Was Mittelständler für Mitarbeiter tun

24.11.2006
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen finden Ausnahmefirmen kreative und glaubwürdige Lösungen, um ihre Mitarbeiter zu motivieren.
Das Mitarbeitergespräch und die IT-gestützte Personalverwaltung gehören bei vielen Mittelständlern zum Standard. Schwächen gibt es eher in der Entlohnungspolitik und in der Organisation des Mitarbeitereinsatzes.
Das Mitarbeitergespräch und die IT-gestützte Personalverwaltung gehören bei vielen Mittelständlern zum Standard. Schwächen gibt es eher in der Entlohnungspolitik und in der Organisation des Mitarbeitereinsatzes.

Personalarbeit ist schön, solange es dem Unternehmen gut geht." Das klang schon fast resignativ, was Christian Scholz, Personal-Management-Experte und Betriebswirtschaftsprofessor an der Universität Saarbrücken zu Beginn der Verleihung des Best Pers Award 2006 sagte. Dieser Preis zeichnet die mittelständischen Unternehmen mit der besten Personalarbeit aus. 39 Firmen wurden in diesem Jahr in einer vergleichenden Studie auf ihre Aktivitäten in Sachen Personal-Management geprüft (siehe Kasten "Best Pers Award 2006"). Die Betriebe wurden unter anderem nach den Kriterien Personalbeschaffung, Kommunikation, Vergütung, Vision und Strategie, Personalentwicklung, -führung und -einsatz sowie Work-Life-Balance bewertet.

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Best Pers Award 2006

Der Best Pers Award ermittelt jährlich, welche mittelständischen Firmen gute, also "stimmige" Personalarbeit praktizieren und wie sie im Vergleich zu ihren Wettbewerbern dastehen. Mitmachen können Unternehmen mit bis zu 5000 Mitarbeitern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Teilnahme ist kostenlos. Der Startschuss für die nächste Runde fällt im März 2006. In der Jury sitzen Personalprofis wie Christian Scholz, Betriebswirtschaftsprofessor und Personal-Management-Spezialist an der Universität Saarbrücken, Monika Rösler, Vorstandsvorsitzende der PPM AG, Commerzbank-Personalchef Bernhard Heye sowie Werner Fröhlich, Professor an der Donau-Universität in Krems.

Gesamtsieger des Wettbewerbs 2006 wurden die Vereinigten Sparkassen im Landkreis Weilheim. Platz zwei belegten die Multimedia Solutions GmbH, eine Tochtergesellschaft der T-Systems, und die DDS, Dresdner Direktservice GmbH. Platz drei wurde nicht vergeben. Alle drei Gewinner schnitten in sämtlichen Bewertungskategorien von der Personalbeschaffung bis hin zu Vision und Strategie gut ab. In den einzelnen Kategorien wurden ebenfalls Preise verteilt. Dabei fielen vor allem Vertreter der Dienstleistungsbranche positiv auf.

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568988: Talent-Management;

569743: Personalarbeit im Internet;

538638: Digitale Personalarbeit.

Tolle Instrumente für die Katz’

Der Saarbrücker Wissenschaftler beobachtet eine Professionalisierung der Personalarbeit, fügte aber in Walldorf, wo die Preise verliehen wurden, auch gleich hinzu: "Sobald es um Entlassungen geht, sind alle tollen Instrumente, die sich Personaler ausdenken, vergessen."

Scholz ist überzeugt, dass die große Herausforderung aller Human-Resource-Manager, also nicht nur derer aus kleinen Betrieben, die Personaleinsatzplanung sein wird. Dass es in diesem Punkt Defizite gebe, zeigen ihm die immer häufigeren Entlassungen. "Kommt der Auftrag, werden neue Leute eingestellt, ist er abgearbeitet, müssen wieder ein paar gehen." Das müsse sich besser organisieren lassen, das sei ein "Feld, da können alle was tun".

Politik der offenen Türen

Obwohl laut seiner Benchmark-Untersuchung Mittelständler in einigen Punkten wie etwa der Entlohnung nicht so gut abschneiden (siehe Tabelle "Wo Mittelständler gut sind"), will er vor allem anhand positiver Beispiele zeigen, was kleine Unternehmen in Sachen Personalarbeit leisten können und dass es ein Vorurteil sei, dass nur die Großen mit viel Geld tolle Mitarbeitermotivations-Programme auflegen könnten.

So lobt er den Sieger in der Kategorie "Entlohnung", die T-Systems Multimedia Solutions GmbH, dafür, dass sie "mit einem fairen und transparenten System der Leistungserfassung sowie - bewertung" arbeite. Eine Leistungsbeurteilung finde für alle Mitarbeiter, inklusive Manager, statt. Darüber hinaus würden die Zielvereinbarungen systematisch kontrolliert und beinhalteten finanzielle und sonstige Konsequenzen.

Besonders zufrieden ist der Professor mit den Fortschritten in puncto Kommunikation und Computerisierung. Im ersten Fall bedeutet dies, dass die Unternehmen die klassischen Instrumente wie das Mitarbeitergespräch, aber auch die neuen wie Intranet und E-Mail gut in die Personalarbeit integriert haben. Der diesjährige Sieger in dieser Kategorie, Tele Atlas, Entwickler von Autonavigationssystemen, legt Wert auf eine Politik der offenen Türen und der "All Hands Meetings", in denen Mitarbeiter immer von höchster Stelle über alle wichtigen Entwicklungen informiert werden. Stolz ist Personalerin Isabell Krone auch auf den guten Draht zum Betriebsrat, mit dem sie Kompromisse auch zu schwierigen Themen aushandelt, etwa wenn es darum geht, den Tarif mittelstandsfreundlich auszulegen.

