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Außer Kontrolle

Chatroulette ist Jugendschützern ein Dorn im Auge

30.03.2010
Klick. Ein Fremder. Mit Maske. Klick. Noch ein Fremder. Schlaftrunken. Klick.

So geht es weiter im Internet-Video-Portal "Chatroulette" - der zur Zeit wohl am meisten diskutierten Seite im Netz. Inzwischen aber sind Jugendschützer auf das noch unkontrollierte Treiben aufmerksam geworden und melden Bedenken an.

"Nach bisherigen Beobachtungen ist die Seite für Kinder und Jugendliche ungeeignet", sagt Thomas Günter von Jugendschutz.net, einer Organisation, die unter anderem mit dem Familienministerium zusammenarbeitet. "Chatroulette" sei aus Sicht des Jugendschutzes problematisch, weil dort auch jugendgefährdende Inhalte wie Pornografie oder Rechtsextremismus gezeigt würden.

Das Prinzip von Chatroulette.com ist einfach: Eine sehr schlichte Website verbindet Unbekannte per Zufallsgenerator rund um den Globus. Völlig Fremde können sich plötzlich mit Hilfe von Webcam und Mikrofon sehen und hören. Wer nicht gefällt, wird mit der Taste F9 weggedrückt. Die Teilnahme ist kostenlos, unverbindlich und anonym: Man muss sich weder anmelden noch registrieren.

Neu bei "Chatroulette" ist, dass die Chatpartner zufällig ausgewählt werden. "Durch die zufällige Verbindung von Teilnehmern besteht das Risiko, dass auch Jugendliche mit Gewalt und Pornografie konfrontiert werden", erklärt Jugendschützer Günter. Wie in unmoderierten Chats oder Messengern bestehe die Gefahr, dass sie belästigt oder beleidigt werden.

Betreiber von Chatroulette.com ist der 17-jährige Schüler Andrej Ternowskij aus Moskau. Der hätte sich diesen Hype wohl nicht träumen lassen, als er die Seite im November 2009 für sich und seine Freunde online stellte. Werbung hat er dafür nur über verschiedene Webforen gemacht. "Gehofft habe ich schon auf einen Erfolg, aber das Ausmaß überwältigt mich", gestand er "Spiegel online". "Anfang November waren da 500 Besucher pro Tag und einen Monat später 50.000. Jetzt liegt Chatroulette bei fast 1,5 Millionen Nutzern."

200 Mails von Interessenten, die seine Idee kaufen wollen, hat der 17-jährige Jungunternehmer inzwischen nach eigenen Angaben bekommen. Skype habe ihn in die Staaten eingeladen und Google habe ihn auch schon kontaktiert. Verkaufen möchte er die Seite aber gar nicht. Momentan verdiene er "ganz gutes Geld dank des kleinen Werbelinks zu einem Dating-Anbieter auf der Seite".

Zwar legen die Regeln von Chatroulette.com fest, dass die Teilnehmer mindestens 16 Jahren alt und ihre Kleider anlassen sollen. Unanständigkeiten sollen mit der erst kürzlich eingerichteten "Report"-Taste geblockt und zugleich gemeldet werden. Doch "der bloße Hinweis darauf reicht nicht aus", hebt Günter ausdrücklich hervor.

Allerdings sind ihm und seinen Kollegen die Hände gebunden. Da "Chatroulette" im Ausland betrieben wird, ist der Jugendschutz von hier aus kaum durchzusetzen. "Wenn es auch in Deutschland über soziale Netzwerke oder große Portale eingebunden wird, die auch Kinder und Jugendliche nutzen, würden wir diese Anbieter bitten, das Angebot nicht weiter zu verbreiten oder zu bewerben", sagt Thomas Günter. "Faktisch können wir nur an den Betreiber von 'Chatroulette' appellieren, Sorge dafür zu tragen, dass Kinder und Jugendliche nicht zugreifen können." (dpa/tc)