Servus, Elfenbeinturm

Was DV-Spezialisten Ober Unternehmensführung wissen sollten

08.02.1985

Das Überleben in Märkten. die sich in einem extrem starken Wechsel befinden, verlangt unternehmerische Flexibilität und strategische "Denke". Gefragt sind Fähigkeiten das Unerwartete, das nicht Vorhersehbare zu meistern. Führungskräfte aus dem DV-Management werden in zunehmendem Maße Herausforderungen bewältigen müssen. denen sie mit den Erfolgsrezepten der Vergangenheit kaum noch begegnen können.

In einer Zeit also, in der Langzeitplanungen- im Sinne des Projizierens von Vergangenheitsdaten auf die Zukunft- nicht mehr möglich sind, bedarf es notwendigerweise anderer Orientierungshilfen. Das aber genau ist das Wesen des "Strategischen Managements": Durch Bewußtmachen der Unternehmensidentität bei Führungskräften und Mitarbeitern und dem Formulieren der langfristigen Marschrichtung den Orientierungsrahmen für die Entscheidungen im Tagesgeschäft zu schaffen!

Aus Potentialen Erträge machen

Das Strategiepapier ist eine Absichtserklärung des Topmanagements zur Zukunft des Unternehmens. Es enthält grundlegende Unternehmensziele für einen mittel-bis langfristigen Zeitraum und die Verhaltensweisen (Strategie), um diese Ziele zu erreichen. Im Zentrum der einer "Grundstrategie" vorausgegangenen Überlegungen steht dabei der Aufbau von Erfolgspotentialen (Wettbewerbsvorteilen), die langfristig genutzt werden können und durch überdurchschnittliche Erträge erwarten lassen. Die Grundstrategie beantwortet also im wesentlichen die folgenden Fragen:

* Auf welche Märkte soll sich die Unternehmung konzentrieren?

* Welche Produkte/Dienstleistungen sollen schwerpunktmäßig angeboten werden?

* In welche Geschäftsfelder soll man investieren, um hohe Marktanteile zu erzielen, welche sollte man erhalten und melken, aus welchen sollte man sich zurückziehen?

* Welche Ressourcen stehen der Unternehmung mittel- bis langfristig zur Verfügung, und wie sollen diese eingesetzt werden?

Abbildung 1 stellt die Grundstrategie als Orientierungsrahmen für die operativen Entscheidungen dar.

Die solcherart formulierte Grundstrategie ermöglicht es, auch in der Hektik des Tagesgeschäfts die Gesamtsicht des Unternehmens und seine langfristigen Ziele im Auge zu behalten. So wurde bei einem Computerhersteller infolge eines Kostensenkungsprogramms eine Produktlinie gestrichen, die langfristig gesehen ein großes Erfolgspotential dargestellt hätte. Diese Entscheidung wäre anders ausgefallen, wenn man sie im Licht einer vorhandenen Unternehmensstrategie hätte bewerten können.

Strategisches Management ist aber nicht zu verstehen als das starre Festhalten an einmal aufgestellten Maximen, sondern als ein offenes und flexibles Steuerungssystem, das die Existenzsicherung des Unternehmens als permanenten Anpassungsprozeß an sich verändernde Bedingungen der Umwelt begreift. Um nun die Frage nach dem Nutzen einer Unternehmensstrategie zusammenfassend zu beantworten: Der erste große Nutzen entsteht schon durch den Strategiefindungsprozeß selbst. Bei den beteiligten Führungskräften entwickelt sich ein gemeinsames Bewußtsein für die Starken und Schwächen des Unternehmens sowie über die Chancen und Gefahren seines Umfeldes. Dieses Bewußtsein fördert in der Regel den Konsens bei Entscheidungen über Schwergewichtsbildung und Kräftekonzentration im Sinne der Schaffung von Erfolgspotentialen. Daß die gemeinsam verabschiedete Grundstrategie eine vorzügliche Orientierungshilfe im Tagesgeschäft ist, wurde schon gesagt. Ein weiterer wesentlicher Vorteil strategischen Managements ist der permanente Lernprozeß, der bei Führungskräften und Mitarbeitern in Gang gesetzt wird. Insofern ist das Entwickeln und Einführen einer Unternehmensstrategie nicht nur ein Planungsakt, sondern auch eine bewußt angestrebte Veränderung der "Manage-Denke".

