Wir monopolisieren den Hardwarebereich nicht

29.04.1977

Mit Heinz Sebiger, Vorstandsvorsitzender der Datev, sprach Dieter Eckbauer

- Der Eindruck dieser Messe ist widersprüchlich. Anfangs die leersten Zufahrtsstraßen, auch leere Hallen. Mittlerweile etwas besser. Auf jeden Fall aber Unsicherheit allenthalben. Wie beurteilen Sie die Situation und mit welchen Erwartungen sind Sie nach Hannover gekommen:

Ich möchte mich diesem allgemeinen Eindruck anschließen, allerdings war der Andrang ernsthafter Besucher am ersten Tag auch in der Vergangenheit nicht sehr groß. Wir als Datev sind ja nicht auf dieser Messe, um zu verkaufen. Wir müssen hier unseren derzeitigen sowie auch den potentiellen Kunden unser Angebot zeigen.

- Ergeben sich aus der Präsenz der Datev auf der Messe Vorteile für das Geschäft oder machen Sie nur eine Verbeugung vor den Mitgliedern - und vor Ihren Zulieferanten?

Wer als Besucher der Hannover Messe ein vergleichendes Angebot sieht, hat selten die Gelegenheit, in so kurzer Zeit so viele Möglichkeiten objektiv gegeneinander abzuwägen. Deshalb gehört die sachliche Information der Datev über ihr Leistungsangebot für unsere Mitglieder einfach dazu. Dies ist auch aus der Sicht unserer Vertriebspolitik hoch zu werten.

- Ihre Organisation betreibt ein großes Rechenzentrum, ist aber dadurch bei der Anpassung des Equipments und des Programm-Angebotes im Vergleich zur Verarbeitung auf MDT-Anlagen unflexibel. Besteht hier die Gefahr, daß Ihr Mitglied in Hannover den neuesten Trend kennenlernt, den er aber von der Datev dann doch nicht so schnell in Dienstleistung umgesetzt bekommt?

Dies ist eine Meinung, die die Realitäten nicht trifft. In der Kanzlei des Steuerberaters ergibt sich keine alternative Fragestellung "MDT oder Rechenzentrum außer Haus". Dies war mit Beginn der DFV bei der Datev 1974 nicht der Fall und die drei Jahre, die mittlerweile verstrichen sind, haben es bestätigt. Diese Frage ist kein Glaubensbekenntnis, sondern ein rein logistisches Problem. Wir haben schon bevor die Technologie dazu die Möglichkeit geboten hat, gesehen, daß es Anwendungserfordernisse gibt, die man sinnvollerweise vor Ort, in der Kanzlei des Steuerberaters erledigt und daß es andere Anforderungen gibt, die man wirtschaftlicher außerhalb erledigt.

- An welche Beispiele denken Sie?

Unsere Steuerrechtsdatenbank mit dem Inhalt einer juristischen Bibliothek. Sie dezentral an 1000 oder 2000, in unserem Fall an 12 000 Orten in der Bundesrepublik zu betreiben, zu pflegen, zu unterhalten wäre unmöglich. Dies ist der typische Fall für eine zentrale Anwendung. Die verbesserten Preisleistungsverhältnisse, die sich etwa aufgrund der jüngsten Preissenkungen für Großcomputer ergeben haben, dürften sogar für bestimmte Anwendungen den Trend zur zentralen Verarbeitung noch verstärken. Es gibt aber Dinge, die man sinnvollerweise draußen machen sollte. Deshalb haben wir die Entwicklung initiiert, in die Kanzlei des Beraters ein intelligentes Terminal zu bringen, das mehr kann, als nur Daten sammeln.

- Es geht hier nicht um die Alternative: eigene MDT-Anlage oder Datenverarbeitung außer Haus. Die Geister scheiden sich doch an der Frage: Wie intelligent soll das Terminal vor Ort sein? Seitdem mit Terminals Verarbeitungsfunktionen vor Ort erschlagen werden können - womit die Hersteller aquirieren - gibt es doch bei Ihren Mitgliedern lautstarke Ausschermanöver: "Zurück zum eigenen Rechenzentrum." Wie wollen Sie diesem Trend begegnen? Sehen Sie ihn überhaupt so?

