Spottbillig: Linux und Minix

Anbieter von PC-Unix bekommen ernsthafte Low-cost-Konkurrenz

23.04.1993

Beide Unix-Varianten, die im Sourcecode ausgeliefert werden, enthalten nach Angaben der Hersteller keine Programmzeile aus dem Orginal-Unix der AT&T-Tochter Unix System Laboratories (USL). Dabei sind die Entwickler der beiden Betriebssysteme allerdings verschiedene Wege gegangen.

Minix-Lizenzgeber Andrew Tanenbaum hat das Public-Domain-Unix "Version 7" ueberarbeitet, waehrend Linux von einer Reihe Studenten in Anlehnung an Unix System V voellig neu konzipiert worden ist. Demgemaess, finden sich in Minix, das selbst auf 640-K-PCs laeuft, alle von Version 7 bekannten Eigenschaften. Das bedeutet allerdings auch, dass die 54 000 Programmzeilen nicht mehr unbedingt dem Stand der Technik genuegen. Zu Minix existiert ein Buch mit dem Titel "Operating Systems: Design and Implementation", das wie auch die Software von Prentice Hall vermarktet wird.

Wesentlich moderner ist dagegen die Public-Domain-Software "Linux". Nach Angaben der einschlaegigen Compuserve-Mailbox, in der auch die Bezugsquellen genannt sind, entspricht das Betriebssystem den System-V-Richtlinien und erfuellt einen Subset der offenen Posix-Standards. Ausserdem soll es zum BSD-Unix-kompatibel sein. Die Hardwarevoraussetzungen sind ein PC mit 386er- oder 486er- Prozessor, ISA- oder EISA-Bus, sowie 4 MB RAM im alphanumerischen Modus oder 8 MB bei der grafischen Oberflaeche. Letztere entspricht wie Open Look oder Motif den X.11-Richtlinien, Release 5.

Unterstuetzt werden die PC-ueblichen Bildschirmgrafik-Systeme von CGA bis Super-VGA sowie Soundblaster-Karten und die Maeuse von Microsoft, Logitech und IBM. Fuer den Netzbetrieb werden der TCP/IP-Uebertragungsstandard sowie die DFUE-Features von Kermit verwendet.

Das System bietet alle klassischen Unix-Funktionen und gestattet den transparenten Zugriff auf DOS-Partitions. Vor der Freigabe der endgueltigen Fassung (derzeit kursiert die Betaversion 0.99) wollen die Entwickler allerdings noch die Interprozess-Kommunikation mit Semaphoren und Shared Memory optimieren.

Schon jetzt mitgeliefert werden neben der X.11-Oberflaeche und einigen Editoren Entwicklungswerkzeuge, darunter die Gnu-Tools inklusive C-Compiler. Endanwenderprogramme gibt es mit Ausnahme von einigen Spielen allerdings kaum.

Interessenten, die sich die Software nicht zum Telefontarif aus einer Mailbox holen wollen, koennen Linux auch in Kanada bei der Softlanding Software, Victoria, ordern fuer rund 5 Dollar je Diskette.