"Wer sich gegen ein EIS wehrt, ist ein schlechter Manager"

17.11.1995

Spielt es eine grosse Rolle, ob sich Fuehrungskraefte von einem Assistenten berichten lassen oder ob die Informationen direkt von einem Fuehrungsinformationssystem (Executive Information System) abrufbar sind? Professor Uwe Hannig, Leiter des Ludwigshafener Instituts fuer Management Informations Systeme (IMIS), sieht einen betraechtlichen Unterschied darin. Hilde-Josephine Post unterhielt sich fuer die CW mit ihm.

CW: Warum wagen sich so viele Topmanager immer noch nicht an ein Fuehrungsinformationssystem?

Hannig: Die mangelnde Akzeptanz bei Fuehrungskraeften ruehrt einerseits von den schlechten Erfahrungen mit EIS in der Vergangenheit her, andererseits befinden sich Topentscheider vorwiegend in einem Alter, in dem sie nicht mehr an die Systeme herangehen wollen. Sie kommen am besten mit einer Bilanz zurecht. Eine Aufbereitung, die sich ein Controller ueber ein EIS einfallen laesst, imponiert dem Vorstand noch nicht. Das wird sich erst mit der naechsten Generation aendern.

CW: Oft behaupten Entscheider, sie haetten keine Zeit, sich mit solchen Systemen zu beschaeftigen.

Hannig: Sie haben schon Zeit, wenn sie einen Nutzen darin sehen, beispielsweise wenn sie sogar Zeit sparen. Dem Topmanager droht ein Kompetenzverlust, wenn er das EIS nicht ausnutzt.

CW: Aber wenn er die Informationen von einem Assistenten serviert bekommt, ist es doch mindestens genauso gut.

Hannig: Auch der Assistent filtert natuerlich Information. Eine schlechte Nachricht wird er unter Umstaenden ebensowenig weitergeben wie der Leiter einer Auslandstochter. Wuerde der Chef direkt ans System gehen, bekaeme er die Infos. Ein anderer Aspekt: Lassen die Entscheider die Daten fuer eine Sitzung erst aufbereiten, kann es ihnen passieren, dass im Gespraech, je nachdem zu welchem Zeitpunkt die Daten abgegriffen wurden, von unterschiedlichen Grundlagen ausgegangen wird. Deshalb sollten die Teilnehmer zukuenftig die Ergebnisse direkt ueber einen Beamer im Sitzungssaal abrufen. Dann kann sich keiner mehr rausreden. Ausserdem, wenn man schon ein EIS besitzt, ist es unsinnig, doch wieder eine Papierfuelle zu produzieren.

CW: Sie setzen ein grosses Misstrauen zwischen Chefs und Mitarbeitern voraus.

Hannig: In vielen Unternehmen beschaeftigen sich zur Zeit statt der Entscheider die Sachbearbeiter mit EIS. Sie holen die Daten aus dem Fuehrungsinformationssystem heraus und bereiten sie auf. Im Extremfall behalten sie die Informationen fuer sich. Dadurch besitzt der Sachbearbeiter gegenueber seinem Abteilungsleiter einen Informationsvorsprung.

CW: Fuehlt sich ein Mitarbeiter durch EIS nicht staerker ueberwacht?

Hannig: Als Ueberwachung wuerde ich es nicht bezeichnen. Wenn der Mitarbeiter weiss, sein Chef hat die Transparenz, wird er bei Schwierigkeiten viel frueher gegensteuern und nicht nach dem Prinzip Hoffnung arbeiten.

CW: Haengt es von der Branche oder Unternehmensgroesse ab, ob Topmanager mit einem EIS arbeiten sollten?

Hannig: Das Entscheidende ist nicht die Branche oder die Unternehmensgroesse, sondern wie gut die Leute auf der obersten Ebene sind.

CW: Wer bisher kein System benutzt hat, ist also ein schlechter Manager?

Hannig: Nein, er kann ja manchmal gar nichts dafuer. Aber wer sich jetzt noch dagegen wehrt, EIS zu benutzen, ist ein schlechter Manager.

CW: Ist es nicht riskant, wenn sich Chefs zu sehr auf EIS verlassen?

Hannig: Natuerlich besteht eine Gefahr, sich zu sehr auf Ergebnisse zu stuetzen, die aufgrund bestimmter Auswertungsroutinen entstehen, die nicht mehr hinterfragt werden. Deswegen brauchen wir eine neue Form des EIS: intelligente EIS.

CW: Je intelligenter die Systeme, um so unfaehiger wird der Manager.

Hannig: So kann man das nicht sehen. Die Vision ist: Der Manager setzt sich an seinen PC und erklaert ihm sein Problem. Dann flitzt ein kleiner Datenagent zunaechst durch die internen, und wenn er nichts findet, durch externe Datenbanken. Er sammelt alles ein, was er zu dem fraglichen Thema auftreiben kann. Ein Expertensystem sucht die relevanten Daten heraus und bereitet sie dem Manager auf. Es arbeitet wie ein Ueber-Ich, das sehr gewissenhaft Information selektiert. Diese lagern dann in irgendeinem Regal des Data-Warehouse. Das Expertensystem lernt bei jedem Suchvorgang hinzu. Es ist sogar besser als der einzelne Mensch, weil es das Wissen von vielen Menschen besitzen kann.

CW: Da bekommt man es ja mit der Angst zu tun. Entscheidet das Ueber-Ich auch fuer den Manager?

Hannig: Es entscheidet nicht, es dient nur der Entscheidungsunterstuetzung. Es wird drei, vier Szenarien angeben, diese bewerten und sagen: "Waehle dir eines aus." Der Mensch muss immer noch den Knopf druecken.