Extensible Markup Language (XML)/XML im elektronischen Geschäftsverkehr

Zahlreiche B-to-B-Standards konkurrieren

08.02.2002
Trotz der Vielfalt an unterschiedlichen Formaten hat sich XML als Grundlage des Geschäftsdatenaustausches weitgehend etabliert. Hier ein Überblick darüber, welche Dialekte und Standards sich in Industrie und Handel durchgesetzt haben. Von Matthias Feßenbecker*

Für Anwender ist die B-to-B-Integration beileibe kein Kinderspiel und oft belastet mit kniffligen technischen Problemen. Auf Euphorie folgte bald Ernüchterung. Der Grund: Angesichts einer kaum überschaubaren Vielfalt von Dialekten und Formaten rund um XML kamen Anwender mit ihren E-Business-Projekten kaum voran. Da tauchte stets die Frage auf: Wer erleichtert es uns, Produktkataloge ins Netz zu stellen, elektronische Bestellungen anzunehmen und auf gleichem Wege lesbare Rechnungen zu versenden?

Im Dschungel der DokumententypenAuch heute kann von Transparenz noch keine Rede sein. Allein die globale XML-Registry von xml.org fördert mehr als 90 Schemata und Dokumententypen zutage. In der Bibliothek von Biztalk.org sind sogar weit mehr als 450 unterschiedliche Dokumententypen enthalten. Damit nicht genug: Zusätzlich sind Anwender mit vertikalen Standards konfrontiert, die in einzelnen Branchen durchaus eine veritable Alternative darstellen, jedoch spätestens im internationalen oder branchenübergreifenden Handel versagen. Beispielsweise sind zahlreiche Chemieunternehmen mit Standards rund um ChemML für die Anbindung von Zulieferern und Verwertern ausgerüstet. Soll allerdings der Retail-Großhandel mit Endprodukten versorgt werden, stößt die branchentypische Lösung an ihre Grenzen.

Vor einer vergleichbaren Herausforderung steht etwa ein Pharmazieunternehmen, das Verbandskästen zur Erstausstattung von Automobilen liefert. Die Firma, die Handelsbeziehungen im Bereich Consumer Goods unterhält, sieht sich plötzlich mit dem Problem konfrontiert, dass ihre Tochtergesellschaft produktionssynchrone Lieferabrufe eines Automobilherstellers verarbeiten muss, die festgeschriebenen Industriestandards folgen.

Das muss nicht unbedingt zu vollständigem Stillstand führen. Zur reibungslosen Kommunikation der Handelspartner und ihrer unterschiedlichen Datenformate tragen professionelle "Dolmetscher" wie zum Beispiel Frameworks bei. Wie auch bei Biztalk handelt es sich um Toolsets, mit deren Unterstützung sich eigenständig Nachrichten, etwa Kataloginformationen, konstruieren lassen. Ein Großteil der Nachrichtenfamilien wird von SAP vermarktet und hat inzwischen weite Verbreitung erlangt, beispielsweise SAP XML Idocs (Intermediate Document) für die Umsetzung von SAP-Austauschdokumenten in ein XML-Format. Idocs eignen sich für den Datentransfer zwischen SAP-Systemen; bei Nicht-SAP-Anwendern freilich dürften XML-Tags wie <DKNP01DFD> eher für Verwunderung sorgen.

Zwei XML-Dialekte, die von Herstellern getragen und inzwischen in offenen Konsortien weitergepflegt werden, sind xCBL von Commerce One sowie cXML von Ariba. Ursprünglich wurden diese Dokumentenbibliotheken für die Kommunikation mit C1- oder Ariba.Net-Marktplätzen verwendet. Dank der umfassenden Abbildung von Geschäftslogiken erfreuen sich beide Dialekte inzwischen jedoch zunehmender Verbreitung. Beispielsweise wird zurzeit der cXML-Nachfolger UBL von Oasis weiterentwickelt, während Procurement-Spezialist Healy Hudson xCBL-Nachrichten als Basis für die Lieferantenanbindung favorisiert.

