No-name-Anbieter schlagen Markenhersteller

Anwender kritisieren den Vertrieb der PC-Hersteller

12.12.1997

Eckart Pech, Analyst des Beratungsunternehmens Diebold, ist der Frage nachgegangen, wie es mit der Professionalität der DV-Hersteller bei Logistik und Vertrieb bestellt ist. Er befragte mehr als 100 IT-Manager und 25 Vertreter von DV-Vertriebsorganisationen über ihre Bedürfnisse und Anforderungen an die IT-Produzenten, ausgehend von einer klassischen DV-Arbeitsplatzausstattung, bestehend aus PC, Monitor und Drucker. Ihn interessierten die Zufriedenheit der Kunden mit dem Lieferanten, die Hauptproblemfelder, die größten Erfolgsfaktoren sowie mögliche Verbesserungspotentiale.

Es zeigte sich, daß lediglich fünf bis zehn Anbieter über einen Endkundenvertrieb verfügen. Meist kommen nur Großabnehmer in den Genuß der Herstellerbetreuung durch die sogenannten Key Account Manager: 17 Prozent der Anwenderunternehmen mit einem Jahresumsatz von 500 Millionen Mark kaufen - wegen erwarteter Mengenrabatte - direkt beim Hersteller, von den kleineren Firmen nur knapp acht Prozent. Für sie ist die räumliche Nähe zum Händler wegen der kürzeren Lieferzeiten wichtiger. Zudem treten häufiger Einzelbestellungen auf, die Beschaffungszyklen sind insgesamt länger.

Vertreiben die Hersteller über Distributoren, dann schließen Großunternehmer mit diesen zu 45 Prozent längerfristige Rahmenverträge, während sich nur 14 Prozent der kleineren Firmen auf einen Großhändler festlegen. Für sie zählt bei der Beschaffung der Tagespreis, 500-Millionen-Mark-Firmen erwarten, daß die Systeme - zeitaufwendig - nach ihren Vorgaben konfiguriert werden.

Die Topkriterien für IT-Vertriebsorganisationen sind, so das Votum der Befragten, Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Service, Preis sowie die vertriebliche Betreuung, also das Anbieten maßgeschneiderter Lösungen. Ein breites Produktangebot und ein gutes Image der Hersteller sind den Anwendern weniger wichtig. Die Entscheidung zugunsten eines bestimmten Herstellers fällen die Kunden nach "Aspekten, die die Nachkaufphase betreffen", so Pech.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen allerdings auseinander: 52 Prozent der befragten DV-Chefs monierten die viel zu lange Wartezeit auf bestellte Ware. Bei der Betrachtung der einzelnen PC-Marken ergibt die Diebold-Studie ein ähnliches Bild wie die Servicestudie der COMPUTERWOCHE (siehe CW Nr. 43 vom 24.Oktober 1997, Seite 9: "Underdogs und Namenlose nicht chancenlos"): Auch hier nimmt Hewlett-Packard unter den renommierten Herstellern den besten Platz ein.

Pech bescheinigt den Böblingern "einen guten Platz im Mittelfeld", wobei zirka 35 Prozent der HP-Lieferungen noch immer länger als zwei Wochen dauern.

Wer bei Siemens-Nixdorf oder Compaq bestellt, muß sich in der Regel auf Wartezeiten von mehr als zwei Wochen einstellen. Beide Firmen rangieren beim Ranking im unteren Mittelfeld.

Noch geduldiger wartet die IBM-Kundschaft auf neue Ware: "In 50 Prozent der Fälle liegt die Lieferzeit von IBM bei mehr als drei Wochen", fand Pech heraus. Big Blue belegt deshalb unter den vier Markenherstellern den letzten Platz.

Anders fiel die Beurteilung der "No-name"-Firmen aus, die in 90 Prozent aller Fälle innerhalb von 14 Tagen liefern. Das Zauberwort heißt hier "Build-to-order"; die auftragsbezogene Fertigung ist bei den kleinen Anbietern schon Realität geworden, die Markenhersteller arbeiten erst an der Umsetzung dieses Konzepts.

Insgesamt kann Pech in puncto Lieferfähigkeit keinen Unterschied zwischen dem direkten und dem indirekten Vertrieb feststellen: "Auch bei Direktvertreibern wirkt sich die Nichtverfügbarkeit von Einzelkomponenten erheblich auf die Lieferzeit aus." Der Diebold-Analyst ging auch der Frage nach, wie es um die Termintreue der Lieferanten bestellt ist, und fand eine ähnliche Konstellation wie bei den Lieferfristen. Die No-names haben auch hier die Nase vorn: Mehr als 80 Prozent der Befragten gaben diesen Lieferanten die Note gut oder sehr gut. Pech führt dies auf die Kundennähe und den persönlichen Kontakt zurück. Schon allein aus diesen Gründen könnten sich kleinere Anbieter Nachlässigkeiten kaum leisten.

Von den Markenherstellern erfüllt nur HP mit knapp 70 Prozent guten und sehr guten Bewertungen das Kriterium Termintreue. SNI und Compaq liegen im Mittelfeld, IBM bildet wiederum das Schlußlicht. Einige Anwender bemängelten, daß IBM-Händler keine Termine zusichern können, da der Hersteller über seine Lieferzeiten keine Angaben mache. Die Ergebnisse in den Bereichen Lieferzeiten und Termintreue deuten darauf hin, daß die Produzenten mit Defiziten in ihren Logistikprozessen zu kämpfen haben.

Pech rät den Herstellern, sich bald den Vertriebs- und Logistikproblemen zu widmen, da die Kundschaft mit zunehmender Reife des IT-Marktes mehr Leistung von ihren Distributoren verlangen wird. Ein gut organisierter Vertrieb bietet nach Ansicht von Pech gewaltige Wachstumschancen und beugt neuer Konkurrenz am Markt vor. "Er wird für manche Anbieter auch zur Überlebensfrage", befürchtet der Analyst.