Trotz allgemeiner Nachrüstung bestehender Software

XML-Boom begünstigt Anbieter mit spezialisierten Produkten

12.11.1999
MÜNCHEN (CW) - Das steigende Interesse an der Extensible Markup Language (XML) äußert sich darin, daß alle möglichen Hersteller ihre bestehende Software um entsprechende Funktionen nachrüsten. Einige neue Produkte zum Erstellen, Speichern und Publizieren strukturierter Dokumente zeigen aber, daß Nischenanbieter aus dem SGML- und OODB-Umfeld die Chancen des neuen Wachstumsmarktes nutzen können.

Die XML-Euphorie in der Software-Industrie veranlaßt die großen Hersteller, ihre bestehenden Produkte für diese Auszeichnungssprache zu öffnen. So erweitern fast alle Anbieter ihre relationalen Datenbanken um die Fähigkeit, XML-Dokumente speichern und durchsuchen zu können. Am Frontend bemühen sich Microsoft, Lotus und Corel, ihre Office-Pakete für das Publizieren in XML tauglich zu machen.

Erweiterungen sind zum Teil nur BehelfDiese nachträglichen Erweiterungen erweisen sich durchaus als nützlich, beispielsweise für den Datenaustausch, reichen aber nicht für Anwender, die in großem Stil Dokumente im XML-Format publizieren wollen. So tun sich relationale Datenbanken aufgrund ihrer Tabellenorientierung relativ schwer, die Dokumentenbäume komplexer und großer Texte adäquat zu speichern. Am Client wiederum nutzt Office 2000 XML nur zur Hinterlegung von Metadaten innerhalb von HTML-Dateien (siehe CW 34/99, Seite 15).

Diese Situation eröffnet bisherigen Nischenanbietern von SGML-Tools und objektorientierten Datenbanken Chancen in diesem neuen Markt. Sie konzentrieren sich entweder auf Erweiterungen von Produkten etablierter Anbieter oder auf eigenständige spezialisierte Software.

Gleich mehrere Firmen versuchen, mit Add-ons aus Word 2000 einen vollwertigen XML-Editor zu machen. Ein gängiger Ansatz dabei ist es, Formatvorlagen und Felder in XML-Markierungen zu übersetzen. Derartige Funktionen umfaßt das "XML-Framework for Microsoft Office 2000" von Datachannel. Eine weitere Lösung für dieses Problem bietet Interleaf mit "Bladerunner" an, das in Word erstellte Dokumente anhand der Document Type Definition (DTD) validieren kann.

In erster Linie als Ergänzung zu etablierten Produkten positioniert auch Arbortext seine XML-Software "Epic", die mittlerweile in der Version 2.0 erschienen ist. Sie erlaubt die Konvertierung von Word-Dokumenten in XML und umgekehrt. Vor allem aber läßt sich Epic gängigen Dokumenten- und Content-Management-Systemen vorschalten, um XML-Daten in diesen Systemen zu hinterlegen. Derzeit unterstützt Arbortext die Produkte von Documentum und Poet, geplant sind weitere Adapter unter anderem für Filenet, Lotus Notes und Texcel.

Bei der Erstellung von XML-Dokumenten sieht sich Arbortext nicht nur in einer ergänzenden Funktion, indem es Word zum Editor für strukturierte Texte aufwertet, sondern wartet mit einem eigenen Konkurrenzprodukt auf. Das ursprüngliche SGML-Autorenwerkzeug "Adept" liegt mittlerweile in der Version 8.0 vor und wurde um Unterstützung für den SGML-Abkömmling XML erweitert. Das Tool existiert in den Ausführungen "Editor", "Publisher" und "Architect". Letztere erleichert die Erstellung von DTDs und Stylesheets und ermöglicht die Konfiguration von Adept für Endanwender. Das Zusatzmodul "Willow" leistet die Anbindung an Dokumenten-Management-Systeme.

Über ähnliche Publishing-Werkzeuge verfügt auch Object Design, bekannt vor allem für seine objektorientierte Datenbank "Objectstore". Das XML-Engagement dieser Firma ist freilich nicht untypisch. Hersteller von OO-Datenbanken sehen generell in der Speicherung von XML-Dokumenten eine Chance, aus dem Schatten der relationalen Systeme herauszutreten. ODBMS wurden für die Verwaltung von Objektbäumen entworfen und eignen sich daher besonders für XML-Daten, die in ihrer geparsten Form ebenfalls in einer Baumstruktur vorliegen (siehe CW 42/99, Seite 17). Neben Object Design positioniert daher auch Poet seine Datenbank als Aufbewahrungsort für solche Daten und bietet zudem mit der "E- Catalog-Suite" ein Katalogsystem für die Auswahl, Verwaltung und Verteilung von Produktdaten im XML-Format via Internet an.

Für bestimmte Aufgabenbereiche, beispielsweise reine XML-Publishing-Systeme, können OO-Datenbanken die relationale Konkurrenz ersetzen. In vielen Anwendungsfällen freilich werden diese Nischenprodukte ebenfalls eine ergänzende Rolle spielen. Die im Kontext des Business-Workflow entstehenden Dokumente werden dann zwar weiterhin in relationalen Datenbanken hinterlegt. Da diese aber wesentlich langsamer bei der Rekonstruktion von hierachisch aufgebauten Texten sind als ihre objektorientierten Rivalen, übernehmen letztere eine Art Cache-Funktion und dienen als Zwischenspeicher für das geparste Dokument.

Einige Anbieter von relationalen Datenbanken wollen aufgrund dieser Fakten für die Verwaltung von XML-Dokumenten ihr Portfolio durch spezialisierte Produkte ergänzen. So gab die Software AG, Hersteller des RDBMS "Adabas D", kürzlich den XML-Server "Tamino" frei.