Profis für digitale Räume sind gefragt

Wetterfest mit Liebe zur Natur

08.10.2002
Geoforschern, Umwelt- und Geoinformatikern werden gute Berufschancen prognostiziert. Zwar ist die Stellensuche aufgrund der Konjunkturflaute derzeit auch in diesem Fachgebiet schwierig, doch immer mehr Firmen schätzen das interdisziplinäre Wissen der Absolventen. Von Ina Hönicke

Dass den Geoinformatikern, den Spezialisten für digitale Räume, gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt eingeräumt werden, verwundert nicht: Schließlich sind die Wirtschaftsdaten, die mithilfe von Geoinformationssystemen (GIS) erstellt werden, für Geschäftskunden von großer Bedeutung. Der Versicherer beispielsweise sieht damit, wie groß die Hochwassergefahr in einer Region ist, dem Immobilienmakler erleichtern digital aufbereitete Raumdaten die Suche nach einem geeigneten Gewerbegrundstück.

In der Tat gehören Analyse und Interpretation eines Standorts zu den immer wichtiger werdenden Aufgaben eines Geoinformatikers. So muss er bei der Standortbestimmung eines Einkaufszentrums he-rausfinden, welche Mitbewerber und potenziellen Kunden in dieser Gegend angesiedelt sind und ob der Betrieb eines solchen Zentrums ökologisch überhaupt möglich ist. Wie wichtig eine solche Beurteilung sein kann, zeigt der Fall der Berliner Bank: Eineinhalb Milliarden Euro hat das Finanzinstitut im vergangenen Jahr in Immobilien investiert - kurz darauf war es pleite. Die hochgelobten Immobilien hatten sich als Ladenhüter erwiesen - sanierungsbedürftige Plattenbauten in schlechter Lage. Dazu kam eine völlig veraltete Infrastruktur.

Digitale Stadtplanung

"Das darf eigentlich nicht passieren", erklärt Magda Baumann, Inhaberin des Münchner Unternehmens Geocontor. Um für ihre Auftraggeber festzustellen, ob sich ein geplanter Standort lohnt, verknüpft sie mithilfe von Business-GIS Marktdaten mit Flächendaten und berücksichtigt zusätzlich Informationen aus dem Internet oder von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

Alexander Zipf, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der European Media Laboratory GmbH in Heidelberg tätig ist, erleichtert Geowissenschaftlern, die nicht Informatik studiert haben, die Arbeit: "Wir stellen ihnen Softwarewerkzeuge bereit, mit denen sie ihre Raumplanungsprobleme - ob es sich nun um eine Mülldeponie oder eine Standortanalyse handelt - berechnen können." Darüber hinaus beschäftigen sich die Wissenschaftler des European Media Laboratory, das von der Klaus-Tschira-Stiftung gefördert wird, mit der Entwicklung mobiler Kommunikationssysteme. Dazu gehören unter anderem Navigationssysteme und elektronische Museumsführer für Touristen.

Der Heidelberger Geoinformatiker ist sich sicher, dass das Potenzial der Raumdaten in den Unternehmen noch längst nicht ausgeschöpft ist. Zudem würden die Anwendungen heute nicht mehr analog, sondern digital erstellt - sei es in der Landschafts- und Stadtplanung oder in der Verwaltung. Große Hoffnungen setzt Zipf auch auf die "location based services", die Mobilfunkgeneration mit UMTS, die seiner Meinung nach einen komplett neuen Markt erschließen könnten: "Überall müssen Lösungen realisert werden, und Geoinformatiker sind dafür bestens geeignet."

Jungen Leuten empfiehlt er abzuwägen, ob sie mehr an Software und Methodik oder an einer anwendungsorientierten Arbeitswelt interessiert sind. Im ersten Fall würde sich als Studiengang die reine Geoinformatik, im zweiten Fall kombinierte Studiengänge anbieten. Zipf weist auf den gut gefüllten Lehrplan und die zahlreichen Exkursionen während des Studiums hin. Die Studenten müssten wetterfest sein und sich gern im Freien aufhalten.

Bei den Umweltberufen steht die Präferenz der Industrie fest. Hans Landschulz, Professor für Umwelttechnik am Studienort Rüsselsheim der Fachhochschule (FH) Wiesbaden: "Die Unternehmen suchen vor allem nach ‘Bindestrich-Informatikern’. Sie befürchten, dass reine Informatiker zu sehr auf ihren eigenen Bereich fixiert sind."

Grundsätzlich sei der Bedarf an Umweltinformatikern groß. Unternehmen, Behörden und Verbände würden verstärkt Mitarbeiter benötigen, die mit Umweltschutz und Informatik vertraut sind. Bisher gebe es aber kaum Qualifizierungsangebote. Landschulz: "Der alleinige Studiengang Umweltinformatik wird selten angeboten." Dafür sei das Thema Umwelt in immer mehr Zusatzlehrgängen oder Aufbaustudiengängen zu finden. Zu den Lehrinhalten gehören die Bereiche Umwelttechnik und -Management ebenso wie Umwelt-Controlling oder -informationssysteme.

