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Tiefensee droht Industrie mit Galileo-Neuausschreibung

16.03.2007
Im Streit um das geplante europäische Satelliten- Navigationssystem Galileo hat Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) der Industrie mit einer Neuausschreibung gedroht.

"So kann es auf keinen Fall weitergehen", sagte er am Freitag in Berlin. "Das wird sicher eine Alternative sein, dass man über eine Neuausschreibung nachdenkt." Das Konsortium solle eine letzte Frist bis zum 10. Mai bekommen. Laut Informationen aus Branchenkreisen werden Fortschritte bei Galileo derzeit von den spanischen Industriepartnern blockiert.

Bis auf die spanischen Unternehmen AENA und Hispasat hätten alle Mitglieder des Industriekonsortiums einen Vertrag zur Gründung einer Betreibergesellschaft mit verantwortlichem Ansprechpartner unterschrieben, erfuhr die dpa am Freitag. Den Spaniern gehe es offensichtlich um mehr Einfluss. Alle anderen wollten "lieber früher als später" den Start der Gesellschaft. An dem Konsortium sind neben den beiden spanischen Unternehmen noch die Konzerne Alcatel-Lucent, EADS, Finmeccanica, Inmarsat, TeleOp und Thales beteiligt.

Tiefensee äußerte sich nicht zu Informationen über eine Blockade seitens der spanischen Unternehmen. Er räumte ein, dass eine Einstimmigkeit unter den EU-Mitgliedstaaten über ein Ultimatum und die Suche nach Alternativen für Galileo noch ein schwerer Weg werde. Zur Frage, ob einzelne Regierungen das Projekt blockieren wollten, nahm er nicht Stellung. Die Verzögerung kommt nach Ansicht des Verkehrsministers wegen Eigeninteressen der Firmen zu Stande. "Das ist eine Mischung aus Kooperation und Wettbewerb." Falls das geplante Ultimatum verstreicht, sind nach Ministeriumsangaben viele Alternativen denkbar. Neben der Neuausschreibung könnte dazu eine neue Aufgabenverteilung innerhalb des Konsortiums zählen.

Das Galileo-Projekt befinde sich in einer Krise, sagte Tiefensee. "Das ist ein alarmierender Zustand." Die EU-Kommission solle Alternativen zur Entscheidung für den EU-Verkehrsministerrat im Juni erarbeiten. Am kommenden Donnerstag solle der EU-Verkehrsministerrat diese Pläne beschließen.

Mit dem satellitengestützten Navigationssystem Galileo will Europa die Vormachtstellung der US-Variante GPS (Global Positioning System) brechen. Galileo soll genauer und zuverlässiger arbeiten und vor allem für zivile Dienste eingesetzt werden. Das System soll die Position eines Gegenstandes auf der Erde mit einer Abweichung von wenigen Zentimetern bestimmen können. Einsatzgebiete sind vor allem der Auto-, Flug- und Schiffsverkehr. Bis 2020 sollen 3,6 Milliarden Empfangsgeräte bedient werden.

EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot will den Ministerrat am kommenden Donnerstag um ein Mandat für Verhandlungen mit dem Konsortium bitten. Er wolle die acht beteiligten Unternehmen auffordern, ein verbessertes Angebot vorzulegen. "Dies ist eine Art Ultimatum an die Industrie", sagte Barrots Sprecher Michele Cercone. (dpa/tc)