Umfrage unter 4000 Studenten

Was der europäische Nachwuchs wirklich will

10.05.2002
MÜNCHEN - Deutsche Hochschulabsolventen sind alt, unentschlossen, was sie beruflich machen wollen, und peilen 40 000 Euro als ersten Verdienst an. Der Vergleich mit ihren europäischen Kommilitonen fördert große Unterschiede in der Karriereplanung zutage. Von CW-Mitarbeiterin Bettina Wirth

Gemeinsam mit dem Mutterkonzern Hobsons Plc. fragte der Forum Verlag, Konstanz, über 4000 europäische Studenten, davon 786 Deutsche, nach dem Wie und Warum ihrer Karriereplanung. Erschreckendes Ergebnis: Obwohl die deutschen Absolventen im europäischen Vergleich am ältesten sind, wissen sie nur ungefähr, in welcher Branche sie nach dem Hochschulabschluss ihre berufliche Karriere starten wollen. In Zahlen: Der deutsche Durchschnittsstudent verlässt die Universität mit 26 Jahren und acht Monaten, während europäische Kommilitonen ihr Studium im statistischen Alter von 24 Jahren und drei Monaten abschließen. Trotzdem starten die deutschen Absolventen keineswegs zielstrebiger ins Berufsleben als der Rest Europas: Nur elf Prozent der befragten deutschen Studenten haben eine genaue Vorstellung von ihrer Laufbahn. Dabei verfolgen immerhin 20 Prozent der europäischen Studenten schon genaue Pläne. Polnische Studenten wissen mit Abstand am besten, wohin sie wollen: 35 Prozent haben hier konkrete berufliche Ziele vor Augen, gefolgt von den italienischen, englischen und ungarischen Absolventen.

Obwohl die meisten nicht genau wissen, wohin sie wollen, beginnen deutsche Studenten früh mit der Jobsuche. Zum Zeitpunkt der Umfrage im Februar 2002 befassten sich 55 Prozent derjenigen, die in diesem Jahr examiniert werden, mit ihrem potenziellen Arbeitgeber. 42 Prozent der Studenten, die ihren Abschluss für 2003 oder später planen, suchen ebenfalls schon heute. Für deutsche Unternehmen bedeutet dies, dass sie jetzt anfangen müssen, die Kandidaten für 2004 zu rekrutieren.

Aufgaben sind wichtiger als GeldGroße Unterschiede offenbaren sich auch in den Gehaltsvorstellungen europäischer Berufsanfänger. In Ländern mit einem niedrigen Bruttosozialprodukt äußert der Nachwuchs bescheidenere Vorstellungen als anderswo. Ungarischen Hochschulabsolventen schwebt demnach ein Jahresgehalt von 20300 Euro vor, während die Deutschen mit 40200 Euro fast das Doppelte erwarten. Das höchste Einstiegssalär peilen Schweizer Absolventen mit 49900 Euro an, der europäische Durchschnitt liegt bei 29500 Euro.

Geld ist allerdings nicht das Wichtigste im Leben, finden die europäischen Absolventen. Der erste Job muss vor allem interessant sein. Für zwei Drittel der Befragten spielt außerdem der gute Ruf des Unternehmens eine große Rolle. Deutsche Frauen wie Männer wünschen sich überdurchschnittlich häufig Auszeiten für Weiterbildung und flexible Arbeitszeiten.

Große Firmen bevorzugtAllen Studienteilnehmern ist gemein, dass sie ihren ersten Lohn am liebsten bei einem multinationalen Unternehmen einstreichen möchten. 78 Prozent der europäischen Studenten wünschen sich einen Global Player als ersten Arbeitgeber. Die Hälfte der Befragten kann sich noch vorstellen, für ein kleines oder mittelständisches Unternehmen tätig zu werden. Die großen Verlierer sind die Dotcom-Firmen, nur 13 Prozent der Befragten möchten dort arbeiten. Auch die Selbständigkeit stellt mit elf Prozent keine Alternative für den europäischen Nachwuchs dar.

Einen Lichtblick aus deutscher Sicht bietet das Thema Sprachenkenntnisse: 90 Prozent aller deutschen Studenten beherrschen eine zweite Sprache, 85 Prozent sprechen fließend englisch, 16 Prozent französisch. Besser stehen nur die skandinavischen Länder da: In Schweden etwa sprechen so gut wie alle Absolventen fließend englisch. 45 Prozent beherrschen außerdem Deutsch. Dass ein Student keine Fremdsprachenkenntnisse mitbringt, gilt als symptomatisch für englischsprachige Länder. So können in England und Irland 47 beziehungsweise 59 Prozent der Studenten nur ihre Muttersprache.

Abb.1: Die beliebetesten Arbeitsbereiche und Branchen

Die meisten europäischen Studenten streben einen Job als Manager oder Berater an. In die IT-Branche drängen nach wie vor mehr Männer.Hier suchen deutsche Studenten nach Karriereinformationen. (Quelle: Forum Verlag, Konstanz)

Abb.2: Informationsquellen

Hier suchen deutsche Studenten nach Karriereinformationen (Quelle: Forum Verlag, Konstanz)