Geld für den Umweltschutz

Die FH Wiesbaden bietet seit 1995 eine Ausbildung zum "Ingenieur für Umwelttechnik" an. Im Studienplan enthalten sind: Grundlagen der Ingenieurausbildung, umweltgerechtes Produzieren, Umweltverträglichkeitsprüfung, Energiesparkonzepte, Umweltrecht, Umweltanalytik und vieles mehr. "Unsere Studenten sollen nicht nur von begrüßenswertem Eifer beseelt sein, die Umwelt zu schützen. Wer der Umwelt wirklich helfen will, muss naturwissenschaftliche, technische und ökologische Zusammenhänge erkennen", sagt Landschulz. Dass im letzten Semester alle Studenten problemlos einen Job gefunden haben, ist für ihn der Beweis, dass Unternehmen und Behörden mehr und mehr die Wichtigkeit dieser Thematik erkennen.

Volker Wohlgemuth, der an der Universität Hamburg, Forschungsgebiet Umweltinformatik, als auch als Berater für die Ifu Hamburg GmbH tätig ist, teilt diese positive Einstellung nicht ganz: "Selbst wenn die Unternehmen die Brisanz erkennen, sind sie zurzeit nur bedingt bereit, Umweltspezialisten einzustellen." Die Zurückhaltung gelte aber offensichtlich nur für die Einstellung neuer Mitarbeiter - für den betrieblichen Umweltschutz selbst stünden durchaus Mittel zur Verfügung. "Dass die Unternehmen so wenig neue Mitarbeiter suchen, ist gleichzeitig die große Chance für Umweltberater. Qualifizierte Hochschulabsolventen können sich hier eine Nische schaffen", ist Wohlgemuth überzeugt. Zu den Aufgaben eines Umweltberaters gehöre es, Software zu pflegen, die den Umweltschutz unterstützt, Umweltdaten in die bestehenden Informationssysteme zu integrieren sowie Schnittstellen zwischen Anwendungen und Technik zu schaffen.

Für einen anderen Bereich ist der Einsatz eines perfekten Computernetzes geradezu überlebenswichtig: Bei den Georisiken, beispielsweise durch Erdbeben, hängen Menschenleben vom Einsatz komplexer Software ab. Geoforscher Heiner Igel, Projektleiter "Internationales Qualitätsnetz Georisiken" beim Institut für Geophysik der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), untersucht gefährdete Erdbebengebiete: "Die Regionen, in denen mit schweren Erdbeben gerechnet werden muss, sind den Wissenschaftlern bekannt - nur der Zeitpunkt der jeweiligen Katastrophe lässt sich schwer vorhersagen."

Weltweite Zusammenarbeit

Im Jahr 2001 wurde das Seismometer-Netz in Bayern erweitert, um gezielt die Seismizität in Bayern und den angrenzenden Ländern beobachten zu können. In der Erdbeben-Gruppe von Professor Igel sind Physiker, Geologen, Mathematiker, Informatiker und auch Bauingenieure tätig. Igel: "Einer der Bauingenieure kommt aus Peking - das ist für den Wissensaustausch von großem Vorteil." Seiner Meinung nach müssten die Geowissenschaftler weltweit noch enger zusammenarbeiten, nur so könnten die Synergien entsprechend genutzt werden. Die LMU München gehört zu den Universitäten, die im kommenden Jahr einen Bachelor- und einen Master-Studiengang in den Geowissenschaften einführen werden. Die Absolventen können bereits nach drei Jahren einen Hochschulabschluss vorweisen.

Igel ist überzeugt, dass die Geowissenschaften weltweit eine immer wichtigere Rolle einnehmen werden. Schließlich nehmen Überschwemmungen, Vulkanausbrüche, Erdbeben und magnetische Stürme eher zu als ab. Der Erdbebenexperte: "Je mehr die Technik die Wirtschaft und die Umwelt durchdringt, desto mehr werden qualifizierte Spezialisten für mögliche Risiken benötigt. Die Firmen erkennen nach und nach, wie gut und umfassend Geowissenschaftler ausgebildet sind." Für den Beruf in der Geoforschung sollten sich, so Igel, allerdings nur diejenigen entscheiden, die Freude an der Natur und auch die entsprechende Kondition haben. Sie müssen bereit sein, unter widrigen Umständen zu arbeiten: "Wenn für einen Vulkan in Indonesien ein seismisches Netzwerk aufgebaut wird, muss einer der Wissenschaftler bis zu 3000 Meter mit einer Autobatterie auf dem Rücken überwinden." Wer fremde Länder und Kulturen kennen lernen möchte, ist, so Igel, bei den Geowissenschaften am richtigen Platz. Er selbst jedenfalls bedauert, dass seine Arbeit sich zurzeit fast nur am Computer abspielt.

Web-Adressen

Geoinformatiker

www.geodesy.tu-berlin.de

www.geod.uni-bonn.de

www.gi.verm.tu-darmstadt.de

www.tu-dresden.de/fghg/institute.html

www.vermessung.unihannover.de

www.gik.uni-karlsruhe.de

www.fesg.tu-muenchen.de/bv/Vermessungswesen.html

www.fhoev.nrw.de

www.fh-oldenburg.de

(kein Anspruch auf Vollständigkeit)

Umweltinformatiker

www.umwelt-campus.de/kontakt

www.iai.fzk.de/Institut/UI/Mitarbeiter

www.htw-zittau.de/matnat/OEKO/www.html

http://umwelt.uni-lueneburg.de

www.bioinf.cs.uni-potsdam.de

www.fhtw-berlin.de

(kein Anspruch auf Vollständigkeit)