Rotstifte werden gespitzt

Arbeitnehmer bezahlen für die Rezession

28.11.2008
Von pte pte
Das Thema Fachkräftemangel ist vorerst durch: Auch in der IT-Branche setzen Firmen angesichts der konjunkturellen Talfahrt den Rotstift an, bevorzugt bei den Mitarbeitern.

Der konjunkturelle Abschwung hat alle Wirtschaftsbereiche erfasst: Von mächtigen Industriekonzernen bis hin zu Dienstleistern muss eingespart werden, was besonders die Arbeitnehmer zu spüren bekommen. Nachdem die Autobranche bereits vor einem Monat harte Maßnahmen angekündigt hatte, um den drohenden Kollaps zu verhindern, haben sich Jobverlagerungen, Stellenabbau, Arbeitszeitverkürzungen, Einkommensverluste oder Zwangsurlaube nunmehr zur Bedrohung für die Mitarbeiter im gesamten Sekundär- und Tertiärsektor ausgeweitet. Der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zufolge werden die Reallöhne der Arbeitnehmer im kommenden Jahr sinken und hauptsächlich arme Haushalte weniger Geld zur Verfügung haben, wodurch wiederum die Kaufkraft der Bevölkerung zurück geht. Konzerne wie Siemens, die Deutsche Post, Cisco, Google oder Microsoft setzten den Rotstift bereits jetzt an.

"Per Saldo trifft Deutschland im kommenden Jahr ganz klar ein Jobabbau", sagt Christian Dreger, Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), im Gespräch mit pressetext. Die konjunkturelle Entwicklung werde von zwei wesentlichen Faktoren getrieben. Einerseits sorge die schwächelnde Weltkonjunktur für eine Abschwächung der Exportdynamik. Andererseits werde die Kaufkraft etwa durch den Rückgang der Energiepreise tendenziell gestützt. "Aufgrund der schwachen Exportdynamik sehen die Aussichten für Arbeitnehmer in der Industrie nicht gut aus. Während hier mit Beschäftigungsabbau zu rechnen ist, wirkt sich die Stützung der Kaufkraft hingegen positiv auf den Dienstleistungssektor aus, der eher zu Beschäftigungsaufbau tendiert", erklärt der Experte gegenüber pressetext. Der per Saldo erwartete Arbeitsplatzabbau treffe vornehmlich Arbeitnehmer mit Qualifikationsmangel.

In den USA zeigt sich das Wirtschaftsdilemma mit noch deutlicheren Folgen als hierzulande. Nachdem etwa der Internetriese Google seine Mitarbeiterzahl in den vergangenen Jahren auf mehr als 20.000 plus 10.000 Leiharbeiter ausbauen konnte, kündigte Konzern-Chef Eric Schmidt einen Sparkurs an, der die Streichung eines Drittels der Stellen vorsieht. Davon betroffen seien vornehmlich Leiharbeiter, deren Verträge nicht verlängert werden sollen. Konkurrent Microsoft gab ebenfalls bekannt, ein Sparprogramm noch unbekannten Ausmaßes durchführen zu wollen. Darüber hinaus plant der weltgrößte Netzwerkausrüster Cisco, die eigenen Mitarbeiter für knapp eine Woche in Zwangsurlaub zu schicken, wodurch der Konzern bis zu eine Milliarde Dollar einsparen will.

Die stark von der Autoindustrie abhängige Stahlbranche reduziert europaweit Produktionsvolumen und ergreift Sparmaßnahmen wie vorübergehende Betriebsstilllegungen. Neben den Industriekonzernen setzt hierzulande auch der Dienstleister Deutsche Post den Rotstift an: Am Standort Magdeburg sollen Mitarbeiter auf Teilzeitbeschäftigung gesetzt oder in niedrigere Entgeltgruppen gestuft werden. Während das Unternehmen von einem Einzelfall spricht, sieht die Gewerkschaft darin den Beginn eines Sparprogramms. Arbeitnehmervertreter protestieren auch gegen Maßnahmen des Mischkonzerns Siemens, denen zufolge Teile der Buchhaltung nach Prag ausgelagert werden sollen. 280 Mitarbeiter seien betroffen. Am Donnerstag meldete FSC, die künftige Ex-Tochter von Siemens, dass 700 Mitarbeiter in Deutschland entlassen werden. (pte)