Wunsch und Wirklichkeit

11.07.1986

Spektakuläre Transaktionen, zu denen die soeben geschlossene Ehe zwischen der französischen CGE und der amerikanischen ITT zweifelsohne zählt, haben es an sich, die Phantasie zu beflügeln. Wunsch und Wirklichkeit werden da gerne miteinander verwechselt.

Auf den aktuellen Fall bezogen: Kaum sind die Unterschriften unter dem Zweckbündnis trocken, ist die Rede von der neuen Nummer zwei auf dein internationalen Telecom-Markt, wird so getan, als sei der Gigant schon ein Faktum - und nicht erst ein Papiertiger.

Die neue, noch zu gründende Holding unter französischer Führung und mit einer Restbeteiligung von ITT steht vor einer schweren Aufgabe. Da muß zum einen innerhalb kürzester Zeit ein gut funktionierendes und in internationaler Zusammenarbeit erfahrenes Management gefunden werden. Zur eigentlichen Nagelprobe aber dürfte werden, wie schnell es gelingt, überflüssigen Produktballast abzuwerfen und eine konsistente Angebotspalette auf die Beine zu stehen.

Dies muß zwangsläufig Auswirkungen auf die ITT-Tochtergesellschaften in Europa haben, alle voran auf die Stuttgarter SEL, mit deren relativer Unabhängigkeit es wohl vorbei sein dürfte, auch wenn die Schwaben sich derzeit (noch) in Zweckoptimismus üben.

Zwar erhöhen sich durch die französische Mutter die Absatzchancen des für den Bereich der Öffentlichen Vermittlungstechnik mit viel Forschungsaufwand entwickelten Systems 12 - doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Deren Kehrseite in der privaten Technik heißt "System 12B", B für Bürokommunikation. Trotz der Übernahme von CTM konnte SEL aber hier bisher nicht mit einem durchgängigen Konzept aufwarten. Auf die Lösung dieses Problems Ó la francaise darf man gespannt sein.