Für die gemeinsame "visionäre" Denkarbeit der Führungskräfte in einem Strategieentwicklungsprozeß ist die Verständigung auf folgende Prämissen hilfreich:

*Motivation

Strategisches Management erfordert festen Willen der Führungskräfte sich über einen bestimmten Zeitraum an die gemeinsam definierte Grundstrategie zu binden, "Committment" ist also gefragt, nicht nur "Involvement"! Eine innere Bindung an die Strategie und- die Motivation zu ihrer Weitervermittlung an die Mitarbeiter entsteht aber nur dann, wenn diese Entscheidungen auf der Basis gemeinsam gewonnener Erkenntnisse und Einsichten getroffen wurden. Konsens setzt jedoch voraus, daß unterschiedliche Auffassungen beziehungsweise Einschätzungen zunächst sichtbar gemacht und dann ausdiskutiert werden- was je nach Mentalität der Führungskräfte Zeit braucht, die einzuplanen ist.

*Qualitative Ergebnisse

Es geht nicht um die möglichst genaue Schätzung von Planzahlen, sondern um das Erkennen und Bewerten von Erfolgspotentialen als Basis für die Ermittlung von Planwerten. Strategieformulierung ist ein visionärer Akt, der aus der "Top-down"-Blickrichtung erfolgt, im Gegensatz zur Langzeitplanung, die Einzelwerte "Bottom-up" fortschreibt.

*Pragmatisches Vorgehen

Die für strategische Betrachtungen benötigten Informationen sind zum großen Teil bei den beteiligten Führungskräften parat. Wenn nicht werden zunächst Annahmen getroffen, die später zu überprüfen sind. Es geht um brauchbare Ergebnisse, nicht um Perfektion! Deshalb ist auch kein Planungsstab erforderlich der vor den Strategiesitzungen ziellos Daten sammelt.

*Bewußter Lernprozeß

Die Einführung des Konzeptes der strategischen Führung muß als evolutionärer Prozeß betrachtet werden, der von Anfang an keine perfekte Lösung anstrebt. Vielmehr ist man sich bewußt, daß die Unternehmensstrategie in mittelfristigen Zeitabständen immer wieder im Licht neuer Informationen zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln ist. Die wichtigsten Lernschritte sind:

* Verbesserung der "strategischen Denke" bei den Führungskräften

* Sensibilisierung der Mitarbeiter für strategische Probleme

* Verbesserte Informationsbeschaffung

* Denken in "strategischen Geschäftseinheiten "

* Bessere Umsetzung strategischer Entscheidungen

In der Praxis hat es sich bewährt das Modell der strategischen Führung in fünf Phasen einzuführen. Am Anfang ist es wichtig, daß bei den beteiligten Führungskräften ein klares und einheitliches Verständnis über die Ausgangsposition besteht. Die Umweltanalyse zur Erkennung der externen Chancen und Gefahren sowie die Unternehmensanalyse zur Bewußtmachung der Starken und Schwächen des Unternehmens - also seiner Identität- sind die wichtigsten Bestandteile dieses ersten Schrittes. Es folgen die Definition der strategischen Ziele und die Formulierung der Grundstrategie sowie der Strategien für die einzelnen Geschäftsfelder. Ausgehend von den formulierten Strategien werden nun die Politiken für die Funktionsbereiche Marketing, Forschung und Entwicklung, Produktion und Finanzen festgelegt. "Structure follows strategy" heißt die Devise, die hinter dem nächsten Schritt steht.

Die Unternehmensorganisation wird also als wichtiges Mittel zur Strategiedurchsetzung betrachtet und soll deshalb strategiekonform aufgebaut sein. Schließlich folgt der oft schwierigste Schritt in einem Strategieprojekt: die Durchführung der Strategien! Dieser Schritt wird erleichtert, wenn die "kritische" Masse der Führungskräfte bereits in den Strategiefindungsprozeß miteinbezogen wurde. Wichtig ist auch, daß die neue Grundstrategie "wohlausgewogen" in Gang gesetzt wird.

