Mangelndes Engagement in den neuen Bundesländern

West-Manager: Die Ostdeutschen sind nicht ausreichend qualifiziert

26.04.1991

DÜSSELDORF (CW) - Westdeutsche Investoren zeigen auffällige Skepsis den neuen Bundesländern gegenüber. Eine Untersuchung der Executive Trust aus der Beratungsgruppe Trust Management Consultants in Düsseldorf setzte sich zum Ziel, Vermutungen und Spekulationen über die Hintergründe für die Zurückhaltung konkrete Aussagen gegenüberzustellen. Ein Ergebnis lautet: Hemmschuh Nummer eins sind die Personalprobleme.

Die vorliegende Untersuchung basiert auf der Auswertung von insgesamt 159 Antworten westdeutscher Unternehmen von Ende 1990. Der überwiegende Teil von ihnen (77 Prozent) schätzen die Chancen und Risiken ihres Engagements in der Ex-DDR verhalten optimistisch ein.

Besonders Personalprobleme dämpfen die Euphorie erheblich und gelten als primäres Hemmnis bei der Realisierung des "DDR"-Engagements. Fehlende Qualifizierung der Mitarbeiter auf allen Ebenen sowie zu hohe Personalbestände in allen Funktionsbereichen sind die Gründe, ebenso wie Schwierigkeiten in der Beschaffung geeigneten Personals oder generelle Probleme mit dem vorhandenen Management.

Die Düsseldorfer Berater schließen daraus, daß der "Investitionsstau" sich dann - abgesehen von juristischen Problemen mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen - reduziere, wenn die Personalsituation in den vormaligen DDR-Betrieben bereinigt ist.

Rückkehrgarantie inklusive

Management-Transfer von marktwirtschaftlich erprobten Fach- und Führungsriegen scheint derzeit eine tragfähige Lösung zu sein. Die Untersuchung ergibt, daß das künftige Management für ostdeutsche Unternehmen über die Hälfte aus Westdeutschland kommt, bei knapp einem Drittel der befragten Unternehmen sogar ausschließlich. Lediglich bei 18,2 Prozent der befragten Unternehmen ist das gesamte zukünftige Management der jeweiligen Unternehmen bereits in der bisherigen DDR vorhanden.

Gegen Skepsis über mangelhafte Infrastruktur und erschwerte Arbeitsbedingungen in den Ost-Bundesländern sollen vielfältige vertragliche Anreize helfen. Für zwei Drittel der westdeutschen Manager stehen Rückkehrgarantien in die entsendenden Unternehmen im Vordergrund, die Hälfte von ihnen besteht auf Sonderzulagen oder Kostenerstattung für regelmäßige Heimreisen sowie die Stellung eines Firmenwagens. Weniger häufig wird dem Wunsch nach Gehaltserhöhungen (25 Prozent) entsprochen oder ein weiterer Karriereschritt zugesagt.

Nach Aussagen der Beratungsgruppe betrachten über 70 Prozent der befragten Unternehmen das zu übernehmende östliche Management als nicht ausreichend qualifiziert. Die Typisierung eines "DDR-Managers" ergab in der Executive-Trust-Erhebung eher "den Beamten als den fortschrittlich denkenden, dynamischen Unternehmer".

Eher Beamte denn Unternehmer

Gründe für diese Eigenheiten machen die Düsseldorfer in dem seit über 40 Jahren praktizierten System der zentralen Planwirtschaft aus. Zudem habe das Überwachungs- und Bespitzelungssystem den "DDR-Manager" geprägt und eine Reihe von Ängsten zurückgelassen.

Die unterschiedliche Qualifikation der Ost-Manager, aber auch ein gewisses Maß an gegenseitiger Unsicherheit, so stellten die Düsseldorfer fest, komme unter anderem bei Anstellungsverträgen zum Ausdruck, die den "DDR-Managern" seitens westdeutscher Unternehmen gemacht werden: Entweder man versucht, das Gehaltsniveau der ehemaligen DDR zu konservieren, oder man wählt die "Flucht nach vorne".

Beim Vergleich der Manager-Typen, so die Ansicht von 67 Prozent der West-Unternehmen, bestehen die wesentlichen Unterschiede in der Ausgestaltung des unternehmerischen Denkens und Handelns sowie den Kenntnissen und Erfahrungen hinsichtlich Marketing und Vertrieb. Zudem unterscheiden sie sich in Selbständigkeit und Entscheidungsfreudigkeit, weiterhin im beruflichen Engagement und der damit erforderlichen Dynamik.

Bei der Improvisationsfähigkeit sind die neuen Kollegen den West-Managern allerdings einen Schritt voraus. Sie haben lernen müssen, bestmöglichst mit Unvollkommenheiten umzugehen.

Der größte Teil der befragten Unternehmen entfällt insbesondere auf die Unternehmen der Elektrotechnik, inklusive Datenverarbeitung (14,2 Prozent) und der Bereiche Maschinen-/Anlagenbau, Schienen-, Straßen-, Luft- und Raumfahrzeugbau (13,1 Prozent).

Teilgenommen an der Befragung haben Firmen, die größtenteils in den höheren Umsatzklassen westdeutscher Unternehmen zu finden sind: Mehr als zwei Drittel (69,2 Prozent) erreichen Umsätze in Höhe von über 100 Millionen Mark, ein knappes Drittel (29,6 Prozent) erzielt Umsätze von mehr als einer Milliarde Mark.

Die meisten der befragten West-Unternehmen sind Gesellschaften die international aktiv sind (58,5 Prozent).Jedoch auch Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen engagieren sich in Ostdeuschland; immerhin entfällt auf sie ein Anteil von gut 30 Prozent.