Im Vergleich zu Frameworks gehen Initiativen wie Rossettanet und ebXML einen Schritt weiter und definieren neben den Nachrichten auch den Transport sowie komplette Geschäftsprozesse. Rossettanet, vom Umfang der Definition vergleichbar mit den EDI-Empfehlungen der Automobilindustrie, VDA 49xx, ist auf die Branchen-IT und Halbleitertechnologie zugeschnitten. ebXML hingegen, das Nachrichten, Transport und B-to-B-Services definiert, ist branchenübergreifend ausgelegt und gilt als direkte Weiterentwicklung von Edifact.

Biztalk-Community geht neuen WegSind die meisten XML-Normierungsinitiativen lediglich die Wiederholung dessen, was vor Jahren im Zuge der Einführung von Edifact geschah, so geht die Biztalk-Initiative mit der Biztalk-Community einen neuen Weg. Biztalk will nicht Nachrichteninhalte normieren, sondern stellt der XML-Anwendergemeinde ein Repository bereit, in dem jeder seine persönlichen XML-Nachrichten - seien sie proprietär oder einem Standard folgend - veröffentlichen kann. Das Bindeglied ist der Biztalk-Rahmen, der jede Nachricht umschließt und die zum Transport sowie zur Identifizierung notwendigen Metadaten enthält.

Leiden Anwendungen unter dieser Vielfalt von Normierungsansätzen? Bei näherem Hinsehen kaum, denn in der Praxis entwirrt sich der XML-Dialektdschungel schnell. Fakt ist: Nur die wenigsten Unternehmen beginnen auf der grünen Wiese. In der Regel fragen Geschäftspartner XML-Fähigkeiten ab, und rasch einigt man sich auf einen gemeinsamen Nenner. In Deutschland wurden die ersten XML-Projekte von Marktplatz-Anbietern, E-Procurement-Softwareherstellern sowie einzelnen Firmen vorangetrieben, die bereits früh XML-Schnittstellen realisiert hatten. Die beträchtliche Verbreitung von XML unter Internet-Marktplätzen und E-Procurement-Systemanbietern liegt vor allem darin begründet, dass die erforderliche Softwarebasis noch relativ jung ist. Mit anderen Worten: Sie wurde während des XML-Hypes entwickelt und blieb deshalb vom Ballast der Legacy-Technologien (Stichwort: Cobol Inhouse Records) verschont.

Im Rückblick auf die bislang unter XML-Bezug in Deutschland realisierten B-to-B-Projekte kann man folgende Zwischenbilanz ziehen: Aktuell kommt XML nahezu ausschließlich im Umfeld der E-Procurement-Systeme und Marktplatzintegration zum Einsatz. Dabei favorisieren Anwender jene XML-Derivate, denen Hersteller von E-Procurement- und Marktplatz-Software ihren Stempel aufgedrückt haben:

-ARIBA cXML,

-C1 xCBL,

-Healey Hudson eCOS, das sich weitestgehend an den xCBL Standard anlehnt,

-sowie die deutschen Initiativen BMEcat und Opentrans.

In der Praxis werden dabei in erster Linie folgende Geschäftsvorfälle realisiert:

-Bestellung (Purchase Order bei cXML, xCBL, eCOS, Opentrans),

-teilweise Bestellbestätigung (Order Response bei cXML, xCBL, Opentrans),

-Rechnungsstellung (Invoice, cXML, xCBL, eCOS, Opentrans),

-Katalogdaten (BMEcat).

Kein Marktplatz ohne BMEcatTypische Beispiele für Zulieferer, die zur Steigerung ihrer Attraktivität XML-Nachrichten ihrer Kunden verarbeiten, sind der in Ettlingen beheimatete Textil-Mietdienstleister Bardusch sowie Corporate Express. Als klassische Lieferanten von C-Artikeln beziehen beide Unternehmen von den E-Procurement-Systemen ihrer Kunden Abrufe in den Formaten cXML, xCBL oder eCOS und versenden Kataloge etwa im BMEcat-Format.