Zu viele Maßnahmen auf einmal treffen zu wollen, die dann alle nur angerissen werden, ist gefährlich. An diese Stelle gehört die Erkenntnis, daß Strategieentwicklung ein "nie endender Prozeß" ist. Die einmal formulierte Strategie soll zwar mit möglichst großer Beharrlichkeit verfolgt werden, andererseits ist es in einer Zeit voller Veränderungen notwendig, sie immer wieder im Licht neuer externer und interner Entwicklungen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Ein gut organisiertes Frühwarnsystem kann helfen, den Balanceakt zwischen beharrlichem Festhalten an den formulierten Strategien und der Reaktion auf die schwachen Signale, die in der Regel Chancen und Gefahren vorausgehen, zu bewältigen.

Abbildung 2 zeigt die fünf Schritte des Strategieüberwachungssystems, wobei die gestrichelte Linie das Strategieüberwachungssystem und den Vorgang der Strategieanpassung darstellen soll.

Obige Erkenntnisse vorausgesetzt: Wie entwickelt man als mittleres oder kleines Unternehmen, das nicht über einen Stab an Unternehmensplanern verfügt, die Grundstrategie des Unternehmens beziehungsweise die Marketingstrategie für einzelne Geschäftsfelder? Man kann Strategien "fremd"- beziehen, indem man eines der dafür spezialisierten und befähigten Beratungsunternehmen damit beauftragt. Dieses Vorgehen hat die wesentlichen Vorteile, daß hier "Strategieexperten" ihre gesamte Erfahrung mit einbringen und daß das Top- und Mittelmanagement wahrend des Strategieprozesses nicht für das Tagesgeschäft ausfällt. Der entscheidende Nachteil solcher "fremdgeschneiderter" Strategien ist die Gefahr, daß sich die Führungskräfte des Unternehmens und die entscheidenden Mitarbeiter nicht mit diesem fremden Werk identifizieren.

Was hier zur vollständigen Identifikation fehlt, sind die im Strategieprozeß gemeinsam gewonnenen Erkenntnisse, auf deren Basis strategische Entscheidungen später dann auch motiviert getragen werden können. Das genannte Risiko führt dazu, daß die Strategien von dem Führungsteam selbst entwickelt werden, wozu häufig dann auch Kostenüberlegungen führen. Die renommierten externen "Strategen" haben zu Recht ihren Preis und scheiden schon deshalb für viele Unternehmen aus. Vor der Entscheidung für das "Selbstschneidern" der Strategien sind allerdings folgende (mögliche) Hindernisse zu berücksichtigen:

* Führungskräfte, die überwiegend mit operativen Aufgaben befaßt sind, verfügen häufig nicht über die im Strategieprozeß benötigten Werkzeuge (Methoden). Die Fähigkeit, den Prozeß des gemeinsamen Denkens und Erkenntnisgewinnens (Moderation) zu optimieren, ist oft nicht genügend ausgeprägt.

* Da im Strategieteam Bereichsinteressen vertreten werden und notwendigerweise auch vertreten werden müssen, geht möglicherweise das aus Unternehmenssicht notwendige Maß an Objektivität und Neutralität verloren.

* Bereiche und deren Führungskräfte leben oft in "Waffenstillstandssituationen" . Allen bekannte Schwachstellen werden deshalb nicht angesprochen.

Hier hat sich in der Praxis der externe Moderator bewährt, der frei von solchen Hindernissen arbeiten kann, weil sein Hauptinteresse dem optimalen Prozeßablauf gilt. Wofür er zu sorgen hat, ist, daß

* alle im individuellen Fall erforderlichen Stufen des Strategieprozesses und alle relevanten Informationen bewertet werden,

* neue Denk- und Kreativitätstechniken zur Anwendung kommen,

* in den wichtigen Erkenntnisstufen des Strategieprozesses Konsens im Führungsteam besteht,

* der geplante Zeitrahmen eingehalten wird,

* Konflikte "auf den Tisch kommen"- also sichtbar gemacht werden und andererseits bereinigt werden.

Der Moderator "lotst" das Management-Team also durch den gemeinsamen Denkprozeß mit dem Ziel, das Gesamtergebnis zu optimieren und bei allen Beteiligten eine maximale Identifikation mit den getroffenen Entscheidungen zu erreichen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß es auf diese Weise möglich ist, die Grundstrategie für ein mittleres Unternehmen drei bis vier Sitzungen a zwei Tage zu entwickeln, wobei sich der erste Strategieprozeß etwa über ein Vierteljahr erstreckt.

*Management-Service und Beratungsinstitut MSBI, Seeheim/Bergstraße