Wer vertritt die Anwenderinteressen?

02.12.1977

Es war sicherlich eine angenehme Reise. Dreizehn Herren, Präsidenten, die Rektoren und Vorstandsvorsitzenden von EDV-Anwender-Verbänden aus sieben europäischen Ländern trafen sich in Brüssel mit dem Direktor der Abteilung "Informatik" bei der Europäischen Gemeinschaft. Gastgeber Christopher Layton rief die Herren zu gemeinsamer Politik auf als Gegengewicht zu den häufigen Interventionen der Hersteller bei den Planern und Verwaltern der Europäischen DV-Förderung. Und man beschloß demnächst einen Europäischen Benutzer-Dachverband zu gründen (siehe Seite 1).

Das mag auch ganz sinnvoll sein. Zu wünschen wäre, daß die Interessen der EDV-Anwender etwa in Fragen der Standardisierung oder bei Europäischen Verordnungen und Konventionen, beispielsweise über Datenschutz bei grenzüberschreitendem Datenverkehr, in Brüssel durch eine mächtige Organisation vertreten würden. Aber genau das wird nicht der Fall sein, denn fast alle auf dem Brüsseler Meeting vertretenen Verbände repräsentieren sehr schwache Organisationen. Das gilt auch für den deutschen ADL-Verband für Informationsverarbeitung, der mit angeblich 1500 Mitgliedern noch die stärkste DV-Anwender-lnteressenvertretung innerhalb der EG-Länder darstellt.

Es fehlt eine starke Organisation

Aber, was sind denn 1500 vorwiegend Einzelmitglieder, inklusive Kartei-Leichen, bei mehreren hunderttausend Datenverarbeitern in diesem Land? Der ADL war seit jeher ein Honoratioren-Verein ohne schlagkräftige Organisation und wirklich aktives Verbandsleben. Die vormals selbständigen ADL-Nachrichten wurden der Fachzeitschrift "Online" eingegliedert. Aus finanziellen Gründen mußte vor zwei Jahren der Bundesgeschäftsführer entlassen werden. Seither wird allein ehrenamtlich gewerkelt und entsprechend mager ist das Angebot für die Mitglieder, mit der natürlichen Folge, daß ein wenig attraktiver Verein auch nicht wachsen kann.

Im europäischen Ausland ist die Situation nicht besser. Eine Ausnahme ist Großbritannien: Das britische National-Computer-User Forum wird von der Regierung stark gefördert und betreibt auch Forschung und Schulung, so daß diesem halbstaatlichen Verband zur Wahrung der Anwernder-lnteressen ein Jahres-Budget von 2,5 Millionen Pfund und eine entsprechende Organisation zur Verfügung steht.

Es ist wohl unstrittig, daß ein starker Benutzer-Verband, der auch für ständigen Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern sorgt, eine der vielen Voraussetzungen dafür ist, daß EDV gesamtwirtschaftlich effizient und kostengünstig realisiert wird. Es fehlt hierzulande eine wirklich starke Gegenmacht zu den Herstellern, über die Anwender ihre Wünsche in bezug auf Normierung, Standards, Gleichbehandlung und Vorab-lnformationen durchsetzen können.

Zwei Millionen Mark für ADL-Verband!

Vor gut zwei Jahren hieß es an gleicher Stelle in dieser Kolumne: "Wenn es stimmt, daß ein aktiver EDV-Verband dazu beiträgt, daß die EDV effizienter eingesetzt wird, dann ist es auch sinnvoll, Voraussetzungen für die Aktivität eines solchen Verbandes zu schaffen. Im dritten DV-Förderprogramm der Bundesregierung sollten deshalb für die Dauer von fünf Jahren insgesamt zwei Millionen Mark für den ADL-Verband bereitgestellt werden. Mit den jährlich vierhunderttausend Mark sollte eine starke Bundesgeschäftsstelle mit mindestens fünf hauptamtlichen Mitarbeitern eingerichtet werden, die den regionalen Verbänden planmäßig bei der Organisation von Vorträgen, Seminaren, Sonderveranstaltungen, Stammtischen und auch bei der Mitgliederwerbung hilft. Der Rest des Geldes sollte für Gutachten und für Werbung zur Verfügung stehen. Die Anwender werden dem ADL-Verband zuströmen, wenn er ihnen wirklich etwas zu bieten hat. Das kostet Geld, also Zuschüsse, die als Starthilfe zu verstehen sind. Wahrscheinlich würden diese zwei Millionen Mark zu dem im dritten DV-Programm am sinnvollsten aufgegebenen Beträgen gehören!" Dank CW 36/75 vom 5. September 1975.

Diese Forderung ist erneut zu erheben. Denn an der Misere unzureichender Interessenvertretung der Anwender gegenüber Staat und Herstellern ändert sich auch nichts durch einen neuen europäischen Dachverband - zusätzlich zur ohnehin schon bestehenden International Federation of Information Processing Societies (ISIPS).