Aggressive Vermarktungspolitik Big Blues läßt anderen Anbietern kaum Chancen, aber:

3380-Erfolg führte über Stolpersteine

13.09.1985

Mit einer aggressiven Preis-/Produktpolitik hat IBM die 3380-Mitbewerber abgehängt. Noch machen den Kompatiblen diverse Probleme zu schaffen. CW-Redakteur Andreas Dunse zeichnet den Weg der 3380 nach.

Der Vermarktungsvorsprung von IBM im Bereich der Plattenspeicher ließ die Konkurrenz Anfang 1984 in Schwierigkeiten geraten. Geschickt nutzte Big Blue das Fehlen vergleichbarer Produkte am Markt der Speicherperipherie aus: Der Mitbewerb schlug sich noch mit vielfältigen Fertigungsproblemen herum.

Dabei zeichnete sich das nächste Problem für die Anbieter kompatibler Systeme schon ab. In Fachkreisen munkelte man zu diesem Zeitpunkt bereits etwas vom baldigen Auftauchen einer Double-Density-Variante des Dünnfilmsystems auf dem Markt.

Allein beim Absatzerfolg der normalen 3380 verblaßten die Installationsergebnisse des Wettbewerbs. So erreichten beispielsweise in den USA die ausgelieferten 3380-Alternativen lediglich zweistellige Zahlen. Noch erschreckender waren zum damaligen Zeitpunkt die Resultate der bundesdeutschen Peripherie-Anbieter. Traditionalisten wie CDC. Memorex und Storagetek sowie die mit der Vermarktung von Hitachi-Rechnern bekanntgewordene NAS konnten nur eine First-Shipment-Installation anbieten. Siemens war das einzige Unternehmen, das nach eigenen Angaben bereit war, innerhalb absehbarer Zeit ein vergleichbares System anbieten zu können. Schon rund 100 Stück abgesetzt hatte die BASF in, Ludwigshafen, die sich somit wenigstens ein kleines Stück vom 3380-Kuchen sichern konnte. Dabei handelte es sich aber um eine modifizierte 3350 von Hitachi, die - obwohl leistungsmäßig fast gleich mit der 3380 von IBM - jedoch in technischer Hinsicht zurückstand.

Der anschließend ins Leben gerufene Peripherievertrag zwischen Siemens und IBM, der eine Kooperation über Herstellung und Vertrieb von Plattenlaufwerken beinhaltete, war dann für einige Anbieter in diesem Marktsegment ein weiterer Tiefschlag.

Kurios war die Vertriebssituation, auf die sich Siemens damit einließ, waren doch die Münchner nun verpflichtet, sowohl gegen den "OEM" IBM anzutreten als auch gegen den Japanischen CPU-Lieferanten Fujitsu, der in Deutschland durch Amdahl vertreten wird.

Bei den unabhängigen Peripherie-Anbietern indes schlug die Nachricht über die Kooperative im 3380-Geschäft wie eine Bombe ein: CDC, Memorex und Storagetek - alle noch fieberhaft mit der Problemlösung bei der Massenproduktion von Dünnfilmsystemen beschäftigt - wurden durch diesen Schritt nun von zwei Seiten in die Zange genommen. Memorex beispielsweise ließ verlauten, daß dieses Abkommen für manchen bundesdeutschen Hersteller das endgültige Aus bedeuten könnte.

Das erste Unternehmen, auf das diese Prognose (eingeschränkt) zutraf, war Control Data: Anfang Oktober zogen die Frankfurter die Konsequenzen aus dem schwachen Geschäft mit der IBM-kompatiblen Peripherie. Offizielle CDCler führten dies auf den internationalen Preiskampf zurück, doch sprachen Kenner der Szene von ernsthaften Problemen bei der Serienreife der Dünnfilmtechnik. CDC schloß seinerzeit mit Memorex ein Joint-venture.