Wir müssen diesem Trend nicht begegnen; denn wir sehen die Dinge anders, da es sich unter 12 000 Mitgliedern nur um Einzelfälle handelt Grundsätzlich wird der Steuerberater immer seine Hauptaufgabe in der Steuerberatung sehen und seinem Mandanten eine sorgfältige Beratung angedeihen lassen. Wenn nun kleinere Anlagen - etwa MDT-Geräte - technologisch besser werden und die Möglichkeit eröffnen, in der Steuerberatungskanzlei ein Rechenzentrum einzurichten, dann ist doch damit nicht die Konsequenz verbunden, den Steuerberater auf diesen Weg zu locken und seine Kanzlei zum Rechenzentrum umzufunktionieren. Für den Steuerberater ist der Computer ein Werkzeug zur Erfüllung seiner Aufgaben. Je mehr Aufgaben er in die Kanzlei übernimmt, desto mehr muß er dann auch das Umfeld für den wirtschaftlichen Einsatz eines Kleinrechners schaffen. Es bedingt nicht nur eine Hardwareinstallation mit entsprechender Kapitalbindung, es muß dann auch das geschulte Personal vorhanden sein. Es ergeben sich die großen Probleme der Softwareentwicklung, der Softwarepflege - wobei uns ständige Gesetzesänderungen zu Programmänderungen und Programmerweiterungen zwingen. Dazu kommt, daß der technische Fortschritt immer neuere und billigere Geräte auf den Markt bringt und bestehende Anlagen schnell entwertet. All diese Probleme nehmen wir unseren Mitgliedern ab Für die Steuerberatungskanzlei wird die Datenverarbeitung immer Hilfsfunktion bleiben. Deshalb wünscht die Masse der Kollegen gerade von diesen Dingen freigehalten zu werden: Das ist unsere Aufgabe. Solange wir diese Funktion richtig erfüllen, sehe ich keine Schwierigkeiten.

- Im letzten Satz liegt nun das klare Problem und der eigentliche Vorwurf der gegen Groß-EDV vorgebracht wird: Es ist doch offensichtlich so, daß ab einer bestimmten RZ-Größenordnung, ab einer bestimmten Zahl von Benutzern die RZ-Dienstleistung nicht mehr so gut läuft. Fehler, Zeitverzögerungen ermutigen dazu, dann lieber doch allein zu rechnen.

Dies mag für Einzelfälle gelten. Aber gegenüber der Datev werden diese Vorwürfe eben nicht erhoben. Ganz im Gegenteil sind unsere Mitglieder über Zuverlässigkeit und Qualität unserer Erzeugnisse uneingeschränkt zufrieden und begrüßen die Beschleunigungseffekte, die wir in der letzten Zeit durch eine ganze Reihe von Maßnahmen, darunter etwa die Datenfernübertragung, gebracht haben. Die Datev arbeitet immer so schnell wie der Berater es wünscht.

- Vorsichtig lassen Sie anklingen, daß es von draußen Kritik gibt. Wenn wir den drastischen Begriff Zwangsjacke verwenden dürfen, so bilden die Standardpakete, die der Benutzer übernehmen muß und die ihn praktisch in das Datev-Softwarekonzept pressen, einen Ärmel der Zwangsjacke. Der andere Ärmel ist das Datev-Gütesiegel für Hardware: Damit monopolisieren Sie gewissermaßen den Herstellerbereich, wobei dies von der Zahl der Installationen her gesehen immerhin ein beachtlicher Markt für Hersteller ist.

Nehmen wir zuerst den linken Ärmel: Standardisieren der Software als Hineinzwängen in ein Konzept. Wo liegt denn der Schwerpunkt bei den Datev-Auswertungen? Primär beim kaufmännischen Rechnungswesen Hier hat der Anwender trotz strenger gesetzlicher Regelungen über die individuellen Programmöglichkeiten der Datev einen weitgehenden Gestaltungsspielraum. Zum zweiten Ärmel der Zwangsjacke wäre zu sagen, daß die Datev seit Jahren bemüht ist, ihren Mitgliedern ein optimales Hardwareangebot in bezug auf Funktionalität und Kosten nachzuweisen. Wir erreichen dies durch monatelange Tests und können darin keinerlei Monopolcharakter erkennen.

- Unterstellt, es gäbe ein zweites Institut, das genau die gleiche Dienstleistung anbietet: Dieser Service müßte sich von der Software-Entwicklung her genau an den gleichen Rahmen halten. Trotzdem würde das Dienstleistungsangebot dieses zweiten Hauses anders aussehen ...

Es gibt nicht nur ein zweites - es gibt viele Rechenzentren, deren Dienstleistungsangebote bei gewissen Gemeinsamkeiten dennoch durchaus verschieden sind. Es gibt allerdings nur ein genossenschaftliches und auf einen einzigen Berufsstand - nämlich den steuerberatenden - ausgerichtetes Rechenzentrum, und das ist die Datev.