Werbung als Pflichtlektüre

Werbung als Pflichtlektüre Free-PC.com verschenkt Rechner gegen Kundendaten

19.02.1999
MÜNCHEN (CW) - Das US-Unternehmen Free-PC.com kann sich vor Anfragen kaum mehr retten. Es bietet Interessenten an, gegen die Freigabe persönlicher Daten PCs zu verschenken. Kritiker befürchten Probleme beim Datenschutz.

Für einen im Geschäft unter 1000 Dollar teuren Compaq-Rechner der "Presario"-Reihe mit kostenlosem Internet-Zugang zahlen die Anwender mit ihren persönlichen Daten und mit der Versicherung, daß sie die ständig eingeblendete Werbeleiste nicht entfernen. Diese ist wie die Systemsoftware auf der Festplatte vorinstalliert und belegt mit knapp 2 GB etwa die Hälfte des vorhandenen Speicherplatzes.

Geld verdienen will Free-PC.com durch Verträge mit der werbetreibenden Wirtschaft. Kundenfirmen sollen dafür zahlen, ohne Streuverluste direkten Zugriff auf ihre Zielgruppe zu erhalten. Tatsächlich existiert bereits eine Kooperation mit der Agentur Cybergold, die für Firmen wie Disney oder America Online arbeitet.

Damit das Konzept aufgeht, müssen die PC-Empfänger neben Namen, Adresse, Geschlecht und Alter auch Informationen über ihr Einkommen, Lebensgewohnheiten und Vorlieben angeben. Der in den USA kürzlich aufgekommenen Diskussion um den Schutz der Privatsphäre begegnen die Anbieter mit dem Hinweis, daß keine individuellen Daten, sondern lediglich soziodemografische Muster weitergegeben würden.

Die ersten 10000 Systeme sollen bis zum Sommer dieses Jahres ausgeliefert sein. Bislang sind bereits rund 500000 Anträge eingegangen. Den Zuschlag sollen jene Anwender bekommen, die am besten in das Kundenprofil der Firmen passen, die Anzeigen schalten.

Die Marktbeobachter von Zona Research sind jedoch skeptisch.So sei noch nicht geklärt, ob der Schutz persönlicher Daten auch für die 490000 abgelehnten Anträge gelte. Auf jeden Fall dürfte die hier gezeigte große Bereitschaft, für einen kostenlosen PC persönliche Informationen preiszugeben, Nachahmer zu ähnlichen Angeboten verlocken, die weniger skrupulös mit den Kundendaten umgehen.

"Die PC-Händler müssen sich künftig darauf einstellen, daß die Geräte nicht mehr von den Anwendern, sondern von anderer Seite bezahlt werden müssen", schwärmt Bill Gross, Gründer von Free- PC.com, bereits von einer allgemeinen Akzeptanz seiner Idee. Seinem Argument, daß in den USA ja auch Set-top-Boxen und Handys nahezu kostenlos zu haben seien, stimmen auch die Analysten von Zona Research zu.

Tatsächlich gibt es bereits ein ähnliches Angebot für einen kostenlosen I-Mac-Rechner vom DV-Anbieter One Stop Communications. Der Haken liegt dort allerdings nicht beim Datenschutz, sondern in einem Vertrag, der die Kunden verpflichtet, für 100 Dollar monatlich bei One Stop Communications einzukaufen und das Unternehmen für weitere 20 Dollar im Monat als Internet-Service- Provider zu nutzen. Damit übersteigen die jährlichen Kosten deutlich den Preis eines I-Mac, der in den USA bei 1000 Dollar liegt. Dennoch soll es bereits 2500 Verträge geben.