Viele automatisierte Prozesse

Was den Computereinsatz im Personalwesen angeht, haben die meisten Kleinen die wichtigsten Prozesse automatisiert. So geben fast alle Teilnehmer an, dass ihre Lohn- und Sozialverwaltung IT-gestützt läuft, über 80 Prozent betreiben die Fehlzeitenkontrolle und die Arbeitszeitverwaltung am Computer. Es fällt auf, so Scholz, dass Betriebe sich nun stärker den Themen IT-gestützte Leistungsbeurteilung und Personal-Controlling widmen. Der Spartensieger wird allerdings erst im März auf der Cebit bekanntgegeben.

Verstärkte Hochschulpräsenz

Zufrieden ist der Professor auch mit dem, was die Firmen in den Kategorien Strategie, Beschaffung und Personalführung leisten. So habe ihn der Sieger in der Sparte "Strategie und Vision", der Call-Center-Service Anbieter Dresdner Direktservice GmbH, damit überzeugt, dass sich Personalleiter Peter Meussen offensiv als Business- und -Servicepartner der Geschäftsführung versteht und sich direkt um die Unternehmenskultur und die Förderung der Führungskräfte sowie das Binden von qualifizierten Mitarbeiter kümmert.

Bezüglich der Personalbeschaffung stellte der Wissenschaftler erleichtert fest, dass auch Mittelständler wieder stärker an den Hochschulen nach Talenten suchen und sich an Kontaktmessen beteiligen. Der Sieger in dieser Kategorie, das Bremer Ingenieurbüro G. Fleischhauer hat für den gesamten Rekrutierungsvorgang Checklisten und Leitfäden erarbeitet, um ein hohes Niveau zu garantieren.

Ständiger Innovationswettbewerb

Wenn es um Personalführung geht, ist wichtig, dass "eine ganzheitliche, in Harmonie zur Unternehmensstrategie stehende Politik praktiziert wird, die die Mitarbeiter auch intellektuell herausfordert". Gerade in diesem Punkt sollten sich die Firmen durch Kreativität und Innovationsfähigkeit auszeichnen, so die Empfehlung von Scholz. Besonders beim Wort hat ihn die Stryker Trauma GmbH aus Schönkirchen bei Kiel, ein Anbieter von orthopädischen und medizintechnischen Produkten, genommen. Im 450 Personen starken Betrieb läuft ein permanenter Innovations-Wettbewerb. Jeder Fachbereich muss pro Monat mindestens eine Innovation einreichen. Die beste davon wird laut Sabine Krummel-Mihajlovic, Personalleiterin und Mitglied der Geschäftsführung, einmal im Quartal ausgezeichnet.

Etwas schlechter schnitten die beteiligten Firmen in den Kategorien "Personalentwicklung" und "Work-Life-Balance" ab. Hier muss laut Definition "die Stimmigkeit zwischen Mitarbeiterbeurteilung, Personalentwicklung und Entwicklungs-Controlling" zu erkennen sein.

Checkliste für Führungskräfte

Am ehesten haben die Vereinigten Sparkassen im Landkreis Weilheim diesem Kriterium entsprochen. Jährlich findet ein Abgleich mit den Stellenanforderungsprofilen statt. Dieser basiert auf den Soll-Profilen für jede Stelle. Die Führungskraft erstellt für den betroffenen Mitarbeiter anhand einer Checkliste das Ist-Anforderungsprofil und nimmt damit einen Soll-Ist-Vergleich vor. Daraus leitet das Unternehmen Personalentwicklungs-Maßnahmen ab sowie die Erwartungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter.

Viel Arbeit haben die Weilheimer in ihr ausgeklügeltes Weiterbildungs-Controlling investiert, das in zwei Etappen stattfindet: Zunächst beurteilt der Mitarbeiter das Seminar anhand eines standardisierten Fragebogens. Danach sprechen Führungskraft und Mitarbeiter über die Umsetzung des Erlernten. Nach zwei Monaten beurteilt der Vorgesetzte den Umsetzungserfolg und meldet dies an die Personalabteilung. Sie hat die Aufgabe, das Entwicklungs-Controlling für das gesamte Unternehmen zu überwachen.

Ein Dauerbrenner in Unternehmen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, neudeutsch besser bekannt als Work-Life-Balance. Scholz empfiehlt den Firmen, das Angebot von Teilzeit- und Telearbeit sowie allgemein die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung auszubauen. Das würde die Zufriedenheit und damit die Produktivität am Arbeitsplatz erhöhen. Ihm ist klar, dass gerade in diesem Punkt viel Wunschdenken existiert und die Praxis eine ganz andere ist. Umso mehr sind positive Beispiele hervorzuheben wie der Sieger in dieser Sparte - die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Personalleiterin Gesine Funk hat ihr Konzept auf drei Säulen gestellt: physische und psychische Gesundheit, ausgeglichene und individuell angepasste Arbeitsbedingungen und Raum für Familie und Privatleben. Dies versucht sie durch unterschiedlichste Ansätze wie Bewegungsförderung und ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, gesundheitsgerechte Verpflegung oder Förderung der geistigen Fitness umzusetzen.

Diese positiven Beispiele sollen vor allem solche Betriebe ermuntern über ihre Personalarbeit nachzudenken, die immer wieder damit argumentieren, dass es im Mittelstand kaum Spielraum für gute und kreative Lösungen gebe, um Mitarbeiter zu fördern und damit produktiver werden zu lassen. Denn eines sei klar, schloss der Professor: Der vielzitierte "War for talents" beginnt wieder, und darauf müssen sich auch die Mittelständler einstellen. Wollen sie wettbewerbsfähig bleiben, dürfen sie die Personalarbeit nicht vernachlässigen.