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Medienphilosoph

Weibel fordert mehr Kontrolle für Internetanbieter

02.01.2012
Wer hat die Macht in der Welt? Aus Sicht des Medienphilosophen Weibel die Anbieter von Internetdiensten. Die Politik sehe ihrem eigenen Machtverlust tatenlos zu, meint er.

Die Internetprovider zählen für den Karlsruher Medienphilosophen Peter Weibel zu den heimlichen Machthabern der Welt. Ihnen müsse dringend auf die Finger geschaut werden. "Sie sind auf undemokratischem Wege zu ihrer Macht gekommen, und sie können sie weitgehend unkontrolliert ausüben", sagte der Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe der Nachrichtenagentur dpa.

Zurzeit werde das Internet noch als Wegbereiter der Demokratie gefeiert - etwa im Arabischen Frühling. "Aber das Blatt kann sich schnell wenden", sagte Weibel. "Und dann wird die Machtfülle zu einer Bedrohung der Demokratie."

Im Moment seien die westlichen Regierung aber weder fähig noch willens, den Providern Einhalt zu gebieten. Die USA, aus denen fast alle wichtigen Algorithmen für das Internet stammten, beschützten diese Industrie ähnlich wie England seinen Bankensektor.

Europa habe das Problem noch nicht einmal erkannt, sagte Weibel. Dies gelte auch für die Wissenschaft. Europa habe zwar die Grundlagenforschung für das Internet geliefert, sich aber bei der Weiterentwicklung weitgehend enthalten. "Wir brauchen eine eigene Algorithmusforschung", forderte der Medienphilosoph. "Statt 20 Milliarden Euro jährlich in das Teilchenforschungszentrum CERN zu stecken, sollten wir besser zehn Milliarden Euro davon benutzen, um schnellere und bessere Rechnerprogramme zu entwickeln."

Im Moment befinde sich das Know-how in den Händen weniger, die damit eine Unmenge Geld verdienten. Auch in dieser Beziehung stimmten die Verhältnisse nicht mehr. "Die Provider produzieren ja nichts, sondern handeln vor allem mit den Informationen ihrer Nutzer", erläuterte Weibel. "Deshalb müssten eigentlich die Nutzer an den Gewinnen beteiligt werden."

Dass demokratische Basisbewegungen das Medium für ihre guten Zwecke nutzten, sei den Providern wohl im Grunde egal, sagte Weibel. Schlimmer noch: Es sei durchaus vorstellbar, dass sie gegen Geld auch mit Diktatoren zusammenarbeiten würden. China habe dies bereits versucht. Aber auch die Diktaturen selbst würden sich immer besser auf das Internet einstellen und es für ihre Belange nutzen. "Das Netz als Freiheitsmedium ist in ernster Gefahr." (dpa/tc)