Oracle erschüttert den BI-Markt

09.03.2007
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Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
Mit dem Kauf von Hyperion drängt Oracle in den Markt für Business Intelligence und erhöht den Druck auf seinen Rivalen SAP. Doch der Produktbauchladen schafft Integrationsprobleme.

Rund 3,3 Milliarden Dollar in bar hat Oracle für den Spezialisten für Datenanalysen und Performance-Management Hyperion geboten. Stimmen Börsenaufsicht und Aktionäre zu, wäre es der dreißigste Zukauf, seitdem Oracle-Chef Lawrence Ellison 2003 die feindliche Übernahme des ERP-Konkurrenten Peoplesoft in Angriff nahm. Über 22 Milliarden Dollar ließ sich der Datenbanker seine Einkaufstour bisher kosten. Die Motive dahinter sind grundsätzlich immer dieselben: Aufbau eines zweiten Standbeins neben dem Datenbankgeschäft, der Kampf gegen sinkende Gewinnmargen und fehlendes organisches Wachstum sowie die verbissene Rivalität im Markt für Unternehmenssoftware mit SAP und Microsoft.

Hyperion nicht der erste Kauf

Einen besonderen Fokus legt Oracle dabei in den letzten Jahren auf den lukrativen Markt für Business Intelligence (BI). Obwohl das Unternehmen hier seit langem agiert und eigene Software für Analyse und Reporting rund um seine Datenbank entwickelt, sind es vor allem die Übernahmen von Peoplesoft, Siebel, Sigma Dynamics, Sunopsis und nun Hyperion, die Oracle zum Durchbruch und Wachstum verhelfen sollen.

Foto: BARC

Mit Hyperion schluckt Oracle einen der führenden Anbieter von Software zur Aufbereitung, Analyse/Reporting und Formatierung von Geschäftsinformationen. Hinzu kommen Anwendungen im Finanz-Management für Planung, Budgetierung, Forecasting, die zusammen mit den BI-Produkten den Aufbau durchgängiger (Regelkreis-)Systeme zur Unternehmenssteuerung, neudeutsch: Corporate- oder Enterprise-Performance-Managements (CPM/EPM), ermöglichen soll. Hyperion war in den letzten Jahren ebenfalls auf Einkaufstour gewesen, um Kunden ein möglichst vollständiges Angebot unterbreiten zu können. So setzt sich das heutige Angebot aus Produkten aus mehr als zehn zugekauften Unternehmen zusammen (Appsource, Alcar, Arbor, Brio, Decisioneering, IMRS, Pillar, Razza, Sapling, Sqribe und Upstream). Mit "Hyperion System 9 BI +" hatte das Unternehmen Ende 2005 erstmals eine gemeinsame Produktplattform vorgestellt, die zudem Aufgaben wie die Datenintegration und Stammdaten-Management abdecken soll. Rund 12000 Kunden, darunter 91 der Fortune 100, setzen nach offiziellen Angaben Hyperion-Produkte ein und bescherten dem Unternehmen mit Sitz im kalifornischen Santa Clara im Fiskaljahr 2006 (Ende: Juni 2006) einen Umsatz von 765 Millionen Dollar.

Zudem verfügt Hyperion laut Oracle President and Chief Financial Officer Safra Catz über 450 Millionen Dollar in Barreserven, was den Kaufpreis für Oracle reduziert. Weitere finanzielle Details wollte Catz nicht nennen, zumal man sich gemäß den Bilanzierungsregeln in der "Quiet period" befinde. Dennoch sagte sie, dass die Transaktion Oracles Einnahmen in Finanzjahr 2008 auf einer Non-US-GAAP-Basis um mindestens ein Cent pro Aktie positiv beeinflussen werde.

Zugang zu Finanzabteilungen

Mit dem Kauf von Hyperion könnte Oracle gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. So bekäme Oracle einen besseren Zugang zu den Finanzabteilungen der Großkonzerne, wo Hyperion traditionell eine starke Klientel hat. Bisher hatte der Softwareriese für diese Anwender nur das veraltete Produkt "Oracle Financial Analyser" und die erfolglosen neueren Enterprise-Planungs- und Budgetierungs-Anwendungen im Portfolio. Außerdem könnte Oracle Teile der SAP-Klientel auf seine Seite ziehen, da viele Kunden der Walldorfer im Finanz-Management Anbieter wie Hyperion und andere CPM-Lieferanten favorisieren. Catz erwartet daher von der Übernahme vor allem Umsatzsynergien: "Wir werden zusammen mehr verkaufen können als bisher und neue Märkte angehen."

Oracle sieht sich als Primus

Die Übernahme von Hyperion sei ein weiterer Beitrag zum Aufbau des umfassendsten und offensten Angebots für Unternehmenssoftware in der Industrie, ergänzte Oracle President Charles Phillips mit einem Seitenhieb auf seinen ärgsten Konkurrenten SAP. Und damit nicht genug, sei man nun auch im Markt für BI und EPM/CPM erstklassig. Oracle könne künftig BI und CPM mit fünf Produktkategorien abdecken: BI-Server (Basis für Datenzugriff, Integration und Sicherheit), BI-Tools (Reporting, Publishing, Dashboards), Datenbank und Olap-Engine, Analytische Anwendungen (SCM etc.) sowie operative Anwendungen, in denen die Daten erzeugt werden (ERP, CRM etc). "Zum ersten Mal ist jetzt ein Unternehmen stark in alle fünf Kategorien."

