Angesichts der gigantischen Staatsschulden Steuererhöhungen geringeres Übel für US-Computerbranche

17.08.1990

FRAMINGHAM (IDG/CW) - Das schwindelerregende Defizit des US-Haushalts droht die Regierung handlungsunfähig zu machen, gefährdet aber auch den Bestand der amerikanischen DV-Industrie. Bei deren Vertretern herrscht Einigkeit, daß ein Schuldenabbau unter allen Umständen not tut. Über den Weg dorthin existieren gleichwohl unterschiedliche Ansichten.

Dreimal höhere Kapitalkosten als in Japan, beklagt sich Scott McNealy, CEO von Sun Microsystems Inc., erschwerten den Wettbewerb gegen Nippon Inc. bis zur Aussichtslosigkeit. Unisys-Vice-President Everett Ehrlich hat für die Auswirkungen der von den Staatsschulden hochgedrückten Zinsen gar nur noch Zynismus übrig: Die Schuldnerländer der USA, grantelt er, "sind so damit beschäftigt, amerikanische Anleihen zu kaufen, daß sie kein Geld mehr für unsere Waren haben."

Nicht nur die Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, auch eine immer weiter sinkende Moral im Lande führen die Branchenkapitäne auf die Schuldenlast zurück. Beklagt sich AT&T-CEO Morris Tannenbaum: Das Budgetdefizit hängt über unseren Köpfen wie eine dunkle Wolke. Es ist ein Zeichen unserer Unfähigkeit, das Land zu führen." Einzig Software-Krösus Computer Associates International Inc., im letzten Quartal beim Gewinn um 66 Prozent eingebrochen, hält einen Abbau der Staatsverschuldung für nicht gar so dringend. Präsident Tony Wang: "Die Software-Industrie ist gegen gesamtwirtschaftliche Abschwünge immer relativ immun gewesen."

Den meisten anderen Computer-Managern hingegen verursacht das Budget-Feuer auf dem Dach zunehmende Hitzewellen.

Schon früher in diesem Sommer verabschiedeten die Chefs von elf DV-Unternehmen eine gemeinsame Erklärung In dem Text wird US-Präsident George Bush ausdrücklich für seine Ent-Tabuisierung von Steuererhöhungen gelobt.

Die Unterzeichner, unter ihnen John Akers (IBM), Ken Olsen (DEC), Rod Canion (Compaq) und John Sculley (Apple) fordern Senat und Repräsentantenhaus auf, diese Chance zu ergreifen und einen "sinnvollen Plan zum Abbau des Defizits" zu entwickeln.

Für den Schuldenabbau muß sinnvoller Plan her

Gleichwohl ist die Einigkeit über das Ziel deutlich größer als über die Mittel, es zu erreichen. Ein Knackpunkt der Auseinandersetzungen ist die "Gramm-Rudman-Act". Das Kongreßpapier sieht vor, ab einer bestimmten Größenordnung der Verschuldung - derzeit gilt die Marke von 100 Milliarden Dollar als Grenzwert - automatisch Ausgabenkürzungen einzuleiten. Richard Carpenter, CEO des CASE-Anbieters Index Corp. aus Massachusets, ist dafür, die Akte geltend zu machen, hat gleichwohl Zweifel an ihrer Wirksamkeit: "In ihrer gegenwärtigen Form bietet sie zu viele Hintertüren ."

An einer solchen bastelt der US-Kongreß gerade: Der Grenzwert von 100 Milliarden Dollar soll an die erwartete Verschuldung für 1990 von 190 Milliarden Dollar angenähert werden. Der Münchener Analyst Arnd Wolpers hält eine Anhebung um 50 Milliarden Dollar für realistisch. Allerdings, so Wolpers, gehe es für die US-Regierung sowieso lediglich noch darum, in irgendeiner Form handlungsfähig zu bleiben.

Ausgabenkürzungen werden auch bei angehobenem Grenzwert nötig werden, und vor solchen hat die Branche berechtigte Sorge: "Ich weiß zwar, daß die Regierung etwas tun muß, aber ich weiß auch, daß Regierungsausgaben, besonders für die Verteidigung, die Gesamtwirtschaft dramatisch beeinflussen", orakelt Robert Paluck, Chef der Convex Computer Corp. Er befürchtet nach einer Kürzung der öffentlichen Aufwendungen eine Rezession, die sich in der Branche etwa in Form verminderter Forschungs- und Entwicklungsbemühungen niederschlagen könne.

Als Alternative bleiben Steuererhöhungen, mit denen sich Branchenakteure wie Unisys' Ehrlich resignierend abzufinden scheinen: "Das Defizit muß mit Einkommenssteigerungen bekämpft werden". Seit zehn Jahren sei das die offensichtlich einzige Lösung gewesen, so Ehrlich aus "rein ideologischen Gründen" habe die US-Wirtschaft sich bisher dagegen gesperrt.

Letzten Endes, weiß Suns McNealy, gebe es keine einfache Lösung.

Gemeinsam mit den meisten seiner Kollegen ist er sich über noch eines im klaren: "Die einzige vollkommen falsche Reaktion wäre überhaupt keine Reaktion."