 waren es gerade noch 36 Prozent. Um diese Entwicklung nicht so kraß erscheinen zu lassen, griff der Konzern jetzt zu einem bilanztechnischen Kunstgriff: Das Stammkapital wird um 600 Millionen auf 2 Milliarden Mark erhöht, und zwar exakt um jene Gewinnrücklage, die seit 1984 in der Bilanz steht und lediglich einen anderen Teil des Eigenkapitals darstellt.

An Geld für Investitionen mangelt es der IBM Deutschland jedoch nicht. Hier legten die Stuttgarter 7,3 Prozent zu; die bilanzierte Investitionssumme schwoll auf 1,24 Milliarden Mark an. Auf die Modernisierung und Erweiterung der Werke entfielen davon 467 Millionen Mark, 20 Prozent mehr als 1987. Für an Kunden vermietete beziehungsweise verleaste Geräte wurden 442 (Vorjahr: 332) Millionen Mark aufgewandt, dazu 238 (271) Millionen Mark für in der eigenen Organisation eingesetzte DV-Produkte. Auch beim Bilanzposten. "unfertige Erzeugnisse und Leistungen" gab es übrigens ein dickes Plus um 50 Prozent auf 322 Millionen Mark - kein Wunder, denn Generalunternehmer IBM mußte schon viel an Vorleistungen erbringen für das "Amadeus"-Projekt, das erst im nächsten Geschäftsjahr fertig wird.

Die Personalkosten der deutschen IBM gingen 1988 erstmals zurück. Sie sanken von 3,82 auf 3,65 Milliarden Mark, obwohl die durchschnittliche Beschäftigtenzahl mit 30 712 über der des Vorjahres liegt. Dies ist möglich, weil die Zahlungen an Vorruheständler nach dem "Early Retirement Program" zum großen Teil von der Pensionskasse übernommen werden, die aus einem anderen Topf des Konzernbudgets gespeist wird. Für die Versorgung der Frührentner wurden außerdem Rücklagen gebildet, die den Ertrag zusätzlich schmälern.

Das stärkste Umsatzwachstum wies 1988 mit 19,2 Prozent die Sparte Leasing/Miete auf, wobei erstmals das Leasing dominierte; 628 Millionen Mark kassierte Big Blue von seinen Mietkunden, zum Teil über die diesem Bereich zugeschlagene "Software-Teilzahlung". Die Verkaufsumsätze, die im weitesten Sinne mit dem Hardwaregeschäft gleichzusetzen sind, erreichten gut 4 (3,8) Milliarden Mark, entsprechend einem Plus von 5,7 Prozent.

Am langsamsten entwickelte sich die Sparte Dienstleistungen, zu der Software und Wartung gehören. Daß das Ergebnis hier mit 2,7 (2,63) Milliarden Mark nahezu stagnierte, führt Konzernboß Hans-Olaf Henkel in erster Linie auf verlängerte Garantiefristen bei den Geräten zurück. Aus dem Bereich der Anwendungssoftware, den die IBM-Geschäftsführung nicht quantifizierte, kommt nach Einschätzung von Branchen-Insidern bis dato nicht viel Umsatz, zumal die Softwarefabrik im einstigen Werk Hannover noch in der Aufbauphase steckt. So kommen die 1,2 Milliarden Mark Softwareeinnahmen wohl zuallererst aus Big Blues ureigenstem Metier: von der 370-Systemsoftware.