Unternehmensberatung knüpft Kontakte zwischen Freiberuflern

Virtuelle Netzwerke brauchen keine Hierarchien, aber Projekt-Manager

03.03.2000
Der Zusammenschluss in virtuellen Netzwerken bietet für Freiberufler und kleine Unternehmen viele Synergieeffekte. Die Hamburger Projektwerk Unternehmensberatung GmbH hat sich auf die Partnersuche, Administration und Organisation von Netzwerken spezialisiert.Von Holger Eriksdotter*

"Virtuelle Unternehmen sind Geschäftspartnerschaften auf Zeit - und mit der zeitlich befristeten Bündelung ihrer Kompetenzen ergibt sich besonders für Freelancer und kleine Firmen die Möglichkeit, sich flexibel und kostengünstig auf Wettbewerbsverhältnisse und Kundenwünsche einzustellen", erläutert Christiane Strasse, eine der zwei Geschäftsführerinnen des im März 1999 gegründeten Projektwerks. Dadurch werden auch solche Projekte machbar, die die Kompetenz und Leistungskraft der einzelnen Teilnehmer weit überschreiten würden.

Mal Mitarbeiter, mal InitiatorDie Website des Projektwerks (www.projektwerk.de) bildet den Dreh- und Angelpunkt des Angebots und dient als Plattform, auf der sich Projektanbieter und Interessenten treffen. Die Rollen sind indes nicht festgelegt: Wer in einem Projekt als Mitarbeiter tätig ist, kann durchaus als Initiator eines anderen auftreten. Dabei bleibt der Projektinitiator üblicherweise in der Angebotsphase anonym, und auch der potenzielle Projektmitarbeiter muss bei ersten Kontakten seine Identität nicht offenbaren.

"Während in Online-Jobbörsen und Stellenvermittlungen das Anforderungsprofil des gesuchten Mitarbeiters normalerweise den Ausgangspunkt bildet, steht bei uns das Projekt im Vordergrund", sagt Strasse. Außerdem seien Jobvermittlungen häufig auf Branchen begrenzt, mit ei-nem Schwerpunkt im IT-Bereich. Das Projektwerk setzt dagegen auch auf die Synergieeffekte, die erst durch einen branchenübergreifenden Ansatz möglich werden.

Erfreut war die promovierte Betriebswirtin, dass trotz des leergefegten Stellenmarktes für IT-Fachkräfte eine große Anzahl junger und hochqualifizierter Informatiker im Pool vertreten sind. "Solche Leute werden in der Wirtschaft händeringend gesucht und würden sofort einen Job finden. Trotzdem ziehen viele eigenverantwortliches Arbeiten in Projekten der starren Firmenhierarchie vor."

Strasse, die selbst erst im Herbst 1999 ihren Job bei einer Personalberatung gegen die Selbständigkeit eingetauscht hat, kann diese Motive nachvollziehen.

Zur Zeit sind etwa 170 Teilnehmer vertreten, davon jeweils zur Hälfte Freiberufler und kleine Unternehmen mit drei bis zehn Mitarbeitern aus zahlreichen Branchen. Mehr als 20 Projekte sind im Projektwerk-Pool abrufbar: Die Spanne reicht von Hard- und Softwarethemen wie der Entwicklung einer Auktionssoftware oder der hardwaregestützten Zugangskontrolle zum Internet über innovative Dienstleistung im Gesundheitsbereich bis hin zur Vermarktung einer ökologischen Wasserturbine. Die Teilnehmer zahlen nach einem kostenfreien halben Jahr eine jährliche Gebühr, die beim Freiberufler mit 125 Mark zu Buche schlägt und über mehrere Stufen bis auf maximal 900 Mark für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern ansteigen kann.

Die Leistungen der Unternehmensberatung gehen dabei deutlich über das reine Zusammenbringen potenzieller Partner hinaus. Grundsätzlich übernimmt das Projektwerk die Aufgabe des "Netzwerk-Coaches": Es stellt die technische Infrastruktur bereit, legt die Regeln fest, baut die Beziehungen zwischen den Netzwerkpartnern auf und vermarktet schließlich die Leistungen des Netzwerks.

Ganz ohne Kontrolle geht es nichtZudem können die Pool-Teilnehmer weitere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die dann allerdings nicht im jährlichen Mitgliedsbeitrag enthalten sind. "Virtuelle Unternehmen und Netzwerke kommen fast ohne Hierarchien aus, komplexe Projekte benötigen jedoch ein effizientes Management. Auf Wunsch begleiten wir beim Aufbau des Netzwerkes von der Formulierung der Zielsetzung über die Kompetenzanalyse und das Konzept bis zur Umsetzung", erklärt Strasse. Auch die Funktionen des Netzwerk-Brokers, der für das Marketing und den Verkauf zuständig ist, oder des Leistungs-Managers, der die Auftragsinhalte definiert, für die Zeitplanung und Auftragsabwicklung verantwortlich ist, können projektweise übernommen werden.

"Natürlich ist es ein vorrangiges Ziel, eine Vertrauenskultur zu etablieren. Aber ganz ohne Kontrolle geht es auch im Projektwerk nicht", verrät Strasse. Nicht-öffentliche Bewertungen, die sich die Projektmitarbeiter nach Abschluss gegenseitig ausstellen, sollen verbindliche Qualitätsstandards sicherstellen. Kriterien sind dabei, ob die Arbeitsergebnisse termingetreu und in vereinbarter Qualität erbracht wurden.

Mit der bisherigen Geschäftsentwicklung zeigt sich die Jungunternehmerin zufrieden und denkt schon über weitere Dienstleistungsangebote nach: "Wir möchten möglichst wenig verwalten und kontrollieren, sondern mit den Teilnehmern eine Community entwickeln. Wir sind für alle denkbaren Entwicklungen offen."

Diskussionsforum ist geplantNeben aktuellen Fachartikeln zum Thema virtuelle Unternehmen und Netzwerke, die schon jetzt zugänglich sind, soll ein ständiges Diskussionsforum für die Teilnehmer entstehen. Außerdem soll eine geschützte Arbeitsplattform auf dem Server entstehen, die die Projektverantwortlichen mieten können. Musterverträge sollen in nächster Zeit hinzukommen.

Zudem ist eine rechtliche und versicherungstechnische Beratung geplant. Das Umfeld ist hier nicht gerade einfach, denn Jurisprudenz und Versicherungsrecht sind in Deutschland ganz auf traditionelle Unternehmen zugeschnitten. Vernetzte Organisationsformen und virtuelle Unternehmen werfen gelegentlich vollkommen neue Fragen auf.

Beim Ausbau des Angebots bedienen sich die drei festangestellten Mitarbeiter ganz im Sinne ihrer Unternehmensphilosophie eines Netzwerks, in dem verschiedene Partner die benötigten Kompetenzen zur Verfügung stellen.

Die Geschäftsführerin wagt einen Blick in die Zukunft: "Wenn das Unternehmen sich weiter in dem Maße entwickelt, wie die ersten Monate es andeuten, werden wir wohl nicht umhinkönnen, bald auch ganz reale Mitarbeiter einzustellen."

* Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.