Anfang 1985 gab es dann die ersten Probleme mit den Dünnfilmköpfen der 3380-Platten von IBM. Die Ursache für den Ausfall nicht weniger Geräte waren Klimaanlagen; bei diesen, so stellte sich heraus, wurde eine Chemikalie zur Wachstumshemmung von Bakterien im stehenden Wasser eingesetzt. Ausgerechnet dieser Bakterienkiller enthielt jedoch unter anderem Zinnoxid, das sich mit der Raumluft verschiedener Rechenzentren vermischte und so auch in den Kühlkreislauf der 3380-Plattenlaufwerke eingedrungen war. Zwar konnten die integrierten Dreistufenfilter bei den Plattensystemen Partikel bis unterhalb des Mikrometer-Bereiches aus der Luft herausfiltern, aber das Zinnoxid nicht zurückhalten.

Was letzten Endes die wirkliche Ursache für die Ausfälle war, darüber schwieg sich allerdings Big Blue aus. Man gab zwar. bekannt, daß bei rund zwei Prozent der 3380 Anwender Fehler in den Laufwerken festgestellt wurden, die auf das Vorhandensein von Zinnoxid zurückgeführt werden könnten; man erklärte sich ferner bereit, die Schäden kostenlos zu beheben, die auf der genannten Ursache basierten. Kurz darauf ließ die IBM Deutschland verlauten, daß man bei den HDAs bislang keine Störungen gefunden habe, die auf organometallische Biozide zurückzuführen seien. Man habe jedoch nach Bekanntwerden dieser Probleme in Europa eine spezielle Projektgruppe gebildet, die das Vorhandensein organischer Zinnoxide untersuche. Bis dahin habe man bei rund 50 Kundeninstallationen Untersuchungen vorgenommen -allerdings mit negativem Ergebnis. IBM empfahl jedoch in einem Atemzug seinen Usern in Europa, bei Klimaanlagen für Rechenzentren, in denen die 3370/75/80 installiert sind, zukünftig keine organometallischen Biozide mit Bis-Tributyl-Zinnoxid mehr zu verwenden.

Kaum vier Wochen später wartete Big Blue mit einer erweiterten 3380 auf: Das Festplattenlaufwerk war nun mit Double-Density-Technik lieferbar. Damit verfügte der Anwender über eine verdoppelte Speicherkapazität im Vergleich zum Vorgängermodell - er mußte dafür auch entsprechend 52 Prozent mehr zahlen. Parallel dazu wurde der monatliche Mietpreis des bisherigen Modells um zehn Prozent gesenkt, wobei IBM eine verbesserte Version ankündigte. Memorex-Marketing-Direktor Stephen W. Martin meinte zu der mit Spannung erwarteten Ankündigung, daß IBM sich mit der Preisfixierung mich so aggressiv wie sonst verhielt.

Im Mai dieses Jahres begann dann die Vermarktung der 3380 von IBM durch Siemens aufgrund des OEM-Vertrages. Der Konzern durfte allerdings die Systeme nicht mehr an IBM-User verkaufen, sondern nur noch an eigene Kunden, die im Besitz IBM-kompatibler 7.800-Systeme von Fujitsu waren, oder an Anwender anderer PCM-Mainframes. Mit dieser Maßnahme unterstrichen dann die beiden Unternehmen auch die oft beschworene Langfristigkeit des seinerzeit geschlossenen Vertrags.

Dabei reagierten vor allem die Vertriebsbeauftragten des Marktführers auf den im Februar '84 geschlossenen Kontrakt sauer, weil die Siemens-Kollegen auch ungeniert bei IBM-Usern akquirieren durften. Endgültigen Zündstoff gab es dann noch wegen der Preiskalkulation: Mußten sich die IBMer noch weitgehend an den Listenpreis halten, brachten die Verkäufer aus München das Kunststück fertig und verkauften die Speicher mit Preisnachlässen bis zu 20 Prozent.