"Wir haben das umfassendste und offenste Angebot für Unternehmenssoftware." Charles Phillips, Oracle-President
"Wir haben das umfassendste und offenste Angebot für Unternehmenssoftware." Charles Phillips, Oracle-President
Foto: Charles Phillips

Ferner gewinne man durch Hyperion eine weltweite BI-Service-Organisation mit über 1900 Mitarbeitern hinzu, so Philips. Diese soll Teil einer eigenen Service-Division für EPM/CPM werden, die der Manager jetzt ankündigte. Hyperions Chief Executive Officer Godfrey Sullivan hatte dem wenig hinzuzufügen. Es sei die richtige Zeit gewesen, um eine strategische Allianz einzugehen. "Oracle ist der beste Partner". Hyperion steuere CPM-Produkte und viel Branchenwissen bei, das zusammen mit dem Oracle-Portfolio ein Best-of-Breed-Angebot entstehen lasse. Hinzu komme, dass Hyperion auf ein Oracle-Partnernetz mit über 275 000 Kunden Zugriff erhalte. BI-Konkurrenten wie Cognos und SAS Institute halten dieser Sichtweise entgegen, dass Anwender gerade beim CPM auf einen unabhängigen Anbieter setzten, da sich nur so eine prozessübergreifende Unternehmenssteuerung aufbauen lasse.

Weiter erklärte Catz, dass es anders als bei den Übernahmen Peoplesoft und Siebel organisatorisch praktisch keine Überschneidungen gebe. "Wir werden die Vertriebsmannschaft erhalten und glauben daher, alles sehr schnell abwickeln zu können". Eine Strategie, die das Unternehmen laut dem Oracle-Experten Mark Rittmann, Consulting Manager beim britischen Beratungshaus Solstoneplus, nicht zum ersten Mal verfolge. Wie bei Siebel und Peoplesoft sei zu erwarten, dass bald Experten von Hyperion in verantwortlichen Positionen säßen und das gesamte BI-Geschäft steuern. Oracle-Manager Philips ergänzte, dass man anders als nach der Siebel-Übernahme nicht erwarte, dass die gemeinsamen Lizenzeinnahmen zurückgingen.

Hyperion top, Oracle flop?

Oracles Einkaufstour sorgt im BI-Segment für erhebliche Überschneidungen im Portfolio. Offiziell erklärte Phillips zu Hyperion jedoch, dass Oracle bisher über kein vergleichbares Produkt zu dessen populären Olap-Server "Essbase" verfüge. Andererseits räumte er dann doch ein, dass man schon etwas hatte, das aber "nicht gut genug für den Markt war". Auch räumte Philips ein, dass die Hyperion-Produkte sich mit den zugekauften BI-Tools von Siebel, die mittlerweile die Basis von Oracles BI-Suiten bilden, sehr wohl überschneiden. Doch habe Oracle bisher kaum etwas für Planung und Budgetierung zu bieten gehabt, wo er die Stärke von Hyperion sieht. Zudem habe sich Oracles Konsolidierungs-Engine, die sich nie wirklich am Markt durchgesetzt.

In ersten Reaktionen betonten Marktbeobachter und Konkurrenten, dass Oracle durch den Kauf von Hyperion das Chaos im eigenen BI-Portfolio perfekt gemacht habe.

Kritik von Analysten

"Die technischen Überschneidungen sind groß", meinte etwa Carsten Bange, Geschäftsführer des Würzburger BARC-Institutes (siehe Tabelle "Überschneidungen im Produktangebot"). Er gehe davon aus, dass bei den Olap-Servern künftig Hyperion Essbase gegenüber "Oracle Olap" den Vorrang erhalte, da Letzterer in den vergangenen Jahren in der übermächtigen relationalen Datenbank eher ein Schattendasein gefristet habe. Bei den Analyse-Frontends gehöre den mit Siebel übernommenen Nquire-Produkten die Zukunft, während Hyperions Produkte, die aus der Brio-Übernahme stammen, wohl nicht mehr weiterentwickelt werden.

Bei den Reporting-Werkzeugen sei eine Prognose schwieriger. So entwickelt Oracle aktuell ein Reporting-Produkt namens "BI Publisher", das mit dem ausgereiften "Production Reporting" in der Hyperion Suite kollidiert. Im Bereich Planung und Konsolidierung werden die Hyperion Produkte "überleben", während die Oracle- beziehungsweise Peoplesoft-Angebote bestenfalls in den ERP-Lösungen aufgehen.

Erst kürzlich hatte Oracle mit der "Oracle BI Suite" versucht, Ordnung in sein Angebot zu bringen. Jetzt müsse es von vorne anfangen, sein undurchsichtiges BI- und CPM-Portfolio zu vereinen und zu rationalisieren, und dann mit anderen Werkzeugen und Applikationen zu integrieren, sagte Bange. "Dies könnte eine ungemütliche Phase für Oracle-Produkte und seine Anwender werden. Deren Einwände könnten die Integrationsbemühungen weiter verlangsamen." Es sei fraglich, ob Oracle die Integration eines neuen Produktportfolios gelinge. Allerdings gibt es Stimmen, die dies auch gar nicht erwarten. So schreibt Oracle-Experte Mark Rittmann in seinem Blog, dass es Oracle heute nur noch um einen Wettlauf mit SAP gehe. Oracle nehme einen Bauchladen aus Tools und Techniken in Kauf, wenn dies dem Ziel diene, die Walldorfer in der Business-Software-Domäne zu schlagen.