KOLUMNE

Anwender: im Unix-Krieg die Dummen

25.05.1990

Nun wissen wir´s also: Die DV-Hersteller lügen bei Erklärungen über ihre Unix-Absichten wie gedruckt. Beinahe auf den Tag genau vor zwei Jahren wurde die "Open Software Foundation" (OSF) von IBM, DEC, HP/Apollo, Siemens, Nixdorf, Philips und Bull gegründet. Es ist interessant, noch einmal nachzulesen, wie die OSF-Väter den Schritt begründeten: "Die Errichtung dieser Stiftung ist die Antwort auf das drängende Verlangen nach einer offenen, vernünftigen und gerechten Vorgehensweise, um die Standards zu schaffen, die unsere Kunden verlangen und die ihre langfristigen Investitionen schützen." Dieser Satz stand in einer Pressemitteilung der OSF. Ach, hätten IBM & Co. doch geschwiegen.

Ohne rot zu werden, räumen OSF-Insider heute ein, daß das Kartell als politisches Instrument gegen die vermeintlich zu rüden Unix-Lizenzpraktiken des Telefonriesen AT&T fungieren sollte. Das klang vor dem Scheitern der Verhandlungen zwischen der OSF und der Unix- International-Gruppe (UI) noch ganz anders (vgl. CW Nr.16 vom 20.April 1990, Seite 1: "Unix-Anwender werden sich mit zwei Standards abfinden müssen"). Entsprechend groß ist jetzt die Verstimmung bei den Anwendern (siehe auch Thema der Woche, Seite 7).

Daß sich die Unix-Seifenoper zu einem Skandal auszuwachsen droht, haben allein die Hersteller zu verantworten. Angesichts des Interessenkonflikts war das Patt zwischen OSF und UI vorhersehbar. Auch zieht die Entschuldigung nicht, man würde sich dem Schiedsspruch der Dachorganisation X/Open jederzeit unterordnen. Eine klare Beurteilung des Status quo in bezug, auf einen einheitlichen Unix-Standard hat sich die X/Open bisher versagt - verständlich, sitzen doch sowohl OSF-Fans als auch UI-Anhänger im X/Open-Board.

Die Lage ist verworren. Als Moderator in Sachen Unix scheint X/Open überfordert. Jetzt kommt es darauf an, daß die Anwender die Zügel selbst in die Hand nehmen, die Probleme beim Namen nennen und die Schuldigen anprangern. Hersteller-Unabhängigkeit liegt doch in ihrem ureigensten Interesse.