BMEcat ist ein Katalogstandard des Bundesverbandes für Materialwirtschaft und Einkauf (BME), der sich insbesondere unter deutschen Zulieferern im C-Artikel-Bereich durchgesetzt hat. Die breite Rückendeckung aus der Industrie sowie die deutschen Ursprünge machen BMEcat zu einem nationalen Phänomen, an dem man nicht vorbeikommt. Gleichzeitig reduziert dies die Anzahl der strukturierten Katalogformate, die ein Unternehmen anbieten muss. Angesichts dieser Dominanz wollen alle Marktplatzanbieter BMEcat als Quellformat unterstützen.

Eine mit BMEcat verwandte Familie von Geschäftsdokumenten ist in der Spezifikation Opentrans beschrieben. Obwohl erst jüngst verabschiedet, kann sie bereits einige produktive Projekte vorweisen. Zum Beispiel wickelt die in München ansässige Hoffmann-Werkzeug-Gruppe ihre digitalen Rechnungstransfers zum Maschinenbauer MAN mit Opentrans-Dokumenten ab. Als nächster Schritt ist der Austausch von Bestellungen im Opentrans-Format zwischen den derzeit sieben Tochterfirmen der Hoffmann-Gruppe und ihren Kunden vorgesehen. Dank ihrer Affinität zu BMEcat und der deutschstämmigen Spezifikation ist eine weitere Verbreitung durchaus zu erwarten. Als Format bietet sich Opentrans eher für national operierende Unternehmen an, die in noch nicht hinreichend besetzten Nischen agieren.

Die Einführung von elektronischem Geschäftsdatenaustausch per XML ist vergleichbar mit der Einführung der EDI-Standards. Fakten schaffen freilich die Großen, also jene Unternehmen, die E-Procurement-Systeme einführen. Ihre Lieferanten müssen XML unterstützen, wollen sie die Einkäufer ihrer Kunden nicht vergraulen. Wie bereits zu "EDI-Zeiten" ist dies immer öfter zwingende Voraussetzung, um den Absatz der eigenen Produkte hinreichend gewährleisten zu können.

Bei Marktplätzen kann man zwei Strategien unterscheiden. Marktplätze, die eine marktbeherrschende Rolle einnehmen und meist durch Kooperation der großen OEMs einer Branche entstanden sind, wie etwa "Covisint" (Automotive) oder "CC Chemplorer" (Chemie), setzen ihre eigenen Standards wie den C1 Standard xCBL gegenüber den Lieferanten durch. Andere Marktplätze, deren Umsatz von der Anzahl der durchgeführten Transaktionen abhängt, sind daran interessiert, möglichst viele Lieferanten und Kunden eng einzubinden. Sie erwarten, dass die voll automatisierte Integration für jenen Traffic sorgt, der sich unmittelbar in höherem Umsatz niederschlägt.

So offeriert beispielsweise quiBiq.de seinen Kunden und Lieferanten nicht nur die Integration auf Basis von XML. Auch EDI-Standards, die bei den Lieferanten bereits implementiert sind, werden unterstützt. Eine solche Flexibilität zieht unmittelbaren Nutzen nach sich: Lieferanten lassen sich sehr schnell für diese Marktplätze gewinnen. Sie werden einfach dort abgeholt, wo sie "B-to-B-technisch" stehen. (ws)

*Matthias Feßenbecker ist stellvertretender technischer Leiter bei der Seeburger AG.

Linkshttp://www.biztalk.org

http://www.bmecat.org

http://www.cXML.org (Ariba)

http://www.din.de/set/aktuelles/xmledi.html

http://www.ebxml.org

http://www.opentrans.de

http://www.rosettanet.org

http://www.xCBL.org (Commerce One)

http://www.xmledi.org

Abb: B-to-B-Solution für die Hoffmann-Gruppe

Aufgrund seiner Verwandtschaft mit dem deutschen Katalogstandard BMEcat empfiehlt sich Opentrans eher für national operierende Unternehmen. Obwohl erst jüngst verabschiedet, kann diese Spezifikation bereits einige produktive Projekte vorweisen. Quelle: Seeburger