Wie aus einem Programmierer ein Manager wird

04.12.2001
Von Heike Heger
In der IT-Branche wird vieles schneller und unbürokratischer gehandhabt als in anderen Wirtschaftszweigen. Das gilt auch für die Vergabe von Leitungspositionen. Aber Delegieren, Führen und die Übernahme von Verantwortung fallen nicht allen leicht, und auch das Selbst-Management will gelernt sein.

IT-Führungskräften wird einiges abverlangt. Es zählen nicht nur fachliche Qualifikationen wie analytisches Denken oder aktuelles Fach-Know-how. Gefordert werden vor allem auch Soft Skills. Wie informiert, wie delegiert, wie integriert man? Wie gibt man Ziele richtig vor, und wie verfolgt man Maßnahmen? Wann sind Kritikgespräche angebracht? Wie unterstützt man seine Mitarbeiter, ohne permanent zu überwachen?

Die ehemaligen Programmierer Renier Roth (links) und Mirko Heger. Quelle: HLP
Die ehemaligen Programmierer Renier Roth (links) und Mirko Heger. Quelle: HLP

Das alles sind Fragen, die ein Programmierer für die tägliche Arbeit nicht zu wissen braucht - wird er hingegen Manager, sind sie erfolgsentscheidend.

Mirko Heger und Renier Roth sind Entwicklungsleiter in einem IT-Dienstleistungsunternehmen im Rhein-Main-Gebiet. Beide waren noch vor einem Jahr Programmierer - der eine für den SAP-, der andere für den Web-Applikations-Bereich. Im vergangenen Jahr entschlossen sich die Geschäftsführer aufgrund der exzellenten Auftragslage, eine Matrixorganisation mit zweiter Führungsebene einzuführen. Unterhalb der drei Geschäftsführer gibt es heute zwei Entwicklungsleiter, zwei Projektleiter sowie die Personalleitung. Die einstigen Entwickler Heger und Roth übernahmen damit die fachliche und technische Verantwortung und waren zudem für einen kompletten Mitarbeiterstab zuständig.

Dazu der 30-jährige Heger: "Das Delegieren selbst ist dabei nicht das Problem. Aber am Anfang wusste ich gar nicht so genau, wie ich Zielvereinbarungen treffen und an die konsequente Führung überhaupt herangehen soll." Kollege Roth (25) fügt hinzu: "Während man als Programmierer viel Spaß daran hatte, mit neuesten Programmiersprachen und Tools zu arbeiten, gewinnt man jetzt den tiefen Einblick in betriebswirtschaftliche Aufgaben. Die Anforderungen steigen dabei enorm, weil man nicht nur für sich selbst arbeitet, sondern auch als Vorbild dienen möchte." Beide hatten Probleme, Kritik zu äußern. In der Praxis fiel es ihnen deshalb anfangs schwer, den Mitarbeitern klar und deutlich zu vermitteln, wenn Dinge nicht gut gelaufen waren.

Eine weitere Herausforderung stellte die Matrixorganisation des Unternehmens dar. Die beiden Manager mussten die Führung des Teams übernehmen und dafür sorgen, dass jeder Mitarbeiter nach seinen Fähigkeiten und möglichst effizient unter den Projektleitern arbeitet. Das Unternehmen hat die Unsicherheit seiner jungen Führungskräfte erkannt. Mit Hilfe eines Psychologen und Management-Beraters werden seit Anfang des Jahres in verschiedenen ein- bis zweitägigen Seminaren die wesentlichen Führungsfragen herausgearbeitet.

Training für Führungskräfte

"Zielvereinbarungen, Gehaltsverhandlungen, Monitoring, Kritik und Feedback wurden uns während dieser Seminartage in ihrer ganzen Komplexität aufgezeigt", so SAP-Profi Heger. Während die Leiter mittlerweile darin geschult sind, ihre Mitarbeiter nicht einfach zur Arbeit anzutreiben, sondern vor allem zu motivieren und fachlich zu fördern, lernen sie gleichzeitig die Bandbreite des Selbst-Managements kennen: "Plötzlich ist da niemand mehr, der hinter einem steht und sagt: ´Tu dies, tu das´." Hilfe fanden Roth und Heger ebenfalls in den Seminaren. Outlook-Terminpläne, elektronische Aufgabenverteilung und -verfolgung, ausgearbeitete Prioritätenlisten und regelmäßige Projektstatus-Meetings erleichtern das Navigieren durch den Arbeitsberg.

Darüber hinaus wurde im Führungskreis festgelegt, dass rund ein Drittel der Manager-Arbeitszeit ausschließlich für die Personalführung und Weiterbildung vorgesehen ist. Heger konstatiert: "Als Programmierer hast du jahrelang gelernt, dass man sich sehr detailliert und konzentriert - eben Zeile für Zeile - mit einer Sache beschäftigen muss, damit ein exzellentes Ergebnis herauskommt." Als Manager hingegen ist fast das Gegenteil der Fall. Die Projekte, die Zeit und die Kosten stehen im Vordergrund. Dennoch ist sich die Geschäftsleitung des Unternehmens einig, dass der gewählte Weg der beste ist.

 Für einen ehemaligen Programmierer als Vorgesetzten spricht, dass er sich aus Erfahrung gut in die Lage seiner Mitarbeiter hineinversetzen kann. Roth: "Wir sind das fachliche Backup für den Vertrieb bei der Projektakquise und Vertragsgestaltung, wir unterstützen die Projektleiter bei der Durchführung, und wir entscheiden, wann und wie Mitarbeiter in neue Technologien eingearbeitet werden. Das alles können wir nur machen, weil wir tief in der Materie stecken. Damit ist der Betriebswirt völlig überfordert und wird darüber hinaus von den Entwicklern auch nicht fachlich respektiert."

Aufgrund des kleinen und homogenen Teams, das eng zusammenarbeitet, verlief der Aufstieg zur Führungskraft recht problemlos. Auch weil es keine Statussymbole gibt. Mitarbeiter haben nur dann Firmenhandy, Firmenwagen oder ein eigenes Notebook, wenn es für die Arbeit zwingend erforderlich ist. Roth zieht eine positive Bilanz aus einem Jahr Führungsarbeit. "Auch wenn ich dem Programmieren manchmal eine Träne nachweine, die Arbeit als Entwicklungsleiter macht Spaß." Ähnlich sieht es Heger: "Wir haben uns vorgenommen, dass nicht allein die Zahlen stimmen, sondern auch die Mitarbeiter etwas von unserem Teamwork haben. Die Führungsseminare dienen als Stütze und Wegweiser - die Erfahrungen machen wir täglich in der Praxis."