Betriebsbedingte Kündigungen

Was ist ein "freier Arbeitsplatz"?

04.01.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Wird Personal abgebaut, müssen Dauer-Leiharbeitnehmern als Erste gehen. Dr. Norbert Pflüger nennt Einzelheiten.
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Über das Thema Leiharbeit wird von Arbeitgeber- wie Gewerkschaftsseite immer wieder heftig diskutiert. Letztere fürchten um die Aushöhlung der Tarifverträge und fordern seit Längerem gleichen Lohn für gleiche Arbeit, auch Equal Play genannt. Für die Unternehmensseite ist Leiharbeit auch deshalb attraktiv, weil sie einen bestimmten Teil der Belegschaft flexibel halten können: Gegenüber Leiharbeitnehmern müssen bei notwendiger Personalreduzierung keine Kündigungen ausgesprochen werden. Das Unternehmen beendet einfach den Vertrag mit dem Entleiher.

Vor diesem Hintergrund ist eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg vom 03.03.2009 (Az. 12 Sa 2468/08) von Interesse. Ein Entsorgungsunternehmen hatte betriebsbedingt gekündigt. Der gekündigte Arbeitnehmer griff diese Kündigung vor dem Arbeitgericht an. Er wandte sich mit dem Argument gegen die Kündigung, die Arbeitgeberin solle zunächst den Einsatz der Leiharbeitnehmer beenden.

Der gekündigte Arbeitnehmer hatte in der ersten Instanz Erfolg. Auch in zweiter Instanz wurde die Berufung des Unternehmens zurückgewiesen. Die Kündigung war damit nicht rechtswirksam.

Wie hat das LAG Berlin-Brandenburg seine Entscheidung begründet? Bei jeder Kündigung hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob im Betrieb vergleichbare freie Arbeitsplätze vorhanden sind. Eine Kündigung ist nämlich dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn im Unternehmen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Einen Arbeitsplatz, der durch einen Dauer-Leiharbeitnehmer besetzt war, wertete das Landesarbeitsgericht als "frei" in diesem Sinne. Die Kündigung sei allein deshalb sozial ungerechtfertigt, weil der Entsorgungsunternehmer den gekündigten Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz eines Dauer-Leiharbeitnehmers hätte einsetzen müssen.

In der Konsequenz führt diese Entscheidung dazu, dass den von Personalabbau betroffenen Arbeitnehmern vor Ausspruch einer Kündigung die Stellen von Dauer-Leiharbeitnehmern angeboten werden müssen. Der Einsatz von Dauer-Leiharbeitnehmern also muss vor der betriebsbedingten Kündigung von Stamm-Arbeitnehmern beendet werden. (oe)

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Der Autor Dr. Norbert Pflüger ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied des VDAA Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte e. V. - www.vdaa.de. Dr. Norbert Pflüger, c/o Pflüger Rechtsanwälte GmbH, Kaiserstraße 44, 60329 Frankfurt am Main, Tel.: 069 242689-0, E-Mail: info@k44.de, Internet: www.k44.de